Statistik Austria: Unliebsame Mitarbeiter werden gekündigt und Reformen gestoppt

Laut Medienberichten will das Bundeskanzleramt mehr Einfluss auf die Statistik Austria nehmen. Der Umbau läuft bereits: Unliebsame Mitarbeiter werden gekündigt und Reformen zur Effizienzsteigerung gestoppt.

Drucken

Schriftgröße

Die Statistik Austria sitzt auf einem Schatz. Die rund 800 Mitarbeiter der Bundesagentur vermessen Tag für Tag die Republik. Die Institution weiß, wie viele Menschen in Österreich Mindestsicherung beziehen und welche Staatsbürgerschaft sie besitzen. Sie kennt die Handelsbilanzen der einzelnen Bundesländer, die Nächtigungszahlen im heimischen Tourismus und kann darstellen, wer in Österreich die höchsten Einkommen lukriert.

Groß war die Aufregung, als die Tageszeitung „Der Standard“ am vergangenen Dienstag berichtete, die Öffentlichkeitsarbeit der Statistik Austria könnte bald vom Bundeskanzleramt aus koordiniert werden. Die Bundesagentur ist zwar formal dem Kanzler unterstellt, agiert aber im Tagesgeschäft weisungsfrei.

Reformgruppe arbeitet an Umstrukturierung

„Das würde der Regierung einen Informationsvorsprung und damit die Deutungshoheit über die Daten verschaffen“, meint ein Mitarbeiter der Statistik Austria gegenüber profil. Das Bundeskanzleramt war in der Folge bemüht, diese Meldung zu dementieren: Zwar werde die Kommunikationsabteilung von acht Mitarbeitern auf zwei heruntergefahren, die Agenden sollten aber nur organisationsintern umgeschichtet werden – und keinesfalls ins Kanzleramt wandern.

Gesichert ist, dass seit Oktober des Vorjahres eine Reformgruppe unter der Leitung des Generalsekretärs im Kanzleramt, Dieter Kandlhofer, an einer Umstrukturierung der Statistik Austria arbeitet. profil-Recherchen ergaben, dass in der Bundesagentur bereits einiges in Bewegung ist: So sollen Mitarbeiter mit der „falschen“ politischen Couleur gekündigt und Projekte zur Effizienzsteigerung abgeblasen worden sein.

Offener Brief an Kanzler Kurz

Der Statistik Austria steht neben dem organisatorischen Umbau auch eine politische Umfärbung bevor. Die Verträge der beiden Generaldirektoren Konrad Pesendorfer (Fachstatistik) und Gabriela Petrovic (Kaufmännischer Bereich) laufen mit Ende des Jahres aus. Eine Vertragsverlängerung des SPÖ-nahen Pesendorfer gilt als ausgeschlossen. Nach einem Jahr im Kabinett von Werner Faymann ernannte ihn der rote Ex-Kanzler 2010 zum Chef der Statistik.

Aussen vor. 33 Reformprojekte von Konrad Pesendorfer, Geschäftsführer der Statistik Austria, wurden auf Eis gelegt.

Nicht nur in der Führungsebene entscheidet die politische Punzierung über die Karrierechancen: Der befristete Vertrag einer fachlich geschätzten Mitarbeiterin sollte mit Anfang 2019 in einen unbefristeten übergehen. Kurz vor Weihnachten soll Geschäftsführerin Petrovic der Mitarbeiterin erklärt haben, sie brauche „nach den Feiertagen nicht mehr wiederzukommen“. Die Mitarbeiterin hatte sich zuvor in der Studentenorganisation der Grünen engagiert.

Unabhängig von allen Personalspekulationen forderten die Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und Liste Jetzt nach Bekanntwerden der halbgaren Reformpläne, die Statistik Austria künftig unter Aufsicht des Nationalrates zu stellen. Pesendorfer formulierte einen gleichlautenden Vorschlag in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Projekte sollen gestoppt werden

Doch der Umbau ist bereits im Gange: Der vom Kanzleramt ins Leben gerufenen Reformgruppe gehört nur eine der beiden Geschäftsführer an: Petrovic. Mit Pesendorfer pflegt sie angeblich kein besonders harmonisches Einvernehmen. Unter ihrer Mitwirkung sollen nun 33 Projekte, die Pesendorfer in den vergangenen Jahren unter dem Arbeitstitel „Strategie 2020“ vorantrieb, gestoppt werden. Das Herzstück von Pesendorfers Reformbestrebungen war laut profil-Informationen ein Projekt namens „Data Warehouse“, ein Lagerhaus für die Datenschätze der Statistik Austria. Es hätte jedem der 800 Statistik-Mitarbeiter Zugriff auf das verfügbare Datenmaterial anderer Abteilungen ermöglicht – Ziel war demnach, Doppel- erhebungen zu vermeiden, die immer wieder auftreten, und damit die amtsinterne Effizienz zu erhöhen.

Allein: Das Projekt wurde von Kandlhofers Reformgruppe auf Eis gelegt – obwohl er versprochen hatte, „Doppelgleisigkeiten beseitigen“ zu wollen. Auf profil-Anfrage hieß es aus dem Kanzleramt, dass „das Projekt ohne Einbindung der Fachabteilungen der Bundesanstalt konzipiert worden“ sei, die Daten „händisch eingegeben“ werden müssten und die Technologie „veraltet“ sei – daher stelle sich die Frage nach dem Nutzen.

Da die Kommunikation infolge der medialen Spekulationen über die Neuaufstellung der Statistik zu entgleiten drohte, übermittelte Kandlhofer den beiden Geschäftsführern den offiziellen Wortlaut für „weitere Medienanfragen“: Ziel der Reformgruppe sei, nach 19 Jahren der Ausgliederung als Bundesanstalt „eine Evaluierung der Aktivitäten durchzuführen“. Auf profil-Anfrage beteuerte das Kanzleramt, es habe sich um keine Vorgabe gehandelt, Pesendorfer habe nach der Kommunikationslinie gefragt. Der Geschäftsführer war für keine Stellungnahme erreichbar.