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Novellen und Plagiate: Universitäre Seepocken

Sebastian Kurz hat ein Studium nach mehreren Semestern abgebrochen und Christine Aschbacher wird vorgeworfen, ihre Dissertation abgeschrieben zu haben. Warum stellt die Bundesregierung Ansprüche an die Studierenden, denen sie selbst nicht genügen kann?

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Es ging sehr schnell: Am Donnerstag vor einer Woche wurden die ersten Plagiatsvorwürfe gegen Familien- und Arbeitsministerin Christine Aschbacher erhoben, am Samstag war sie bereits Bundesministerin außer Dienst, am Montag wurde der Ministerposten nachbesetzt. Die Diskussionen aber bleiben.

Denn während Studierende in oft jahrelanger, mühsam-kleinteiliger Arbeit Dissertationen und andere Abschlussarbeiten schreiben, hat die ehemalige Arbeitsministerin einen nicht unbedingt sinnergebenden Fleckerlteppich aus Abschriften und mit Google Translate übersetzten Ausschnitten aus Interviews als Diplomarbeit abgegeben.

Die Flapsigkeit der Verfassung und Benotung der Diplomarbeit ist dreist und bisweilen unverständlich. „Wenn jemand, so wie Frau Aschbacher, ganze Absätze übernimmt, kann man sich schnell ein Bild machen. Das hätten die Betreuer auch machen müssen,“ so der Plagiatsjäger Stefan Weber gegenüber profil. Vergangenen Donnerstag veröffentlichte Weber auf seinem Blog Teile aus Aschbachers Diplomarbeit, bei der eine Plagiatssoftware bereits nach kurzer Zeit angeschlagen hatte. Mittlerweile wurden mehrere von Aschbacher verfasste akademische Arbeiten als Plagiat enttarnt.

Für viele Studierende ist diese Missachtung der akademischen Integrität und die Unverschämtheit, mit der sich die Bundesministerin a. D. ihren Titel erarbeitet hat, ein Affront, vor allem wenn die Regierung gleichzeitig für sie untragbare Änderungen im Universitätsgesetz vornehmen will.  

„Die UG-Novelle sind die Seepocken an Unis“

In Wien gingen deswegen am Mittwoch rund 1800 Studierende auf die Straße, auch in Graz, Linz und Innsbruck gab es Proteste. Auf Transparenten wurde die UG-Novelle den oft zitierten Seepocken gleichgesetzt, ein Verweis auf einen mittlerweile kultigen Satz aus der Aschbacher-Arbeit: „Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie verlangsamen uns.“

Tatsächlich finden die Studierenden viele Seepocken unter den geplanten Änderungen, Kritik wird vor allem an der künftig zu erbringenden Mindestleistung geübt. Die UG-Novelle sieht vor, dass Studierende in Bachelor- und Diplomstudien in den ersten vier Semestern mindestens 24 ECTS absolvieren müssen, also sechs ECTS pro Semester. Sollten Sie das nicht schaffen, werden sie vom Studium ausgeschlossen und für zehn Jahre gesperrt. Das trifft vor allem Erwerbstätige, Betreuungspflichtige und Erkrankte hart.

Zudem sollen Inskriptionsfristen verschärft und die Anzahl der angebotenen Prüfungstermine reduziert werden. Die Quersumme der geplanten Änderungen ist für Studierende jedenfalls ernüchternd. Vor allem weil einige Politiker und Politikerinnen, die sie umsetzen, unter diesen Bedingungen ihr Studium vielleicht nicht abgeschlossen hätten.

Die Begutachtungsfrist für den kritisierten Gesetzesentwurf läuft am Freitag ab. Die Studierenden haben weitere Proteste angekündigt, sollte die Bundesregierung nicht auf die Kritik reagieren und einlenken.

Einen von Seepocken freien Donnerstag wünscht Ihnen

Lena Leibetseder

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