Im Schaufenster hängt ein Schild "Mitarbeiter gesucht"
Fachkräftemangel

Warten auf die Rot-Weiß-Rot-Karte: Behörden vertrödeln Verfahren

Die Rot-Weiß-Rot-Karte sollte qualifizierte Beschäftigte aus Drittstaaten nach Österreich locken. Doch ein Rechnungshof-Bericht zeigt: Antragsteller bekommen in 40 Prozent der Fälle keine Arbeitsbewilligung innerhalb der gesetzlichen Frist.

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Die Unternehmen brauchen sie, die Qualifizierung ist gegeben, und trotzdem dürfen viele Fachkräfte nicht in Österreich arbeiten. Die langen Verfahren für die Rot-Weiß-Rot-Karte schrecken Unternehmen davon ab, qualifizierte Arbeitskräfte im Ausland zu scouten – und dämpfen die Motivation Arbeitswilliger, nach Österreich zu kommen.

Der Antrag ist für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber komplex – das ist keine Überraschung. Diese Erfahrung haben bisher viele Arbeitgeber gemacht, die offene Stellen mit Arbeitskräften aus dem Ausland dringend besetzen wollen – profil hat berichtet. Nun hat der Rechnungshof das lange Warten auf die Rot-Weiß-Rot (RWR)-Karte kritisiert und kommt zum Schluss: Die Verfahren könnten viel einfacher und flexibler gestaltet sein.

Für Antragsteller (dies können sowohl die Arbeitnehmer als auch die -geber sein) sei nicht klar, welche Art der Arbeitsbewilligung sich für welche Stellen eignet. Es gibt fünf verschiedene Varianten der RWR-Karte und zusätzlich die Blaue Karte, die EU-weit gültig ist. Diese seien „schwer voneinander abgrenzbar, zumal es bei den ausbildungs- und kenntnisbezogenen Anforderungen vielfach Überschneidungen gibt und sich die Zielgruppen überlappen“, bemängelt der Rechnungshof.

Außerdem ergeben die Kriterien, die über die Qualifikation der Antragsteller entscheiden sollen, laut Rechnungshof kein kohärentes Gesamtbild: „Mit besonders hohen Qualifikationen in einer Dimension (zum Beispiel besonders hohem Einkommen) sind Defizite in einer anderen Dimension kaum ausgleichbar. Ein Sprachniveau ab B2 (fortgeschrittene Sprachkenntnisse) führt in keiner Variante zu einer höheren Bewertung.“

Die Rot-Weiß-Rot-Karte wurde 2011 eingeführt, um die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten, also außerhalb des europäischen Arbeitsmarktes, nach Österreich zu ermöglichen. Sie garantiert sowohl den legalen Aufenthalt, als auch das Recht, in Österreich zu arbeiten. Österreich sollte damit für Beschäftigte aus Drittländern attraktiver werden. Sie gilt in der Regel für 24 Monate.

Unübersichtliches System

Zwar ist die Zahl der Ausstellungen über die Jahre angestiegen, viele Anträge scheitern jedoch am komplizierten Verfahren. 2022 wurden insgesamt 5.157 RWR-Karten und Blaue Karten ausgestellt, mehr als 4,5-mal so viele Karten wie 2012, einem Jahr nach Einführung der RWR-Karte, und fast 3,5-mal so viele wie im Jahr 2017.

Der Rechnungshof empfiehlt, die Kartenvarianten deutlicher voneinander abzugrenzen: „Zum Beispiel durch eine klarere Abgrenzung der Zielgruppen und einer darauf abgestimmten Konzeption und Gewichtung der Kriterien.“ Denkbar sei auch, Mindestkriterien einzuführen. Dann könnten Parameter für ein Punktesystem definiert werden, welche „für eine Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt besonders relevant sind. Dazu zählen beispielsweise formale Ausbildung, Gehalt und Sprachkenntnisse.“

Bis das gesamte Verfahren – vom Antrag bis zur Ausstellung – reformiert wird, müssen Interessierte weiter mit einem unüberschaubaren System zurechtkommen. Doch das Innenministerium hat nicht einmal im Blick, wie lange die Verfahren für die Rot-Weiß-Rot- und die Blaue Karte dauern, merkte der Rechnungshof in seinem Bericht an. Die Daten, die der Kontrollbehörde zur Verfügung standen, deuten jedoch an: Mehr als 40 Prozent der Verfahren dauern länger als die gesetzlich vorgesehene Dauer von acht Wochen.

Wirtschaftsökonomen und Arbeitnehmervertretungen fordern längst eine Gesamtstrategie. Selbst Bundeskanzler Karl Nehammer, der sonst eine gewisse Härte gegenüber ausländischem Zuzug pflegt, wirbt in seinem Österreich-Plan dafür, dass bis 2030 die Rot-Weiß-Rot-Karte binnen 72 Stunden ausgestellt und eine vollständige digitale Antragstellung ermöglicht werden soll, „um die besten Köpfe nach Österreich zu holen“.

In Österreich herrscht Arbeitskräftemangel vom Koch bis zur Ärztin. Allein in der Pflege werden laut einer Prognose von Gesundheit Österreich in den nächsten 25 Jahren 200.000 Personen benötigt.  

Diese angestrebte Produktivitätssteigerung könnte dann erreicht werden, so der Rechnungshof, wenn die zuständigen Behörden mit einer gemeinsamen IT-Anwendung arbeiten würden. Die hauptbeteiligten Aufenthaltsbehörden und das Arbeitsmarktservice (AMS) wickeln die Verfahren derzeit in getrennten IT-Systemen ab. Dabei steht die Abwicklungsplattform „Anwendung für Niederlassung und Aufenthalt“ (AnNA) seit Ende 2022 den Aufenthaltsbehörden zur Verfügung, das AMS sollte laut Rechnungshof dort zugeschalten werden. Unterlagen werden in Einzelfällen noch immer per Post zwischen den Behörden verschickt.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Innenministerium, Arbeitsministerium und AMS, in Abstimmung mit den Bundesländern AnNA zu einem gemeinsamen Abwicklungs- und Controllinginstrument der beteiligten Behörden auszubauen. Dies sollte eine gesicherte, weitgehend automatisierte Daten- und Dokumentenübermittlung zwischen Aufenthaltsbehörden untereinander und zum AMS ermöglichen.

Antragssteller gebildet und technisch fit

Im Jahr 2022 waren 7.602 Karten aktiv – die meisten davon in Wien. Die IT-Branche profitiert am meisten vom qualifizierten Zuzug, neun Prozent der Antragssteller üben Gesundheitsberufe  aus. Bosnier, Inder und Russen gehören zu den größten Einwanderungsgruppen, das durchschnittliche Bildungsniveau der Personen lag über jenem der unselbstständig Beschäftigten in Österreich insgesamt: 84 Prozent hatten einen zumindest der Matura vergleichbaren Bildungsabschluss.

 

Ergänzung

Das Arbeitsministerium hält in einer Stellungnahme gegenüber profil fest:

„Der vorliegende Bericht des Rechnungshofs zur Rot-Weiß-Rot–Karte bezieht sich auf den Zeitraum bis Ende März 2023. In den letzten Jahren konnten wir als Bundesregierung mehrere Maßnahmen setzen, um die Rot-Weiß-Rot–Karte als attraktive Beschäftigungsmöglichkeit für qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten maßgeblich zu verbessern. In einem ersten Reform-Schritt, der mit Oktober 2022 in Kraft trat, wurde die Rot-Weiß-Rot–Karte spürbar verbessert und die dazugehörigen Verfahren vereinfacht. Seither kann eine deutliche Steigerung bei der Anzahl der ausgestellten Karten verzeichnet werden. In den 12 Monaten vor der Reform konnten 5.381 Karten ausgestellt werden, in den 12 Monaten nach der Reform waren es bereits 7.860 – das entspricht einer Steigerung von rund 46 Prozent.“

Dieser Trend habe sich weiter fortgesetzt. Im ersten Quartal 2023 wurden 2.424 RWR-Karten ausgestellt, im Vergleich dazu waren es in demselben Zeitraum des Vorjahres 1.856.

Inzwischen wurde ein ressortübergreifender Strategieausschuss für internationale Fachkräfte geschaffen, die nächste Sitzung soll Ende April stattfinden. Ziel sei es, die Verfahrensdauer innerhalb eines Jahres um die Hälfte zu reduzieren und die Anzahl ausgestellter Rot-Weiß-Rot – Karten bis 2027 zu verdoppeln. Aktuell betrage die durchschnittliche Ausstellungsdauer der RWR-Karte beim AMS 25 Tage. Bürokratische Hürden sollen durch ein sogenanntes „Pre-Check“-Register abgebaut werden, welches die Anerkennung von Qualifikationen beschleunigen soll.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.