Was steckt hinter dem Deal mit Italien? 7 Fragen zu Österreichs neuen Jets
Der Deal wird wohl – inklusive Steuern – etwas mehr als eine Milliarde Euro kosten, aber derzeit steckt das Verteidigungsministerium noch in Verhandlungen mit Italien: Österreich möchte zwölf M-346 FA-Flieger von Leonardo beschaffen, mit einer Option auf zwölf zusätzliche Flieger. Das Rüstungsgeschäft sorgt gerade für Schlagzeilen, hauptsächlich wegen Kritik des grünen Wehrsprechers David Stögmüller. Die wichtigsten Fragen – und Antworten – im Überblick.
Wieso braucht Österreich überhaupt neue Jets?
Der österreichische Luftraum wird „aktiv“, so nennt man es im Militärjargon, von Flugzeugen bewacht. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang stehen zwei Piloten bereit, die bei Bedarf mit ihren Maschinen losstarten können. Am häufigsten sind sie im Einsatz, weil Flugzeuge mittels Radaranlage nicht identifizierbar sind und kein Funkkontakt aufgenommen werden kann. Die Jets steigen auf, machen sich bemerkbar – und spätestens dann werden die Daten übermittelt. Für den absoluten Ernstfall sind sie auch mit Raketen bewaffnet. Derzeit besitzt Österreich für diese aktive Luftraumüberwachung 15 Überschallflugzeuge vom Typ Eurofighter. Bis Ende 2020 teilten sie sich die Aufgabe der Luftraumüberwachung mit dem Unterschallflieger Saab 105. Er war auch als Ausbildungs- und Trainingsflugzeug im Einsatz. Dann wurde er altersbedingt ausgemustert. Ohne Ersatz, zumindest bis jetzt.
Welche Jets werden nun gekauft?
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erhöhte auch Österreich sein Verteidigungsbudget, seitdem will das Heer Investitionen nachholen. Im Jahr 2023 kommunizierte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, ÖVP, eine Entscheidung: Ihr Ressort werde als Ersatz für die Saab 105 neue Jets kaufen. Die nächste Nachricht folgte erst im Dezember 2024: Österreich wolle über Italien zwölf Stück des Leonardo M-346FA Jets kaufen. Das Nachbarland plant selbst, Leonardo-Flieger zu beschaffen. Österreich hängt sich – vereinfacht gesagt – an die Bestellung dran. „Government-to-Government“-Geschäfte nennt man solche Deals zwischen zwei Staaten. Die Verhandlungen laufen noch, mit einem verbindlichen Angebot rechnet das Heer Ende Juni. In etwa eine Milliarde Euro ist dafür vorgesehen.
Welche Kritik gibt es an den Leonardo-Jets?
Technisch haben weder militärische Kenner noch politische Beobachter etwas an dem Leonardo-Jet auszusetzen. David Stögmüller, Wehrsprecher der Grünen, äußerte allerdings Kritik auf zwei Ebenen. Die erste betrifft den tatsächlichen Beschaffungsvorgang: Laut Stögmüller gibt es im Heer Unstimmigkeiten in der Frage, ob die Anforderungskriterien auf die Leonardo-Jets zugeschnitten wurden (der „Standard“ berichtete zuerst). Laut dieser Theorie könnte im Heer von Anfang an klar gewesen sein, dass man diese Flieger beschaffen will, und die Kriterien darauf angepasst worden sein. Das Verteidigungsministerium weist diese Darstellung zurück, das Beschaffungsprozedere sehe unterschiedliche Schritte vor, um genau solche Vorgänge auszuschließen. Die zweite Ebene betrifft die Kommunikation von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner: Sie schulde dem Parlament noch wichtige Informationen über den Milliarden-Deal.
Warum wird der Beschaffungsprozess hinterfragt?
Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft liegt eine anonyme Sachverhaltsdarstellung vor, in der intransparente Vorgänge geschildert werden sollen. Derzeit prüft die WKStA allerdings erst, ob ein Anfangsverdacht vorliegt und Ermittlungen eingeleitet werden, sagt ein Sprecher zu profil. Außerdem übergab Stögmüller der WKStA einen Bericht der Internen Revision im Verteidigungsministerium. Die Abteilung hinterfragte den Beschaffungsprozess im vergangenen Jahr. Sie wollte wissen, warum zum Beispiel keine südkoreanischen Flieger infrage gekommen seien. Die Einschränkung auf den Europäischen Wirtschaftsraum bei dem Deal sei dann zulässig, wenn sie sachlich begründet sei. Durch diesen Fokus habe sich „ohne Not eine Monopolstellung ergeben“. Bestimmte Kriterien wie die Möglichkeit der Luftraumbetankung hätten die potenzielle Konkurrenz ebenfalls ausgebootet, kritisiert Stögmüller.
Eurofighter fliegen in Österreich noch
Ab 2032 muss sie das Bundesheer aber nach und nach ersetzen. Eine Entscheidung über ihre Nachfolge will die Regierung in dieser Legislaturperiode treffen, der genaue Zeitpunt ist offen.
Wie reagiert das Verteidigungsministerium darauf?
Schriftlich lässt der Abteilungsleiter der Internen Revision, Hans Hamberger, zur Kritik ausrichten: „Es ist Aufgabe und Wesen einer Revision, solche großen Verfahren zu begleiten und kritische Fragen zu stellen. Genau das haben wir in mehreren Informationen, die an den Generalstab gerichtet waren, gemacht. Diese Informationen stellen kein Fehlverhalten fest, sondern führen ergänzende Argumente und Empfehlungen an.“ Die Direktion Kontrolle habe nach anonymen Hinweisen ebenfalls interne Untersuchungen angeleitet. „Inhaltlich stellten sich die umfänglichen Vorwürfe als teilweise nicht verifizierbar und großteiles nicht zutreffend heraus. Es entstand jedoch der Verdacht, dass Waffenlobbyisten mit besonderen Interessenslagen agieren würden.“ Was das Verteidigungsministerium damit meinen könnte: Lobbyisten anderer Rüstungsfirmen würden diese Theorien streuen. Das Heer verweist außerdem auf eine EU-Richtlinie, die einen Ankauf im europäischen Raum präferiert.
Derzeit kann das Heer tatsächlich keine Luftbetankungen durchführen. Die neuen Transportflieger Embraer C-390M sind dafür aber ausgerüstet. Österreich müsste – vereinfacht dargestellt – dafür zwei Zapfsäulen nachbestellen, was in den Planungen noch nicht vorgesehen ist. Ganz allgemein hält das Verteidigungsministerium fest: 78 Kriterien sollten von den künftigen Fliegern erfüllt werden. Die beiden Leonardo-Konkurrenten Boeing/Saab sowie Aero Vodochody hätten nur 61, respektive 26 erfüllt.
Welche Kritik gibt es an der Kommunikation?
„Das ist ein Milliardendeal im Blindflug“, sagt Stögmüller. „Noch 2023 war im Landesverteidigungsbericht ausschließlich von der Schließung der sogenannten ‚Fähigkeitslücke‘ in der Pilotenausbildung die Rede. Also Trainingsjets“, meint Stögmüller. „2024 ist plötzlich von Luftraumverteidigung und Luft-Boden-Einsätzen die Rede. Das ist ein massiver Unterschied – aber erklärt wird nichts.“ Das Militär würde also weitaus potentere Flieger als die früheren Saab kaufen, ohne zu kommunizieren, was das für die Zukunft bedeute. Denn ab 2032 müssen die Eurofighter langsam ersetzt werden. Und das Heer sollte schon lange über eine Nachfolge nachdenken. Eigentlich wollte schon Verteidigungsminister Mario Kunasek, FPÖ, im Jahr 2018 eine Entscheidung über die Eurofighter-Nachfolge treffen. Der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP, verschob sie allerdings. Bis jetzt wurde sie nicht gefällt, in dieser Legislaturperiode soll es so weit sein. Dann werde Österreich wieder teure Jets kaufen – hätte man diese Entscheidung nicht gemeinsam mit der Saab-Nachfolge klären können, fragt Stögmüller?
Wie lassen sich die strittigen Punkte nun aufklären?
Im Verteidigungsministerium sagen Zuständige, dass man auch auf die veränderte Sicherheitslage und den Budgetrahmen reagiert hätte, auch deswegen habe man sich für die Jets entschieden. Beschaffungsvorgänge können in vielen Fällen aus Sicherheitsgründen nicht im kleinsten Detail mit der Öffentlichkeit geteilt werden. Darauf verweist man auch im Büro von Verteidigungsministerin Tanner, man habe aber in den Landesverteidigungsausschüssen im Parlament darüber informiert.
Spätestens seit den jahrelangen Korruptionsermittlungen zum Eurofighter-Kauf schreiben sich sämtliche Regierungen höchste Transparenz auf die Fahnen. Außerdem präferiert das Verteidigungsministerium sogenannte Government-to-Government-Deals, wie es auch der Jet-Kauf ist. Die Theorie des Ministeriums: Wenn das Ministerium mit einem anderen Staat und nicht direkt mit einem Rüstungsunternehmen arbeitet, ist das Einfallstor für Korruption kleiner.
ÖVP und Grüne einigten sich in der vergangenen Legislaturperiode außerdem auf die Einsetzung einer Beschaffungskommission: das unabhängige sechsköpfige Experten-Gremium legt ein Mal im Jahr einen Bericht über Beschaffungen im Verteidigungsministerium vor. Darin wird festgehalten, ob das Heer zweckmäßig und sparsam bei seinen Einkäufen vorgeht. Im Bericht aus dem Jahr 2023 hält die Beschaffungskommission – ganz allgemein – fest, dass „Government-to-Government-Geschäfte für sich genommen keineswegs eine Gewähr dafür sind, dass eine gesetzmäßige Vollziehung sowie eine sparsame und zweckmäßige Gebarung bei Beschaffungsvorhaben sichergestellt sind“. Die Kommission entwarf daher einen Fragenkatalog für das Ministerium, den das Haus bei solchen Beschaffungen abarbeiten soll. Spätestens der Bericht im kommenden Jahr wird die Beschaffung überprüfen und zusätzliche Klarheit darüber bringen, ob noch Fragen offen sind. Auch die weiteren Schritte der WKStA werden zeigen, ob ein strafrechtlich relevanter Korruptionsverdacht besteht.