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UG-Novelle: Nichts dazugelernt

Anstatt die katastrophalen Distance-Learning-Zustände an den Universitäten zu beheben, kümmert sich die Regierung lieber darum, den Universitätszugang zu beschränken.

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Guten Morgen!

Am Dienstag ließ die Regierung erste Details einer geplanten Novellierung des Universitätsgesetzes anklingen. Demnach sollen Studierende künftig mindestens 16 ECTS im Jahr, also acht pro Semester, absolvieren müssen. Schaffen sie das nicht, werden sie vom Studium ausgeschlossen. Die von der Regierung erdachten Opfer dieser Novellierung sollen die Karteileichen sein, die im siebenundzwanzigsten Semester dahinvegetieren. Die realen Opfer sind die Erwerbstätigen, Betreuungspflichtigen und Erkrankten. (Anm. d. Redaktion: Die konkreten Bestimmungen der UG-Novelle haben sich mittlerweile leicht geändert, statt acht ECTS werden nun sechs ECTS pro Semester verlangt.)

Um nicht als ultimativer Bösewicht dazustehen, hat sich die Regierung ein kleines Zuckerl ausgedacht. Die Beurlaubung vom Studium kann derzeit nur aus sehr triftigen Gründen wie einer Schwangerschaft oder einer Krankheit erfolgen – das soll nun erleichtert werden, vor allem um erwerbstätige Studierende zu entlasten. Nun soll man bis zu zwei Semester auch ohne Grund Urlaub nehmen können. Die Studierendenvertretungen des Landes lassen sich davon nicht besonders beeindrucken:

„Die Studierendenrechte werden mit Füßen getreten!“, beklagen die Grünen und Alternativen Student_Innen - „Die türkis-grüne Regierung arbeitet gegen uns Studierende!“, schreibt der VSStÖ in einer Aussendung. Etwas weniger exaltiert zeigt sich die ÖH-Bundesvorsitzende Sabine Hanger von der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft. Sie will aber hinter den Studierenden stehen und hat sich deshalb gestern schon mit Bildungsminister Heinz Faßmann getroffen. In Deutschland werden indes die Universitäten, zusammen mit Gastronomiebetrieben und Kulturstätten, ab Montag wieder geschlossen. Auch wenn man in Österreich derzeit noch ein wenig herumdruckst und Pressekonferenzen in Pressekonferenzen ankündigt, stehen die Zeichen ebenfalls auf Lockdown – und somit auf Distance Learning.

Ein System, das bis jetzt mehr schlecht als recht funktioniert, wie ich aus Erfahrung berichten kann. Die Unzufriedenheit über das digitale Lernangebot an Österreichs Universitäten verdeutlicht auch eine gestern veröffentlichte Umfrage der Studierendenvertretung der Universität Wien. Versäumnisse bei der digitalen Lehre sind demnach der Hauptgrund, warum sich Studierende von Lehrveranstaltungen abmelden. Mehr als die Hälfte der Studierenden geben an, dass die Umstellung auf die digitale Lehre mit weitaus erhöhtem Arbeitsaufwand einherging. Denn um den Wegfall der Face-to-Face-Komponente auszugleichen und vor allem die ausbleibenden Diskussionen und Referate zu kompensieren, gaben viele Lehrende zusätzlich mehr Lektüre und umfangreichere Essays auf. Dass Referate und Diskussionen auch online funktionieren können, scheint bis heute weitgehend unbekannt.

Und wer kann denn den fast 80-jährigen Professor dafür verurteilen, dass er es auch beim dritten Vorlesungsbeginn nicht schafft, einen virtuellen Raum einzurichten, wenn er von der Universität niemals dazu ausgebildet wurde und ihm keine Ressourcen zu Verfügung gestellt werden? Der Handlungsbedarf liegt bei den Regierenden und den Rektoraten.    

 

Ein lernfreies Wochenende wünscht Ihnen

Lena Leibetseder

PS: Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.