Tankgebühren: Verteidigungsministerium zahlt 200.000 Euro an FPÖ-nahes Institut

Ein FPÖ-nahes Mini-Institut erhält 200.000 Euro jährlich vom FPÖ-Verteidigungsministerium. Die Gegenleistung: Analysen über Russland.

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Dr. Markus Tschank, 39, ist ein Spitzenjurist. An der Universität Wien promovierte er mit Auszeichnung. Für seine Dissertation erhielt er einen Preis. Seit 2012 ist Tschank Rechtsanwalt. Seine Ausbildung absolvierte er in Wiens führenden Kanzleien. Schon früh engagierte sich Tschank auch politisch im Ring Freiheitlicher Jugend. Vor einem Jahr wurde er FPÖ-Obmann in Wien-Innere Stadt. Derartiges Talent verlangt nach mehr: Seit der Wahl 2017 ist Tschank Nationalratsabgeordneter. Er vertritt die FPÖ im Justiz- und im Verfassungsausschuss.

Dr. jur. Tschank hat aber auch ein Steckenpferd: Außenpolitik. Genauer: Russland. Dass die FPÖ eine Partei voller Russland-Freunde ist, weiß man nicht erst, seit Präsident Putin bei Außenministerin Karin Kneissls Hochzeit antanzte. Schon vor zwei Jahren schloss die FPÖ einen Freundschaftsvertrag mit der Kreml-Partei Einiges Russland. Markus Tschank ist Vorstandsmitglied der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft sowie Chef einer Forschungseinrichtung, in der Putin-freundliche Russland-Experten den neuen Ost-West-Konflikt kommentieren.

Das Institut für Sicherheitspolitik (ISP) wurde im November 2016 als Verein gegründet. Präsident: Markus Tschank. Im heurigen Mai organisierte der Thinktank eine hochkarätige Veranstaltung. Im Hotel Park Hyatt Vienna fand die erste Mitteleuropäische Sicherheitskonferenz statt. Zwar stand diese "im Zeichen eines überparteilichen Dialogs", die Rednerliste hatte aber eine klare Färbung: Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ-nah), Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) und (per Videobotschaft) Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ). An einer Diskussion nahmen Ex-ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek, Ungarns Sonderbotschafter Georg Habsburg und Minister aus Slowenien, Kroatien und Bulgarien teil. Zum Galadinner luden zwei Ko-Veranstalter: die Paneuropa-Bewegung und der St.-Georgs-Orden, in dem Norbert Hofer Mitglied ist.

Die Veranstaltung kann über eines nicht hinwegtäuschen: Beim ISP handelt es sich um ein Thinktank-Start-up, bestenfalls um eine Mini-Forschungseinrichtung. Eine Kontaktaufnahme ist nur per Mail möglich. Auf der handgestrickten Homepage findet sich keine Telefonnummer, dafür eine Adresse: Brucknerstraße 4,1040 Wien. In dem Haus am Schwarzenbergplatz sind zwar das Generalkonsulat von Barbados und ein halbes Dutzend Ärzte, Steuerberater und Anwälte eingemietet. Allerdings findet sich auf den zahlreichen Firmenschildern kein Hinweis auf die Existenz des ISP, lediglich einer auf Markus Tschank und dessen Rechtsanwaltsbüro im selben Haus.


Ein Thinktank ohne Telefonnummer

Ein Thinktank ohne Telefonnummer, ohne brauchbare Website, ohne eigene Räumlichkeiten, untergebracht in der Kanzlei seines Präsidenten? "Unser Institut ist erst im Aufbau begriffen", sagt Alexander Dubowy. Umso stolzer verweist er auf das bereits Umgesetzte: die Mitteleuropa-Konferenz, Veranstaltungen mit dem Verteidigungsministerium, Arbeitspapiere. Der promovierte Jurist ist wissenschaftlicher Direktor des ISP, einziger fixer Mitarbeiter -und Russland-Experte. Er publizierte in Schriften der Direktion für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium, veröffentlichte Kommentare in Qualitätsblättern und hat Lehraufträge an der Uni Wien. Neben Dubowy stützt sich das ISP auf "einen externen Experten-Pool", wie Markus Tschank festhält: "Wir arbeiten in einer flexiblen Projektstruktur und setzen auf externe Unterstützung durch Experten sowie Kooperationsveranstaltungen."

Laut der ISP-Website zählt "zum Aufgabengebiet des Institutes" auch eine "evidenzbasierte Politikberatung mittels wissenschaftlicher Analysen". Hauptabnehmer ist das Verteidigungsministerium, mit dem ein Kooperationsvertrag besteht. Ein Thinktank, der von einem freiheitlichen Politiker (Tschank) präsidiert wird, erhält also Aufträge von einem Ministerium, dem ebenfalls ein freiheitlicher Politiker (Kunasek) vorsteht. ISP-Direktor Dubowy selbst ist kein FPÖ-Mitglied. Das Institut sei, so Dubowy, eine akademische Einrichtung ohne parteipolitische Verbindungen.

Nach Auskunft des Verteidigungsministeriums erhält das ISP jährlich einen Pauschalbetrag von 200.000 Euro für Analysen - wie vier weitere Institute, die dem Ministerium ihrerseits Studien zur Sicherheits-, Militär-und Verteidigungspolitik liefern: das Austria Institut für Europa und Sicherheitspolitik (AIES), das Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog (BKF), das Österreichische Institut für Internationale Politik (OiiP) und das Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK).

Im Gegensatz zum ISP verfügen die anderen Institute allerdings über - kostspielige - personelle und organisatorische Strukturen. Dennoch ist wohl damit zu rechnen, dass das Verteidigungsministerium Analysen zu Russland in Zukunft vorrangig an das ISP vergibt. Mit dessen Gründung schloss FPÖ-Mann Tschank auch eine parteipolitische Lücke. Das AIES (Präsident: der frühere ÖVP-Verteidigungsminister Werner Fasslabend) gilt in der Sicherheitsexperten-Community als eher schwarz, das ÖSFK (Vorstand: der Präsident des SPÖ-Pensionistenverbands Peter Kostelka) als eher rot.

"Keine Haltung gegenüber Russland"

Bei der Lektüre der Beiträge auf der Website des ISP lässt sich - zumindest teilweise - eine prorussische Tendenz festmachen. So schrieb Direktor Dubowy im März 2018 zum Attentat auf den Überläufer Sergei Skripal, der mutmaßlich von russischen Agenten in England vergiftet worden war: "Ernstzunehmende stichhaltige Beweise für die Wahrheit der Vorwürfe dürften aber weitgehend ausbleiben, man denke an die Vorwürfe russischer Einmischung und der Manipulation demokratischer Willensbildungsprozesse im Westen." Mit heutigem Wissensstand sprächen mehr Indizien für eine Involvierung Russlands in den Mordversuch an Skripal, so Dubowy gegenüber profil. Allerdings gebiete es die akademische Redlichkeit, den alten Beitrag auf der Website zu belassen. Es gebe im ISP gewiss keine Tendenzen pro Russland, man arbeite "akademisch sauber".

Dass Russland versuche, die Öffentlichkeit im Westen zu beeinflussen, bezeichnet Dubowy mehrfach als unbewiesen. "Zunehmende Orientierungslosigkeit angesichts globaler Veränderungen und eine tiefe politische und gesellschaftliche Krise des Westens" erscheinen ihm "wesentlich bedrohlicher als jedwede Versuche der Einflussnahme von russischer Seite".

Einer der ISP-Experten ist der deutsche Historiker Alexander Rahr vom Deutsch-Russischen Forum. Die Organisation wurde wiederholt wegen allzu Putin-freundlicher Ausrichtung kritisiert. Auch Rahr persönlich wurde vorgeworfen (unter anderem vom CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok), Propaganda für Russland zu betreiben. ISP-Direktor Dubowy verweist auf kritische Russland-Beiträge anderer Experten seines Pools, etwa jene des US-Historikers Hal Brands von der renommierten Johns Hopkins School of Advanced International Studies (SAIS). Professor Brands bestätigt, Artikel für das ISP verfasst zu haben; er sei beeindruckt von der Professionalität des Instituts. Auch ISP-Präsident Markus Tschank betont die Unabhängigkeit seines Thinktanks: "Das ISP hat keine Haltung gegenüber Russland." Sein Institut sei auch "in keiner Form als Kontakt der FPÖ zu Russland" zu sehen.

Die Ex-Außenministerin und der russische Präsident im August 2018 bei Kneissls Hochzeit in der Steiermark.
Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.