Valneva in einer Vergleichsstudie mit Vaxzevria von AstraZeneca
Corona

Totimpfstoff Valneva: „Menschen aus aller Welt warten auf unseren Impfstoff“

Der Geschäftsführer des österreichisch-französischen Biotech-Konzerns Valneva, Thomas Lingelbach, über die hohe Erwartungshaltung Ungeimpfter in seinen Totimpfstoff und das Rennen mit dem US-Konzern Novavax.

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profil: Der US-Konzern Novavax könnte seinen Totimpfstoff bereits in wenigen Wochen auf den Markt bringen. War der zeitliche Vorsprung der Konkurrenz absehbar?
Thomas Lingelbach: Da die Firma Novavax bereits im Februar 2021 die Zulassung mit der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA gestartet hat, kam der Zeitpunkt der Zulassung für uns nicht überraschend. 

profil: Wie unterscheiden sich die Totimpfstoffe von Novavax und Valneva?
Lingelbach: Unser Impfstoff kommt einer natürlichen Infektion am nächsten. Im Unterschied zum Impfstoff der Firma Novavax, welcher nur das Spike-Protein von COVID-19 beinhaltet, enthält Valnevas Impfstoffkandidat VLA2001 das ganze Virus in abgetöteter Form. Basis des Valneva-Vakzins ist das Virus in seiner natürlichen Form, das chemisch inaktiviert wird und sich im Körper der Geimpften nicht vermehren kann. Der Körper reagiert beim Kontakt aber mit derselben Immunantwort wie beim aktiven Coronavirus und bildet Antikörper.

profil: Wann wird ihr Impfstoff verfügbar sein?
Lingelbach: Die Auslieferung des Impfstoffs wird derzeit für ab April 2022 erwartet, vorbehaltlich der Genehmigung durch die EMA. Unser Impfstoffkandidat befindet sich derzeit in der klinischen Phase 3-Entwicklung. Mitte November hat die Europäische Kommission eine Vereinbarung genehmigt, nach der Valneva über einen Zeitraum von zwei Jahren bis zu 60 Millionen Dosen liefern könnte, davon etwas weniger als die Hälfte verbindlich im Jahr 2022. Je nach Bevölkerungsgröße können die EU-Staaten die benötigten Mengen abrufen. (Österreich stellt zwei Prozent der EU-Bevölkerung, Anm.)

profil: Viele ungeimpfte Menschen, mit denen wir in Kontakt stehen, warten auf einen Totimpfstoff für sich oder ihre Kinder. Manche nennen konkret den Namen ihres Konzerns. Wie gehen Sie mit dieser hohen Erwartungshaltung um?
Lingelbach: Wir erhalten viele Nachrichten von Menschen aus aller Welt, die auf einen inaktivierten Impfstoff warten. Wir sind fest entschlossen, so schnell wie möglich eine alternative Impfstofflösung auf den Markt zu bringen. Unsere Phase 3-Ergebnisse haben die Vorteile bestätigt, die häufig mit inaktivierten Impfstoffen in Verbindung gebracht werden, und wir sind davon überzeugt, dass wir noch einen wichtigen Beitrag zum weltweiten Kampf gegen die COVID-19-Pandemie leisten könnte. Wir wollen nun auch rasch die mögliche Anwendung bei Kindern und Jugendlichen untersuchen. Valneva hat bereits mit der Rekrutierung von Jugendlichen begonnen und Studien mit Kindern in Vorbereitung.

profil: Können Sie überhaupt noch eine Rolle spielen neben Biontech/Pfizer und Moderna? Derzeit wird in Österreich nur noch damit geboostert. Es wirkt, als hätten sich die beiden durchgesetzt. Das liegt wohl auch am Wirkungsgrad von bis zu 95 Prozent (Pfizer).
Lingelbach: Die mRNA Impfstoffe haben maßgeblich dazu beigetragen hohe Durchimpfungsraten in kurzer Zeit zu erreichen. Wir haben es allerdings nicht geschafft, die Impfraten auf ein Niveau zu bringen, um die Pandemie zu besiegen. Dies führt im Moment zur Notwendigkeit für Auffrischungsimpfungen. Um diesen Zyklus in Zukunft zu brechen, müssen wir möglichst vielen Menschen über alle Altersgruppen hinweg erreichen. Dazu braucht es ein großes und diversifiziertes Impfstoffangebot. Die erste behördliche Zulassung für VLA2001 würde für die Erstimpfung gelten, aber wir werden auch die notwendigen Daten für die Auffrischungsimpfung generieren.

profil: Wie gut wirkt VLA2001 im Vergleich zu den bereits zugelassen Impfstoffen?
Lingelbach: Wir haben unseren Impfstoffkandidaten VLA2001 in der Phase-3-Studie mit dem Impfstoff von AstraZeneca verglichen. VLA2001 erwies sich als überlegen, was die Titer der neutralisierenden Antikörper anbelangt, hatte ein deutlich besseres Verträglichkeitsprofil und war nicht unterlegen in Bezug auf die Serokonversionsraten (also der prozentuale Anteil an Personen, die nach der Impfung eine spezifische Immunität ausbilden). Wir glauben, dass VLA2001 im Vergleich zu den derzeit zugelassenen Impfstoffen Vorteile in Bezug auf Sicherheit, Kosten, einfache Herstellung und Verteilung bieten könnte. Inaktivierte Impfstoffe entsprechen den Standardanforderungen an die Kühlkette (zwei bis acht Grad Celsius), wodurch sie einfacher zu lagern und zu verteilen sind als mRNA-Impfstoffe.

profil: Und in Bezug auf die Sicherheit?
Lingelbach: In der Vergleichsstudie zu AstraZeneca meldeten Teilnehmer, die 30 Jahre und älter waren, signifikant weniger unerwünschte Ereignisse bis zu sieben Tage nach der Impfung.

profil: Was unterscheidet einen Totimpstoff überhaupt von den mRNA-Impfstoffen?
Lingelbach: Verschiedene Unternehmen haben unterschiedliche Ansätze für die Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID-19 verfolgt - unter anderem durch den Einsatz neuer Technologien wie virale Vektoren und mRNA. Inaktivierte Impfstoffe wie unserer sind eine bewährte Technologie, mit der in den letzten Jahrzehnten Milliarden von Menschen geimpft wurden - unter anderem gegen die saisonale Grippe, Hepatitis A, Polio und Tollwut. Valneva hat sein wissenschaftliches Fachwissen und seine Produktionsinfrastruktur, die es zur Herstellung des Valneva-Impfstoffes gegen Japanische Enzephalitis aufgebaut hat, genutzt, um den einzigen inaktivierten, adjuvantierten COVID-19-Ganzvirus-Impfstoffkandidaten in Europa herzustellen. Das unterscheidet ihn auch von Novavax.
Bei einem inaktivierten Ganzvirusimpfstoff wird das Virus abgetötet, die gesamte Virushülle bleibt jedoch erhalten. Im Vergleich zu Impfstoffen, die nur auf das Spike-Protein abzielen, haben inaktivierte Impfstoffe das Potenzial, einen zusätzlichen Nutzen zu bieten, indem sie die T-Zell-Antworten gegen weitere SARS-CoV-2-Proteine verstärken. In der klinischen Phase-3-Studie löste Valnevas COVID-19-Impfstoffkandidat eine breite T-Zell-Reaktion gegen mehrere virale Proteine aus. Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem, die tendenziell einem höheren Risiko ausgesetzt sind, ist VLA2001 gut geeignet. 
Auch wiederholte Auffrischungsimpfungen haben sich bei
inaktivierten Ganzvirusimpfstoffen bewährt. Wir sind sehr zuversichtlich, dass der Impfstoff in angepasster Form auch einen guten Schutz gegen Mutationen des Virus bieten kann.

profil: Sinovac und Sinopharm aus China sind ebenfalls Totimpfstoffe, in Europa aber noch nicht zugelassen. Wo liegen die Ähnlichkeiten in der Bauart, wo die Unterschiede?
Lingelbach: Valnevas COVID-19-Impfstoffkandidat VLA2001 ist hinsichtlich Aufbereitung (Verozellen), Inaktivierung (β-Propiolacton), Adjuvans (Aluminiumhydroxid) und Puffer mit den inaktivierten COVID-19-Impfstoffkandidaten von Sinovac und Sinopharm vergleichbar. Ein direkter Vergleich ist nicht möglich. Auf die Gefahr, sehr technisch zu werden: Keiner der chinesischen inaktivierten Impfstoffe enthält das sogenannte „Adjuvans CpG 1018“. Adjuvantien werden verwendet, um die Immunantwort auf den Impfstoff zu verbessern.

profil: Danke für das Gespräch.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.