Morgenpost

Spitzenkandidaten gesucht: Grüne und ÖVP nach wie vor ohne EU-Liste

Während sich bei den Neos mehr als 60 Leute für ein einziges EU-Mandat bewerben, sind Grüne und ÖVP weiterhin auf der Suche nach Spitzenkandidat:innen.

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In der Wiener Politik-Blase gilt das EU-Parlament in Brüssel häufig als Abstellgleis. Tatsächlich reißt man sich derzeit – obwohl es sich um Top-Jobs handelt – in manchen Parteien nicht unbedingt um die vordersten Plätze auf der EU-Liste.

Vor allem bei den Grünen scheint es besonders mühsam, das notwendige politische Personal aufzustellen. Vorgesehen war zunächst Klimaministerin Leonore Gewessler, die sich aber nach einem längeren Entscheidungsprozess – der innerhalb der Partei mitunter Nerven strapazierte – dann doch zierte.

Spekuliert wird immer wieder über eine mögliche Spitzenkandidatur der Klimaaktivistin Lena Schilling. Die 23-jährige ist in der Partei gut vernetzt, manche Grüne würden sich ihr politisches Talent in den eigenen Reihen wünschen.

Schilling wird aber vielseits umworben: Auch KPÖ und SPÖ sollen ihr gute Listenplätze angeboten haben. Sie selbst bestätigt nichts, aus dem grünen Umfeld hört man allerdings: Wenn, dann werde man die junge Aktivistin eher bei der Nationalratswahl im Herbst einsetzen – vorausgesetzt, sie will überhaupt in die Politik gehen.

Viel Zeit und allzu viele Optionen bleiben den Grünen jedenfalls nicht mehr. Im Topf befinden sich aktuell noch Namen wie Monika Vana, die aktuelle Delegationsleiterin der Grünen im EU-Parlament, oder ihr Parlaments-Kollege Thomas Waitz. Auch über eine externe Lösung wird gemunkelt, also: jemanden von einer NGO zu engagieren. Kurzzeitig kursierte auch ein neuer, unerwarteter Name: Die Nationalratsabgeordnete und Vorsitzende der Grünen Frauen, Meri Disoski, soll Interesse an einer möglichen Spitzenkandidatur gezeigt haben. Auch diese Option ist allerdings schon wieder passé, heißt es aus dem Umfeld der Grünen; und Disoski selbst verneint auf profil-Anfrage jegliche Ambition.

Bei der letzten Europawahl vor fünf Jahren war übrigens Parteichef Werner Kogler grüner Spitzenkandidat und ist letzthin nicht ins EU-Parlament eingezogen. Damals war die innenpolitische Lage freilich eine gänzlich andere: Die Grünen waren zuvor aus dem Nationalrat geflogen, der EU-Wahlkampf eine willkommene politische Bühne.

Nicht nur die Grünen plagen sich: Der ÖVP ist im Sommer ihr EU-Schwergewicht Othmar Karas abhanden gekommen, der nach einem guten Vierteljahrhundert nicht mehr für das EU-Parlament kandidieren wird. Als Spitzenkandidat wäre er aufgrund seiner wiederholten kritischen Äußerungen gegenüber dem aktuellen Kurs der ÖVP aber wohl ohnehin nicht infrage gekommen. Aktuell wird der frühere ÖVP-Klubobmann und nunmehrige außenpolitische Sprecher Reinhold Lopatka als möglicher Spitzenkandidat gehandelt – bestätigt ist aber auch das noch nicht.

Die Neos machen es sich vergleichsweise einfach. Dort kann grundsätzlich jeder und jede, der oder die möchte, für einen Listenplatz kandidieren; insgesamt gibt es 62 Bewerber:innen. Derzeit haben die Neos allerdings nur einen Sitz im EU-Parlament inne, auch wenn ein zweites Mandat erklärtes Ziel ist. Am 15. Jänner beginnt die „Vorwahl“, bei der es für Außenseiter:innen allerdings eher schwer werden dürfte, steht doch mit Helmut Brandstätter ein sehr prominenter Name auf der Bewerber:innenliste. Die bisherige EU-Abgeordnete Claudia Gamon wechselt in ihr Heimatbundesland Vorarlberg und wird dort die pinke Landesgruppe führen.

Fixe Spitzenkandidaten haben bis jetzt nur die SPÖ mit Andreas Schieder und die FPÖ mit Harald Vilimsky aufgestellt. Warum sich manche Parteien so schwer tun, die Listen zu füllen, analysieren auch meine Kolleg:innen Eva Linsinger und Moritz Ablinger im aktuellen profil-Podcast – Sie können ihn hier oder auf Spotify anhören. Ausführliche Einschätzungen lesen Sie außerdem im neuen profil, das wir dem Superwahljahr 2024 gewidmet haben – ab heute Mittag als E-Paper verfügbar. 

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.