Das Shoppingcenter Seiersberg in Zeiten von Corona

Shoppingcity Seiersberg: Wie die Politik von der Pandemie profitiert

Die steirische Landesregierung nutzt die Coronavirus-Krise um eine umstrittene Verordnung durchboxen. Zugunsten der Shoppingcity Seiersberg.

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Unter dem Corona-Schutzmantel ist derzeit vieles möglich, was zu anderen Zeiten erheblich mühseliger wäre. Die Politik hat das blitzschnell erkannt. Ein Beispiel aus der Steiermark. Dort ist der Rechtsstreit um die Shoppingcity Seiersberg bei Graz eine never-ending Story. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2003 beschäftigt der Konsumtempel die Gerichte. Nun gewinnt der Streitfall erneut an Fahrt. Und das kommt so: Teile des drittgrößten Einkaufszentrums in Österreich sind nämlich seit einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) als illegal einzustufen. Das Höchstgericht erklärte bereits 2016, dass die juristische Konstruktion, nämlich dass die Verbindungsbauten zwischen den einzelnen fünf Komplexen „Wege“ sein sollen, für rechtswidrig. Die steirische Landesregierung reagierte darauf, in dem sie den Landtag veranlasste, das Landesstraßen-Verwaltungsgesetz zu ändern und damit der Gemeinde Seiersberg zu ermöglichen, die Verbindungsbauten als so genannte Interessentenwege zu erklären.

Der Hut brennt

Seit vergangenen Oktober beschäftigt sich der VfGH auf Antrag der Volksanwaltschaft erneut mit der Shoppingcity Seiersberg. Das Höchstgericht hat bereits anklingen lassen, dass es mit dieser Konstruktion nicht so wirklich einverstanden ist – voraussichtlich im Juni wird es über die Beschwerde entscheiden. Es brennt also der Hut, denn dann müssten die Verbindungsbauten abgerissen werden. Richten soll es nun nach dem Willen der Landesregierung eine Einzelstandort-Verordnung. Das ist einigermaßen originell, denn eine solche Verordnung ist ein Planungsinstrument im Vorfeld. Mit ihr werden Gebiete für die Errichtung von Gebäuden des Einzel- oder Großhandels sowie deren Größe festgelegt – üblicherweise bevor gebaut wird. In Seiersberg soll sie eingesetzt werden, um einen Bau nachträglich juristisch abzusichern. „Die Regierung bewegt sich damit am Rande des Amtsmissbrauchs. Sollte das tatsächlich so durchgezogen werden, werden wir das ganz genau auf strafrechtliche Relevanz prüfen“, sagt Lambert Schönleitner, Landtagsabgeordneter der Grünen.

Keine Einigung trotz heftiger Debatte

Bevor die Landesregierung ihren Beschluss fasst, soll allerdings der Raumordnungsbeirat seinen Sanktus geben. Dieses Gremium war schon einmal mit der Thematik befasst, kam aber nach heftiger Debatte zu keiner Einigung. Auch dafür wurde Abhilfe geschafft: Am 26. März hat die Landesregierung die Geschäftsordnung des Raumordnungsbeirats geändert. Nun kann der Beirat auch per Videokonferenz tagen und sogar Umlaufbeschlüsse fassen. Die neue Regel macht Mehrheitsbeschlüsse ohne vorhergehende Debatte und Sitzungsprotokoll möglich. Die Landesregierung kann dann bei Kritik an ihrer Entscheidung bequem auf die Empfehlung des Raumordnungsbeirats verweisen. Die Änderung der Geschäftsordnung habe nichts mit der Einzelstandortverordnung für Seiersberg zu tun, heißt es dazu aus dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung. Sie diene dazu, „die Arbeit dieses Gremiums auch während der COVID-Pandemie zu ermöglichen“. Verständlich. Erstaunlich aber, dass die Geschäftsordnung des Wirtschaftsförderungsbeirats diesbezüglich nicht geändert wurde. Hat dieser in einer Zeit, in der eine heftige Wirtschaftskrise herandräut, tatsächlich nichts zu tun?

Verordnung innerhalb von ein paar Tagen in Kraft?

Der Vorsitzende des Raumordnungsbeirats hat jedenfalls keine Zeit verloren und bereits eine Einladung verschickt. Am 16. April wird per Videokonferenz getagt. Aus dem Umfeld der Landesregierung wiederum ist zu vernehmen, dass in der für 23. April anberaumten Regierungssitzung die Einzelstandort-Verordnung beschlossen werden soll. Dann könnte sie innerhalb von Tagen in Kraft treten. Das wäre rechtzeitig vor jener Session des VfGH, in der - wie von Experten vermutet - die Novelle des Landestraßengesetzes aufgehoben wird. Offiziell heißt es aus dem Büro von Ursula Lackner, Landesrätin für Umwelt und Regionalentwicklung: „Da die notwendige Empfehlung des Raumordnungsbeirates noch nicht vorliegt, steht noch nicht fest, wann das Thema Seiersberg auf die Tagesordnung einer Regierungssitzung kommen wird“.

Ist die Einzelstandort-Verordnung erst einmal erlassen, kann die Gemeinde Seiersberg die derzeit noch vor dem VfGH bekämpfte Wegeverordnung aufheben. Denn über eine Verordnung, die es nicht mehr gibt, kann das Höchstgericht nicht entscheiden.

Corona sei Dank.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.