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Telefonsex-Anbieter: Strafverfahren nach jahrelangen Ermittlungen eingestellt

Betrug. Warum ein aufwendiges Verfahren gegen Telefonsex-Anbieter eingestellt wurde

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Die fünf Rechnungen über je 72 Euro für eine „Telefonchat-Pauschale“ und mehrere „Flatrate-Abos“ für Telefonsex-Kontakte kamen per Post von der tschechischen Firma „Tele Inside s. r. o.“ aus Znojmo. Die in Wien-Döbling lebende Empfängerin, Dr. Maria D. (im Bild rechts), hatte dafür keinerlei Erklärung und ist über jeden einschlägigen Verdacht erhaben. Die Mutter der Grün-Politikerin Madeleine Petrovic (im Bild links) ist inzwischen 93 Jahre alt.

Die 2011 von Petrovic erstattete Betrugsanzeige gegen den Anbieter löste umfangreiche Ermittlungen der Kriminalpolizei aus. Fast 300 mögliche Geschädigte wurden in ganz Österreich einvernommen. Auch das Konto der Firma bei einer Weinviertler Bank wurde geöffnet. Die Zahlungseingänge von tausenden Kunden dokumentierten ein lukratives Geschäft. In einem einzigen Monat landeten 80.000 Euro auf dem Konto.

„Insgesamt keine Betrugshandlung erweislich“
Die Ermittlungen der Kripo gegen sieben Beschuldigte aus Österreich und der Tschechischen Republik wegen Betrugsverdachts füllen an die 20 Aktenordner. Doch die Arbeit, in der dutzende Polizeiinspektionen in ganz Österreich eingeschaltet waren, war vergebens. Denn die Staatsanwaltschaft Korneuburg stellte das Verfahren Ende 2013 ein. Es sei „insgesamt keine Betrugshandlung erweislich“. Geschädigte wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Petrovic hält diese Entscheidung für empörend: „Die Polizistinnen und Polizisten haben gute Arbeit geleistet – die große Zahl der Opfer spricht für sich –, doch am Ende erteilt die Justiz mutmaßlichen Betrügern einen Persilschein.“

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Korneuburg, Friedrich Köhl, verteidigt die Einstellung des Verfahrens. Immerhin habe eine „große Masse der 300 einvernommenen Zeugen zugegeben, freiwillig Telefonsex-Dienste in Anspruch genommen zu haben“. Daher konnte kein Betrugsvorsatz, sondern nur das Vorliegen „aggressiver Keilermethoden“ nachgewiesen werden.

Doch Petrovic hat von ermittelnden Beamten erfahren, dass mindestens 30 der einvernommenen Personen – so wie ihre Mutter – weit über 65 Jahre alt sind und nach eigenen Angaben nie Sex-Hotlines angerufen haben. Ein Ermittler vermutet, dass ältere Personen Lockanrufe von Keilern erhalten haben könnten. Manche Senioren hätten auf die Rückruftaste gedrückt und seien so einen „Abo-Vertrag“ eingegangen. Doch die Klärung unterblieb, weil die Polizei nicht mehr dazu kam, die Beschuldigten einzuvernehmen.
Der Tiroler Anwalt Peter F. Föger, der den Geschäftsführer von „Tele Inside“ Petr Tkadlec vertritt, betont, dass die Firma „niemals mit ‚Lockanrufen‘ oder sonstigen nicht rechtskonformen Verhaltensweisen Geschäftsbeziehungen geknüpft hat“. Bei der Rechnung an die Mutter Petrovics müsse es sich um einen „Irrtum“ gehandelt haben, so Föger. Denn sonst schicke die Firma Rechnungen nur an Kunden, „welche eine Vertragsbeziehung eingegangen sind“. Es gebe immer wieder Kunden, „die zunächst Leistungen umfänglich in Anspruch nehmen, in der Folge aber nach Wegen suchen, die gerechtfertigten Entgeltzahlungen nicht leisten zu müssen“(Föger).

„Hunderte Beschwerden“
Beim Europäischen Verbraucherzentrum Österreich mit Sitz in Wien sind die beteiligten Firmen und Hintermänner schon lange bekannt. Seit 2007 stapeln sich „hunderte Beschwerden“ über die Betreiber der Sex-Hotlines. Oft erhalten Personen Rechnungen, obwohl sie bei der Sex-Hotline gar nicht angerufen hätten, so Konsumentenschützer. Auch Anrufe von Minderjährigen würden Eltern in Rechnung gestellt, obwohl dies nach einem Musterprozess untersagt ist. Abos würden zudem ohne gesonderte Benachrichtigung verlängert. Wer nicht bezahlt, erhält Mahnschreiben von Inkassobüros.

Die aus steuerlichen Gründen in Tschechien ansässige Firma „Tele-Inside“ wirbt in mehreren Medien mit „privaten Sexkontakten“ über lokale Telefonnummern in jedem Bundesland. Damit wird der Eindruck erweckt, dass es sich nicht um teure Mehrwertnummern handelt.
Ein deutscher Ermittler weist darauf hin, dass sich hinter komplizierten Firmengeflechten oft die gleichen Personen verstecken. „In vielen Ländern gab es durchaus erfolgreiche Gegenmaßnahmen: In Dänemark wurde diese Art der Abzocke gerichtlich verboten, auch in England gingen die Beschwerden bald zurück. Hartnäckiger hält sich die Masche in Österreich und insbesondere in Deutschland

Petrovic fordert daher eine europaweite Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen: „Die EU-Regelung zum Schutz von KonsumentInnen vor Telefon- oder Internet-Abzocke muss dringend verbessert werden.“

Foto: Monika Saulich für profil