Unterwegs mit Georg Dornauer: „Bin im Landeanflug, Rufzeichen“
Georg Dornauer war Vize-Landeshauptmann in Tirol, ein Ministeramt schien möglich. Dann kam das Jagdfoto. Der Sozialdemokrat trat zurück, aber verabschiedete sich nicht aus der Politik. Und jetzt?
Eigentlich ist Georg Dornauer ein „g’sunder Brocken“, wie er es nennt, maximal einmal im Jahr muss er zum Arzt. Seit einiger Zeit schmerzt allerdings sein Kehlkopf, und er hat dazu im Internet recherchiert. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat Dornauer eine WhatsApp-Nachricht an seine „Lieblingsdottoressa“ geschickt. „Laut meiner bescheidenen Selbstdiagnose“, schreibt er, könnte es ein harmloser viraler Infekt oder doch eine hartnäckige bakterielle Entzündung sein. Ob sie ihn kurz anschauen könnte? Sie kann. Aus dem Auto am Weg dorthin schickt ihr Dornauer via Sprachsteuerung eine Nachricht: „Frau Dottoressa, bin im Landeanflug, Rufzeichen.“ Einen Bluttest und einen Rachenabstrich später kriegt Dornauer Entwarnung: Es ist ein Virus, nichts Ernstes.
Andere Politiker würden eine Journalistin wohl nie zu einem Besuch bei der Hausärztin mitnehmen, aber Georg Dornauer, 42, hatte immer schon einen entspannten Umgang mit der Öffentlichkeit. Manche würden ihm auch einen Hang zur Selbstdarstellung attestieren. Wenn profil ihn einen Nachmittag lang begleitet, gehört der Besuch bei der Medizinerin zwischen den anderen Terminen eben dazu. Eitelkeit streitet Dornauer nicht ab, gleichzeitig sagt er: Die Meinung anderer Leute zu seinem Leben sei ihm in vielen Fällen einfach egal. Das habe sich, seitdem er nicht mehr in der allerersten Reihe steht, auch nicht groß geändert.
Andere Dinge allerdings schon.
Noch vor einem Jahr war Georg Dornauer SPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter in Tirol, ein Wechsel in ein Ministerium in Wien nicht ausgeschlossen. Dann druckte die „Krone“ ein Foto, das ihn beim Posieren mit einem erlegten Hirsch und dem gefallenen Immobilien-Mogul René Benko zeigte. Hirsch oder Benko – schwer zu sagen, was ihm eher zum Verhängnis wurde. Die SPÖ stieß sich moralisch vor allem an der Anwesenheit des beschuldigten Ex-Milliardärs. Die Staatsanwaltschaft interessierte sich juristisch fürs Wild und die Frage, ob Dornauer trotz entzogener Jagdkarte geschossen hatte. Hatte er nicht, das ergaben die Ermittlungen. Da war Dornauer aber schon längst von seinen Führungsposten in der Landesregierung und der Landespartei zurückgetreten.
Während er sein berufliches und privates Leben neu sortiert, arbeitet Dornauer daran, dass die Bevölkerung seine Person und seine Politik nicht vergisst. Unabhängig von der Meinung anderer, vor allem anderer in der eigenen Partei.
Dornauer, der Geschäftsmann
Der erste Treffpunkt an diesem Montag, 12 Uhr, führt nach Mieders, einer kleinen Gemeinde im Stubaital. Es ist ein Termin für Georg Dornauer, den Geschäftsmann. Seit März ist er als Unternehmens- und Kommunikationsberater aktiv, langsam baut er sein Business für Firmen, Behörden und Medien auf. Ein Krankentransportunternehmen bespricht einen Einreichplan für Bauarbeiten, es geht um Beleuchtungen und Hebeanlagen. Dornauer sitzt am Tisch, hakt bei den Brandschutzvorgaben nach. Wenn ihn jemand anruft, hebt er schnell ab und kündigt an, sich später zu melden, „Ciao, my friend.“ Dornauer fällt auch auf, wer sich nach seinem Rücktritt nicht mehr meldet. Er muss damit einen Umgang finden: „Einen gewissen Resilienzfaktor wird man mir nicht absprechen können.“
Seit März baut Dornauer sein Business auf, als Selbstständiger abseits der Politik.
Landeshauptmann Anton Mattle, ÖVP, hatte seinem Koalitionspartner nach dem Foto für die weitere Zusammenarbeit zwei Bedingungen gestellt: Es dürfe nichts strafrechtlich Relevantes dran sein, und die SPÖ müsse hinter Dornauer stehen, erzählt er. Sarkastischer Nachsatz: „Diese zwei Parameter hätte ich erfüllen können“, sagt Dornauer, „wenn die Partei hinter mir gestanden wäre.“ Die Causa sei ein Einfallstor für politische Gegner gewesen.
Dornauer sagt, der Ausflug war ein Fehler, die Optik schief, dafür habe er teuer bezahlt: „Der Rücktritt wurde überschießend entschieden.“ Einige Ämter hat er sich bewahrt. Sein Mandat im Landtag, den Sitz im Gemeinderat von Sellrain (wo er einst gegen die SPÖ-Liste seines Vaters kandidiert hatte) und seinen Platz im Vorstand der Bundes-SPÖ. Ist es ihm egal, dass manche Genossen ihn dort nicht gern sehen? „Total egal“, sagt Dornauer. „Als jemand, der seit 25 Jahren Sozialdemokrat ist, traue ich mich, in einem 60-köpfigen Gremium meine Meinung kundzutun. Das wird es aushalten.“
Der nächste Stopp ist für den Privatmann Georg Dornauer: ein Autohaus. Den Porsche aus den alten Schlagzeilen, auf dessen Rückbank er 2019 ein Jagdgewehr vergaß, besitzt er seit Jahren nicht mehr. Nach seiner Zeit als Vize-Landeshauptmann braucht er wieder einen eigenen Pkw.
Ein Auto für den Privatmann
Öffentliche Verkehrsmittel sind keine Option, seit 20 Jahren benutzt er sie nicht mehr, sagt er. Trotzdem steht er nach eigenen Angaben dem Thema Auto emotionslos gegenüber, auch wenn man es nicht glauben möge. Nächste Woche kommt das Fahrzeug, das er langfristig leasen wird, möglichst unauffällig soll es sein.
Bis dahin braucht er einen Ersatz, mit dem blauen Mercedes fährt er in die Garage des Landhauses. Zuletzt lieh er sich auch das Auto seiner Lebensgefährtin Eva Schütz, Herausgeberin des rechten Boulevard-Mediums „Exxpress“: Alles andere als unauffällig, ein dunkler Ferrari, den er wie gewohnt auf dem Parkplatz des SPÖ-Klubs parkte. „Beim Aussteigen hab ich mir schon gedacht: Das schaut lustig aus.“ Aber auch hier gilt seine Devise: Die Meinung anderer zu seinem Leben ist ihm egal.
Bis vor zehn Jahren hatte er ein ganz anderes Motto, sagt Dornauer über sich selbst: Everybody’s Darling. „Dann habe ich erkannt, dass ich ein mir bislang nicht bewusstes Potenzial zur Polarisierung habe.“ Es gebe Wählergruppen, bei denen er reüssiere, auch jetzt noch. Beim Tiroler Gauder Fest habe kein anderer Politiker so viele Selfies gemacht wie er. „Ich weiß, das klingt eitel. Und dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass manche Wählergruppen einen Hautausschlag kriegen, wenn sie den Namen Georg Dornauer wahrnehmen.“ Egal wie viele Wohnungen und Kinderbetreuungsplätze man schaffe. Dazu könnten die SPÖ-Frauen gehören, die nach einem sexistischen Sager 2018 seinen Rücktritt forderten.
Ändern werde sich Dornauer aber nicht: Die Politik brauche authentische Typen mit Ecken und Kanten, sagt er, farblose Pressesprecher-Typen interessieren ihn nicht. Wenn er aber noch einmal etwas anders machen könnte, abseits der Negativschlagzeilen, wäre es Folgendes: „Ständig 130 Prozent zu geben, bringt nichts. In dieser Range passieren viele Fehler.“ Besser wäre es, bei 90 Prozent zu bleiben. „Da hat man einen Puffer für Reflektiertheit, eine Energiereserve.“
Georg Dornauer vor der Regierungsbank, auf der er als Landeshauptmann-Stellvertreter saß.
Ankunft im Landhaus. Heute ist der Parkplatz besetzt. Ein Škoda eines Sozialdemokraten war zuerst da, um 16 Uhr steht nämlich ein Termin für Dornauer, den Politiker, auf dem Programm: die Sitzung des roten Klubs. „Friktionsfrei ist die Fraktionssitzung nicht. Sie wissen nicht, was sie mit mir anfangen sollen.“ Auch dazu sagt er: „Mir egal, es geht um die Sache.“ Für ihn heißt das unter anderem: klare Kante bei der Migration zeigen.
Politiker in den letzten Reihen
Dornauer führt durchs Landhaus, zeigt auf das Schild für den Landeshauptmann-Stellvertreter, auf dem früher sein Name stand. Im Sitzungssaal führt er die Wechsel seiner politischen Laufbahn vor: zuerst als Klubmitarbeiter auf den hinteren Bänken, dann als Klubchef in der ersten Reihe, zum Schluss seine wichtigste Station: Regierungsbank, der erste Platz auf der rechten Seite. „Ich habe mich ganz nach vorn gearbeitet. Und jetzt“, sagt Dornauer und spaziert zu seinem aktuellen Sessel einige Reihen zurück, „geht es zurück an den Start.“ Ende 2026, also vor dem Landtagswahljahr, will er „die Lage in Tirol bewerten“ und entscheiden, wie seine Zukunft aussieht. Die SPÖ wird auch ein Wort mitzureden haben.
Hier sitzt Georg Dornauer nun, als Landtagsabgeordneter.
Das Amt des Bürgermeisters, das Dornauer früher in Sellrain innehatte, nennt er eine „fetzengeile Hacken“. So sei er auch seine Funktion als Vize-Landeshauptmann angegangen, als Ortschef für das ganze Land. Auf den Fahrten zu seinem Büro rief er Menschen an, die sich mit einem Anliegen an ihn gewandt hatten. Dornauer findet, Bürgernähe sei eines der wichtigsten Dinge in der Politik, und zwar zu allen Bürgerinnen und Bürgern. Auch so könne man als Sozialdemokratie der ÖVP und der FPÖ wieder Stimmen wegnehmen. Bei der Landtagswahl 2022 landete er mit
17,5 Prozent auf Platz drei. Er sei im Zweifel immer für eine Koalition gewesen, selbst mit dem in der SPÖ verhassten Sebastian Kurz. Heute zeige sich, wie wichtig Regieren für die Sozialdemokratie sei. „Da muss ich sagen: Wieder recht gehabt – Beistrich – Dornauer – Rufzeichen“, diktiert er ironisch.
Frage zum Abschluss: Was wäre Georg Dornauer nicht egal? „Wenn ich spüre, dass die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber mir als aktivem Politiker kippt“, sagt er. „Das empfinde ich aber nicht so.“
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Iris Bonavida
ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.