Ex-SPÖ-Berater Tal Silberstein

SPÖ-Berater Silberstein organisierte rechte Facebook-Seite gegen Kurz

Eine Facebook-Seite hetzt mit fremdenfeindlichen und antisemitischen Inhalten gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Dem Anschein nach stecken dahinter Rechte und Blaue – tatsächlich aber sind es Berater der SPÖ.

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Die Facebook-Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" hat 16.000 Abonnenten, die keine Fans des ÖVP-Obmanns mehr werden. An eingängigem Anschauungsmaterial zu ihrem Lieblingsfeind wird ihnen einiges geboten: "Fake-Basti"-Beschimpfungen in allen Tonlagen, höhnische Videos und viele Fotomontagen – Kurz beim Glyphosat-Verspritzen auf dem Acker, Kurz als Wolfgang Schüssels Marionette, Kurz als Münchhausen auf der Kanonenkugel. Vor allem brandmarkt die Facebook-Seite den ÖVP-Chef als Islam-Versteher, der für "eine neue Willkommenskultur", ungezügelten Zuzug von Migranten und Bevorzugung von Ausländern stehe. Garniert werden die Beiträge mit Kommentaren von FPÖ-Sympathisanten (Kurz ist "eine billige Kopie von HC Strache") und Wahlempfehlungen für Blau.

Was sich freiheitlich liest und auch freiheitlich anhört, muss nicht zwangsläufig freiheitlich sein. Bisher wurde die Facebook-Seite aufgrund ihrer xenophoben Inhalte dem blauen oder rechten Umfeld zugeschrieben. Doch profil vorliegende Informationen belegen: Hinter "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" (und weiteren schmutzigen Geheimoperationen) steckt tatsächlich die SPÖ – genauer: Christian Kerns umstrittener früherer Berater Tal Silberstein. Bleibt die Frage: Was wusste die SPÖ-Spitze von den vielfältigen Untrieben ihres Kampagnen-Masterminds?

Manche Beiträge auf der fragwürdigen Facebook-Site sind durchaus humorvoll, etwa wenn sich ein Porträtfoto von Karl-Heinz Grasser langsam in eines von Kurz verwandelt. Doch ein Großteil richtet sich vor allem gegen Migranten. Der absolute Tiefpunkt: In einem Beitrag wird Kurz vorgeworfen, Teil eines "dubiosen politischen Netzwerks" des "Milliardärs George Soros" zu sein, der als "Einflüsterer" "die Politik nach seinen Interessen" steuere. George Soros steht seit Langem im Mittelpunkt antisemitischer Verschwörungstheorien im Internet. Als profil den SPÖ-Wahlkampfleiter und Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler vor drei Wochen erstmals zur umstrittenen Facebook-Seite befragte, stritt dieser jede Verbindung kategorisch ab. "Wir weisen jeglichen Zusammenhang mit dieser Site auf das Schärfste zurück."

Spezialeinheit für Negativkampagne

Es klingt auch nahezu unglaublich: Die SPÖ als – zumindest indirekter – Verbreiter antisemitischer Verschwörungstheorien? Höchstwahrscheinlich weiß Georg Niedermühlbichler tatsächlich nicht, dass letztlich von der SPÖ beauftragte Kampagnen-Experten die Facebook-Seite zu verantworten haben. Denn diese wurde und wird äußerst klandestin betrieben. profil-Recherchen belegen allerdings, dass Tal Silberstein neben der offiziellen Kampagne für Kanzler Christian Kern eine kleine Spezialeinheit mit einer Negativ-Kampagne gegen Sebastian Kurz betraute. Geschätztes Budget: 500.000 Euro. Das handverlesene Team für die verdeckten Operationen bestand aus Österreichern und Israelis und hatte sein Hauptquartier in Wien. Ein Teil der Arbeit, die im Juni begann, war eher harmlos. So entwickelten die roten Agenten ein Online-Quiz, in dem der User Slogans aus dem Ikea-Katalog von Aussagen von Sebastian Kurz unterscheiden sollte. Das Spiel schaffte es sogar auf die Website der Gratiszeitung "heute".

Anlass für die verdeckten Operationen dürften ausgerechnet Ergebnisse aus den von Silberstein eingerichteten Fokus-Gruppen gewesen sein, in denen repräsentativ ausgewählte Bürger vor dem Wahlkampf zu ihren Einstellungen befragt wurden. Ein Ergebnis: Die Österreicher lehnen Dirty Campaigning und allzu aggressives Vorgehen gegen politische Mitbewerber – wie in den USA üblich – ab. Daraus zog SPÖ-Berater Silberstein offenbar zwei Schlüsse. Erstens: Schmutzkübel-Kampagnen müssen getarnt ablaufen – daher das FPÖ-Branding für die rote Facebook-Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz". Zweitens: Es kann im Wahlkampf zweckmäßig sein, dem Gegner Schmutzkübel-Kampagnen in die Schuhe zu schieben. Genau dafür richtete Silbersteins Spezialeinheit eine weitere Facebook-Seite namens "Wir für Sebastian Kurz" ein. Diese wirkt auf den ersten Blick sogar wie eine offizielle Seite der ÖVP – und auf den zweiten immer noch wie eine von Sebastian-Kurz-Hardcore-Fans.

Dass eine falsche Fan-Seite für Negativ-Kampagnen verwendet werden kann, zeigte sich bereits kurz nach dem Start von "Wir für Sebastian Kurz". Mitte Juli wurde auf der Seite eine Umfrage darüber initiiert, ob der Brenner wegen der Flüchtlinge geschlossen werden solle. Die schräge Fragestellung: "Zigtausende Migranten warten in Italien darauf, nach Mitteleuropa weiterzukommen. NGOs drohen, die Menschen nach Österreich zu bringen. Soll Österreich sich das gefallen lassen?" Die ÖVP sah sich daraufhin mit schweren Vorwürfen konfrontiert und beantragte – vergeblich – die Löschung der Facebook-Seite. Generalsekretärin Elisabeth Köstinger warf der SPÖ in der Folge vor, heimlicher Betreiber von "Wir für Sebastian Kurz" zu sein. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler reagierte erbost: "Dort wird scharf gegen unseren Spitzenkandidaten Christian Kern geschossen. Die Höhe ist, dass die ÖVP dann auch noch die Chuzpe hat, uns für diese Sites verantwortlich zu machen. Das ist Dirty Campaigning, wie es im Lehrbuch steht."

Niedermühlbichler: "Keine genaueren Informationen"

Vergangenen Freitag reagierte Niedermühlbichler auf Anfrage von profil zurückhaltender. Auf den Vorhalt, Tal Silberstein habe die beiden Sebastian-Kurz-Facebook-Sites ausgeheckt und die SPÖ müsste davon gewusst haben, übermittelte der SPÖ-Geschäftsführer eine längere Stellungnahme: "Aufgrund der profil-Anfrage haben wir den Fall hausintern genauestens prüfen lassen. Es gab tatsächlich einen Mitarbeiter, der um diese Website wusste. Da er nach einem schweren Unfall im Krankenstand ist, können wir genauere Informationen dazu nicht erheben. So wie wir immer betont haben, ist die besagte Website in keinster Weise von uns unterstützt worden, gerade wo dort auch empörende Inhalte gegen unseren Spitzenkandidaten veröffentlicht werden."

Das Opfer ist freilich weniger der SPÖ-Vorsitzende als eindeutig der ÖVP-Obmann. Aus Sicht von SPÖ-Wahlkampfstrategen ergibt der Betrieb der beiden Facebook-Seiten durchaus Sinn. Die "Wahrheit über Sebastian Kurz"-Seite soll rechtsorientierte potenzielle Kurz-Wähler wieder zu den Freiheitlichen treiben. Und die umstrittene Brenner-Umfrage und weitere Postings auf "Wir für Sebastian Kurz" sind geeignet, liberale Kurz-Wähler zu verschrecken und die ÖVP in Erklärungsnot zu bringen. Helle Aufregung und Stress für das Kurz-Team löste etwa auch ein überzogener Beitrag auf der Seite über mögliche Anschläge in Wien aus.

Was immer auch Tal Silberstein noch vorhatte – mit seiner vorübergehenden Inhaftierung Mitte August in Israel und der darauf folgenden Entlassung durch die SPÖ dürften auch die Dirty-Campaigning-Pläne im Internet empfindlich gestört worden sein. Derzeit laufen die Facebook-Seiten weiter – offenbar betrieben von einem verbliebenen Rumpfteam, dessen Mitglieder derzeit nicht so recht wissen dürften, wie es mit ihnen weiter geht. Bei einem davon handelt es sich um einen profil namentlich bekannten Social Media-Experten, der vor zehn Jahren für die ÖVP arbeitete und - bevor er sich von Silberstein für das Anti-Kurz-Projekt anheuern ließ - auch für die Neos. Zusätzlich entwickelte er für den ehemaligen Grünen und nunmehrigen ÖVP-Kandidaten Efgani Dönmez ein Anti-Extremismus-Projekt.

Auf der Facebook-Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" findet sich auch ein Video, in welchem dem ÖVP-Chef unterstellt wird, bei Pensionen, Gesundheit und Bildung kürzen zu wollen. Wie profil berichtete, wurde dieses Video von der Werbeagentur GGK MullenLowe, die den Wahlkampf der SPÖ betreut, hergestellt – angeblich für den internen Gebrauch (profil 37/2017). Seltsam: Im Juni tauchte der Dirty-Campaigning-Clip erstmals im Internet auf – auf der von der SPÖ unterstützten, mittlerweile aber stillgelegten Website "politiknews.at". Von dort fand er überraschenderweise seinen Weg zu "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" – eigentlich ein Indiz für Verbindungen zwischen beiden Seiten. In der SPÖ blieb dies offenbar unbemerkt – mit einer Ausnahme. Und die ist im Krankenstand.

Anmerkung: Die angesprochenen Facebook-Seiten wurden kurz vor Erscheinen dieses Artikels offline gestellt.

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Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.