Niederösterreich

Verdacht auf Amtsmissbrauch in niederösterreichischer Gemeinde: Bis auf das Skelett

Was ist los in Biedermannsdorf? Eine Anzeige gewährt Einblicke in die ÖVP-regierte Gemeinde südlich von Wien.

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Biedermannsdorf ist eine kleine Gemeinde. Etwa 3000 Menschen leben hier. Sie ist günstig gelegen, im Süden Wiens, an der A2, und mit einem Geldstrom gesegnet, denn das Ortsgebiet umfasst einen Teil des Industriezentrums Süd.

Es gibt Tratsch, wie überall. So erzählt man sich, im Haus des örtlichen ÖVP-Obmanns sähen Böden, Fliesen, Wände so aus wie in der Jubiläumshalle, dem Sport- und Kulturzentrum der Gemeinde. Und regelmäßig würde Eisenschrott gegen Bares im Nachbarort abgeliefert. Genaues weiß man nicht. Und selten fragt einmal jemand nach. 

Das könnte sich ändern. Vergangene Woche landete bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine anonyme Sachverhaltsdarstellung, in der es auf 17 Seiten um den Verdacht auf Amtsmissbrauch, Korruption, unrechtmäßige Auftragsvergabe, Diebstahl, Steuerhinterziehung geht. Die Behauptungen sind mit Gemeinderatsprotokollen und Fotos belegt; zu befragende Zeugen angeführt.

Seit 15 Jahren regiert in Biedermannsdorf ÖVP-Bürgermeisterin Beatrix Dalos. Doch der mächtige Mann im Ort heißt Wolfgang Steindl. Er ist Obmann der örtlichen Volkspartei, leitete 30 Jahre lang den Bauhof und daneben die Jubiläumshalle.  Inzwischen ist er in Pension, doch sitzt er weiter im Gemeinderat, ist für bauliche Angelegenheiten zuständig und Bauaufseher für Gemeindebauten, obwohl, wie es in der Sachverhaltsdarstellung heißt, das von ihm abgewickelte kommunale Kommunikationszentrum „Perlashof“ ein „finanzielles Desaster“ gewesen sei. Laut Prüfbericht der Gemeindeaufsicht überschritten die Baukosten die Kostenschätzung um eine Million Euro. 

In der Tonart geht es in der Anzeige weiter. Alle zwei Wochen soll ein Lkw mit Alu-, Kupfer- und Eisenabfällen beladen nach Guntramsdorf fahren. Für die Entsorgung sind Abfallwirtschaftsverbände zuständig, andere Kanäle sind eigentlich untersagt. Für das entsorgte Altmetall soll es jedes Mal bis zu 2000 Euro bar auf die Hand gegeben haben. Zahlungsbelege und Geld sollen bei Wolfgang Steindl gelandet sein. Als sein Sohn Markus ihm als Bauhofleiter nachfolgte, bei diesem. Das wird weder von Steindl senior noch von der Bürgermeisterin bestritten. 

Mit den Erlösen habe man Weihnachtsfeiern und Faschingsumzüge finanziert, erklärt Wolfgang Steindl auf profil-Anfrage. Und: Ein Teil des „Eisengelds“ sei „mit Wissen der Gemeinde“ als Prämie an Bauhof-Mitarbeiter verteilt worden. Er sei, so Steindl weiter, deswegen bei der Finanz angezeigt worden, die Erhebungen wurden inzwischen eingestellt. 

Laut der profil vorliegenden Sachverhaltsdarstellung sollen sich in den Geldkuverts zwischen 300 und 1500 Euro befunden haben. In die Gemeindekasse sei erst 2022 etwas geflossen, als Gerüchte über Nachforschungen die Runde machten. Außerdem sollen Vater und Sohn Steindl Mitarbeiter und Gerätschaften des Bauhofs für private Baustellen herangezogen haben. Oft seien dieselben Firmen wie bei Ausschreibungen der Gemeinde zum Zug gekommen. Steindl senior weist auch hier jede Schuld von sich: „Für sämtliche Materialien und diverse Arbeiten gibt es korrekt bezahlte Rechnungen.“ Bauhof-Mitarbeiter hätten ihm in ihrer Freizeit geholfen. Ebenso verhalte es sich bei seinem Sohn. Außerdem habe die Bürgermeisterin ihm erlaubt, Geräte des Bauhofes privat zu nützen. Dalos bestätigt dies gegenüber profil.

Wo die römischen Münzen, Tonscherben und drei neolithische Skelette geblieben sind, die in den 1990er-Jahren in Biedermannsdorf gefunden wurden, ist unklar. Auch davon ist in dem Dossier die Rede. Laut Dorothea Talaa, die seinerzeit als Archäologin hier war, wurde ein Teil der Artefakte im Heimatmuseum ausgestellt. Als Bürgermeisterin Dalos dieses schloss, verwahrte die Archäologin die Exponate in einem Depot, darunter zwei Skelette. Der Rest wurde von der Gemeinde in einem Container gelagert. Einige Münzen sollen auf eBay aufgetaucht sein. Dalos sagt auf profil-Anfrage, als die Fundstücke „in einen Container ausgesiedelt wurden, waren keine Münzen mehr vorhanden“. Ein Skelett scheint abgängig zu sein. Talaa will sich demnächst ein Bild von der Lage verschaffen. Dass Teile verschwunden sein könnten, will sie sich gar nicht vorstellen: „Das wäre so ziemlich das Ärgste, was ich je erlebt habe.“ 

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges