Österreich

Warum der oberösterreichische Wolf doch nicht vor den Verfassungsgerichtshof kommt

Nur ein „Spruch der Höchstrichter“ könne die oberösterreichische Agrarlandesrätin an der Umsetzung der Wolfsverordnung hindern. Allerdings ist am Verfassungsgerichtshof gar kein Verfahren zur Verordnung anhängig.

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Wenn oberösterreichische Politiker:innen etwas nach „Wean“ ausrichten, dann ist das nicht immer nett gemeint. ÖVP-Klubchef August Wöginger beklagte einst, dass die oberösterreichischen Jugendlichen in Wien zu Grünen würden, aktuell arbeitet sich die oberösterreichische Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP) an der Grünen Klimaministerin Leonore Gewessler ab - und teilte ihr vergangene Woche recht schroff mit, sie hätte keine Ahnung von Wölfen: „Die Ministerin in Wien ist weit weg. Weit weg vom Wolf. Und weit weg von der Lebensrealität der Bauern und den Sorgen der Landbevölkerung. Sicher verschanzt hinter den dicken Mauern des BMK lässt es sich - mit alten NGO-Freunden - leicht über Risiko und Erhaltungszustände sinnieren. Dabei bleiben die Realität und auch die Sorgen der Menschen außen vor.“

Der Grund für die verhärteten Fronten: In Oberösterreich wurde Anfang Juli eine „Wolfsmanagementverordnung“ beschlossen; in Salzburg, Kärnten und Niederösterreich gibt es ähnliche Papiere, die den Umgang mit Wölfen neu regeln. Sollte ein Wolf gefährlich, also zum „Schadwolf“ werden, erleichtern die Verordnungen auch die raschere Freigabe zum Abschuss. Umweltministerin Gewessler hatte in den vergangenen Wochen immer wieder die „Unverhältnismäßigkeit“ und „Unsachlichkeit“ der Wolfsverordnungen kritisiert. Im Salzburger Pinzgau ist bereits im Juli ein Wolf auf Basis der neuen Richtlinien erlegt worden, und auch in Oberösterreich könnte es bald so weit sein. Das Land hat einen Wolf zur „Entnahme“, so heißt es in der Fachsprache, freigegeben, der für mehrere Schafsrisse am Dachstein-Plateau verantwortlich sein soll. 

Kritiker:innen hat Langer-Weninger nun zu einem „Realitätscheck“ in der Bauernzeitung eingeladen. „Die Landwirtschaft ist, weder auf der Alm noch im Tal, dazu da, Raubtieren das Futter zu servieren – auch wenn es manche NGOs und ihre politischen Fürsprecher am Wiener Stubenring gern so hätten“, schreibt die Landesrätin dort in einem Kommentar. Sie sei überzeugt, ein Realitätscheck würde rasch die Meinung von „so manchem Bobo und Wolfschützer“ ändern, die aber „lieber beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde einlegen“.

Eine Beschwerde gegen die Verordnung, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich von einer Tierschutzorganisation eingelegt wurde, wurde nämlich an den Verfassungsgerichtshof weitergeleitet. In der Beschwerde wird die Verordnung ihrem „gesamten Umfang nach als rechtswidrig angefochten“, so eine Aussendung des Landesverwaltungsgerichtes. Was Langer-Weninger aber offenbar beim Verfassen des Kommentars noch nicht wusste: Beim Verfassungsgerichtshof ist kein Verfahren diesbezüglich anhängig. „Die vom Verwaltungsgericht weitergeleitete ‘Beschwerde’ konnte nicht in Behandlung genommen werden, da sie in unzulässiger Form - per E-Mail - erfolgte, heißt es vom Verfassungsgerichtshof zu profil. Auch viele Medien berichteten bei Bekanntwerdung der Schussfreigabe noch darüber, dass die Verordnung Sache des Verfassungsgerichtes sei. 

Tatsächlich könnte der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde in dieser Form wohl auch bei zulässiger Weiterleitung nicht behandeln. Der Verfassungsjurist Karl Stöger erklärt im profil-Gespräch: Es gibt zwei Möglichkeiten, den Verfassungsgerichtshof in dieser Konstellation bezüglich einer Verordnung anzurufen. Zum einen kann ich behaupten, dass ich unmittelbar durch die Verordnung in meinen Rechten betroffen bin. Die zweite Möglichkeit wäre, dass ein Verwaltungsgericht in einem Verfahren, in dem die Verordnung eine Rolle spielt, von sich aus den Verfassungsgerichtshof anruft, weil sie Zweifel an der Gesetzeskonformität der Verordnung haben. Hier hat das Verwaltungsgericht etwas drittes gemacht: Es hat gesagt, es ist keine Beschwerde an das Gericht, sondern ein solcher Antrag einer unmittelbar betroffenen Person, und dafür ist der Verfassungsgerichtshof zuständig. Nur ist die Beschwerde formal kein sogenannter Individualantrag und auch nicht als solcher ausgewiesen, also muss es der Verfassungsgerichtshof zurückweisen.

Das Landesverwaltungsgericht spricht auf profil-Anfrage von formalen Gründen, die dazu führten, dass nunmehr kein Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig ist. Jetzt stehe eine Entscheidung seitens des Landesverwaltungsgerichtes an.

Die Tierschutzorganisation könnte indes versuchen, dem Verfassungsgerichtshof eine persönliche Betroffenheit in ihren Rechten darzulegen. Aktuell muss der Wolf jedenfalls nicht nach Wean vor den Verfassungsgerichtshof. 

Ergänzung, 30. 8. 2023: Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich teilte nunmehr mit, dass die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen wurde. 

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.