Klubobfrau Sigrid Maurer
Superwahljahr 2024

Sigrid Maurer: Schilling-Erfinderin, Kurz-Bezwingerin und nächste Parteichefin?

Sigrid Maurer hat gezeigt, dass Grüne keine Softies sind. Wie beschädigt ist sie nun durch die Causa Lena Schilling?

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Vor zwei Jahren gibt Sigrid Maurer dem Wiener Magazin „Fleisch“ ein langes Interview. Sie plaudert über Gott (an den sie nicht glaubt), die Welt (die sie verbessern will) und ihr Leben als Promi (woran sie sich gewöhnt hat). Auf die Frage, was sie jungen Frauen raten würde, die in die Politik gehen wollen, aber die Öffentlichkeit scheuen, antwortet Maurer: „Scheiß drauf. Mach’s.“ Bei der Rekrutierung von Lena Schilling, erzählt Maurer profil vergangene Woche, lief es nicht so kurz ab. Die Grünen hätten lang mit ihr gesprochen, gemeinsam Für und Wider abgewogen. Es ging immerhin nicht um irgendein politisches Amt, sondern um die Spitzenkandidatur bei der Europawahl am 9. Juni.

Wie sehr der Tumult um Schillings Privatleben, veröffentlichte Chats und anonymisierte Charakteranalysen den Grünen schadet, wird der Wahlabend zeigen. Bis dahin führt Schilling ihre Kampagne unbeirrt weiter (siehe Seite 22). Halten die Grünen ihr Ergebnis von 2019 – 14 Prozent und drei Mandate –, ist alles gut. Dazu wären 500.000 Stimmen notwendig. Verlieren sie einen Sitz im Europaparlament, wird es ungemütlich: für Lena Schilling und auch für Sigrid Maurer, die Schillings Spitzenkandidatur verantwortet. Maurer will nicht mehr viel zur Causa sagen. Es habe sich etwas verschoben. Das Privatleben von Politikern sei nun nicht mehr tabu.

Maurer, Schilling

Scheißmirnix

Ihren Ratschlag an Jungpolitikerinnen hat Sigrid Maurer verinnerlicht. Sie ist, was man in ihrer Wortwahl ein Scheißmirnix nennen könnte. Mit Werner Kogler führt sie die Grünen im Jänner 2020 in eine – an der Basis schwer umstrittene – Koalition mit der Volkspartei. Als Klubobfrau lehrt sie die grünen Montessori-geprägten Abgeordneten Disziplin und sichert der Regierung so die Mehrheit. 2021 zwingt sie Sebastian Kurz zum Rücktritt. Doch jetzt, wenige Monate vor Ende der Legislaturperiode, bringt eine Personalentscheidung Maurer unter Druck. Nicht, dass ihr Schicksal mit Lena Schilling verknüpft wäre. Aber es trifft sie – falls es schiefgeht – ein Auswahlverschulden.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.