Nach der Generalmobilmachung im September des Vorjahres haben zahlreiche Russinnen und Russen das Land verlassen. Im Bild: Eine Autokolonne am Grenzübergang Vaalimaa an der finnisch-russischen Grenze am 29. September 2022.
Arbeitsmarkt

Rot-Weiß-Rot-Card: Russen sind drittgrößte Einwanderer-Gruppe

Russische Staatsbürger bekamen im Vorjahr nach Bosniern und Indern die meisten Rot-Weiß-Rot-Karten. Antragszahlen und Bewilligungen haben sich seit Kriegsbeginn verdoppelt.

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Staatsbürger der russischen Föderation waren 2022 trotz internationaler Isolation Russlands die drittgrößte Einwanderergruppe bei der der klassischen Arbeitsmigration aus einem Nicht-EU-Land nach Österreich. Exakt 569 Rot-Weiß-Rot-Karten (RWR-Karten) wurden laut Arbeits- und Wirtschaftsministerium und AMS an russische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen ausgestellt. Heuer waren es in den ersten fünf Monaten bereits 244. Das ist etwas mehr als doppelt so viel als der Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.

Nicht nur die Bewilligungen, sondern auch die Antragszahlen haben sich im Jahr des militärischen Überfalls auf die Ukraine laut AMS-Auswertung verdoppelt. 623 Personen haben um eine RWR-Karte angesucht. In den fünf Jahren davor waren es im Schnitt um die 300 Personen. Die zwei größten Arbeits-Einwanderer-Gruppen waren Bosnierinnen und Bosnier (922 Personen) und indische Staatsbürger (714). Während in diesen beiden Ländern heimische Unternehmen, Wirtschaftskammer und Politik aktiv und offen um qualifizierte Zuwanderer werben, ist das in Russland seit Kriegsbeginn nicht der Fall.

Dass das Anwerbe-Treiben gerade boomt, hat auch mit der jüngsten Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte zu tun. Im Oktober des Vorjahres wurden Erleichterungen für die Weiterbeschäftigung von Saisoniers beschlossen. Es gab Erleichterungen bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen. Außerdem werden Fremdsprachenkenntnisse bei der Punktevergabe höher gewichtet, die Deutsch-Anforderungen wurden herabgesetzt und die Verdienstuntergrenze für Schlüsselkräfte ab 30 Jahren auf 2.835 Euro brutto gesenkt. Seit Jahresbeginn wurden laut Arbeits- und Wirtschaftsministerium insgesamt 2.432 Rot-Weiß-Rot-Karten ausgestellt, im Vorjahr waren es 6.182.

Fast ein Zehntel davon waren Russinnen und Russen. Die meisten russischen Staatsbürger - nämlich 222 - bekamen übrigens einen Job als "IT- und Wirtschaftstechniker/In", gefolgt von 149 "Manager/Innen". Dass die Antragszahlen sich - auf niedrigem Niveau - verdoppelt haben, dürfte nicht nur mit der Reform der RWR-Karte zusammenhängen. Wie viele Russinnen und Russen seit Kriegsbeginn tatsächlich das Land verlassen haben, wird seitens des Kreml nicht kommuniziert. Eine Annährungen über Grenzstatistiken aus Russlands Nachbarländern und der EU-Grenzagentur Frontex legen aber nahe, dass gut eine halbe Million Menschen Russland dauerhaft verlassen haben. Nur 40.000 von ihnen sind in die EU eingereist, die meisten ließen sich in Serbien, Georgien oder in der Türkei nieder. Trotz der umfangreichen Sanktionen gegen Russland gilt für russische Staatsbürger kein Einreise- oder Visaverbot in der EU. Sie können also nach wie vor zum Beispiel in Österreich eine RWR-Karte beantragen und einreisen.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".