Pflegenotstand

Wie weit Österreich von fairer und leistbarer 24-Stunden-Betreuung entfernt ist

Die Wienerin Evelyn Brezina lebt mit einer Glasknochenkrankheit. Wie Tausende andere ist sie auf eine 24-Stunden-Betreuung angewiesen – ein Pflegebereich ohne Lobby, der auf prekären Arbeitsverhältnissen beruht. Wie lange wollen die Zuständigen zuschauen?

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Ortstermin, Wien-Margareten. Evelyn Brezina, 46, aufgeschlossene Augen, sympathisches Lachen, hat in ihre Wohnung geladen, um über ihre 24-Stunden-Betreuung, ihr Leben mit Glasknochenkrankheit, aber vor allem auch über ihre Betreuerinnen zu sprechen. Eine von ihnen heißt Dana Cakurdova. Die 49-jährige weicht vor, während und nach dem Gespräch nicht von ihrer Seite. Die beiden, und das merkt man sofort, verstehen sich blind – und sind „wie ein Ehepaar“, wie Brezina lachend sagt: „Wir lieben es zu diskutieren, oft stundenlang.“ Da könne es schon hitziger werden, meinen die beiden unisono – oder wenn sich Brezina („Ich bin eine Fashionista") wieder einmal nicht entscheiden kann, welches Oberteil sie heute gerne anziehen würde. 

Dass sich Brezina für die 24-Stunden-Betreuung und ihre Sichtbarkeit einsetzt, hängt mit ihrer eigenen Geschichte zusammen. Denn sie lebt seit ihrer Kindheit mit Glasknochen – das heißt, dass ihre Knochen sehr leicht brechen. Diese Krankheit ist extrem selten: Nur 300 Menschen in Österreich leben damit. Bei Brezina wurde die Krankheit, ein Gendefekt, erst mit sechs Jahren das erste Mal sichtbar – was ungewöhnlich ist. Davor, erzählt sie, „bin ich noch Eislaufen gewesen, Rad gefahren und am Spielplatz heruntergefallen, ohne mir weh zu tun.“ Zwei Jahre später, mit gerade mal acht Jahren, dann der erste Bruch. Noch im selben Jahr saß sie im Rollstuhl. 

Evelyn und Dana sind ein Vorzeigebeispiel für ein Arbeitsverhältnis in der Branche – und für die Bindung, die zwischen Betreuerin und Klientin entsteht. Denn die Beziehungen sind so verschieden, wie Menschen und ihre Bedürfnisse nun mal sind. Nicht alle Betreuerinnen genießen jedoch ein so gutes Arbeitsumfeld wie Dana.

Während der Pandemie haben die Betreuerinnen angefangen, sich untereinander zu organisieren. Das ist einzigartig – sie haben nämlich keine eigene Vertretung, wie andere Berufsgruppen. Keine Gewerkschaft, keine Schlichtungsstelle – und keine zuständige Anwaltschaft bei arbeitsrechtlichen Problemen. Unterstützung bekommen sie von der Interessensgemeinschaft der 24-Stunden-Betreuer:innen (IG24), auch Flavia Matei berät sie bei Amtswegen. Vernetzt sind sie in Facebook-Gruppen. Dort helfen sie sich gegenseitig – und tauschen sich über die „schwarzen Schafe in der Branche“ aus. Denn: „Niemand fühlt sich zuständig“, so Matei.

Mangelnde Hilfe bei Missbrauch

„Es gibt sehr viel Missbrauch“, erzählt Flavia Matei. Sie ist eigentlich Architektin aus Rumänien. Seit einigen Jahren setzt sie sich für migrantische Pflegekräfte ein. Jedes Jahr kämen neue Fälle hinzu, so die Aktivistin. Die Fälle seien nicht nur arbeitsrechtlicher Natur, auch körperlich soll es zu Übergriffen kommen. „Wenn wir das den österreichischen Behörden melden, lautet die pauschale Antwort, sie dürfen als Selbstständige ihre Arbeitsbedingungen selbst verhandeln.“ Ihre Standesvertretung, die WKO, vertritt aber gleichzeitig auch die Agenturen, die wiederum eher ihre Kunden schützen. „Die Betreuerinnen werden von allen Institutionen im Stich gelassen.” 

„Das System unterstützt Lohndumping."

Flavia Matei, Aktivistin bei IG24

profil versuchte für die aktuelle Recherche herauszufinden, wer bei Konflikten, und vor allem bei Gewalt, einschreiten müsste: Das Gesundheitsministerium verweist auf die Zuständigkeit des Arbeitsministeriums - dort schlägt man bei Gewaltsituationen wiederum einen „vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsvertrag” vor. Letztlich bleibt den Betroffenen nur eines: teure und aufwendige zivilrechtliche Klagen.

Flavia Matei schildert im profil-Gespräch von einem Fall, bei dem ein Klient gewalttätig wurde. Man habe der Betroffenen schnell aus der Situation geholfen, der Betreuungsplatz sei aber wieder nachbesetzt worden. „Hier muss man systemisch handeln – und das Problem an der Wurzel packen.” Arbeitsrechtlicher Schutz bedeute auch Schutz vor Gewalt oder sexuellem Missbrauch, was in privaten Haushalten vorkommen kann. Dazu will das Gesundheitsministerium österreichweite Beratungsstellen fördern – diese sollen zwar Informationen bereitstellen, eine rechtliche Vertretung wird auch in Zukunft nicht angeboten. 

„Es ist sehr problematisch, wenn gewinnorientierte Unternehmen die Verantwortung haben – letztlich trägt diese der Staat,“ so Matei darüber, dass Institutionen häufig die Betreuer:innen für ihre miserable Lage verantwortlich machen. Doch diese hätten kaum Möglichkeiten: „Weder die Arbeiterkammer noch die Gleichbehandlungsanwaltschaft sind zuständig.“ Die einzigen Möglichkeiten, die den betroffenen Frauen demnach bleiben würden: „Im Haushalt mit dem Täter bleiben, oder den Transport ins Heimatland selbst organisieren.”

„Pflegekatastrophe”

Während die Bevölkerung immer älter wird – Prognosen der Statistik Austria gehen davon aus, dass in zwölf Jahren jede:r vierte Österreicher:in über 65 Jahre alt sein wird – steigen auch die Pflegefälle in den Familien. Die Heime werden voller, so lastet die Betreuung auf den Schultern der nächsten Generation (gut eine Million Österreicher:innen pflegen ihre Angehörigen); und meistens auf denen der Frauen.

Gleichzeitig werden viele Betreuer in den nächsten Jahren in Pension gehen – der Pflegenotstand wird sich zuspitzen. „Wir sind schon in einer Pflegekatastrophe”, sagte Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands, kürzlich im profil-Gespräch, „denn wir können die Qualität nicht mehr bieten, die den Menschen zusteht.”

Seit 14 Jahren ein Team: Evelyn Brezina mit ihrer Betreuerin Dana Cakurdova

Das ist der Regierung bewusst: Sie präsentierte ein zweiteiliges Pflegepaket; im Vorjahr wurde eine Milliarde Euro für die Pflege locker gemacht, Anfang Juni folgten weitere 120 Millionen Euro. Dabei wurde jedoch eine wichtige Säule des Pflegebereichs vergessen: Die 24-Stunden-Betreuung. Gesundheitsminister Johannes Rauch würde nicht so gerne über dieses Thema sprechen, erzählt man profil hinter vorgehaltener Hand.

Das sieht man im Ministerium anders. „Sozialminister Johannes Rauch betont immer wieder, dass die 24-Stunden Betreuung eine wichtige Säule im österreichischen Pflege- und Betreuungssystem darstellt.” Auch mit den Betreuer:innen sei man im Austausch. Mit der IG24 habe es bereits „Termine auf der Verwaltungsebene” gegeben.*

Die undurchsichtige Welt der Agenturen

Noch ein Detail: Seit 2019 können sich rund 900 Vermittlungsagenturen, die in Österreich registriert sind, mit dem Qualitätszertifikat ÖQZ-24 für die Einhaltung gewisser Leistungen zertifizieren lassen. Das obliegt den Agenturen selbst - verpflichtend ist das Zertifikat nicht. Von den rund 900 Vermittlungsagenturen, die in Österreich registriert sind, haben sich bloß 40 das Siegel geholt. Weitere vier befinden sich laut Informationen des Gesundheitsministeriums in laufenden Zertifizierungsverfahren. Laut Ministerium beschäftigen die 40 zertifizierten Agenturen rund ein Drittel aller 24-Stunden-Betreuerinnen.

Ein Vorwurf, der selbst bei dem Qualitätssiegel Zweifel an sicheren Arbeitsbedingungen hervorrufen lässt: Der Verein, der die Agenturen prüft, soll von Funktionären mitkonzipiert worden sein, die selbst Vermittlungsagenturen betreiben, wie auch Recherchen des Moment-Magazins nahelegen.

Die Interessensgemeinschaft IG24 spricht jedenfalls von groben Problemen, selbst bei zertifizierten Unternehmen: Verspätete Auszahlung der Honorare bis hin zur Vernachlässigung bürokratischer Aufgaben, wodurch hohe Schulden für die Betroffenen entstehen können. Flavia Matei kritisiert wiederum, dass die die Zertifizierung „kaum die Arbeitsbedingungen der Betreuerinnen” thematisiere.

Wer kann sich eine 24-Stunden-Betreuung in Zukunft noch leisten?

Viele Menschen können sich eine 24-Stunden-Betreuung kaum noch leisten – und natürlich möchte man den Betreuerinnen auch ein faires Honorar zahlen, wie Evelyn Brezina betont.

Kürzlich wurde als Teil der Pflegereform beschlossen, die Förderung für Patient:innen zu erhöhen, die zuhause betreut werden wollen. Leistbar ist es für viele aber noch immer nicht. Möglicherweise auch ein Grund, warum die „Teilbarkeit“ der Betreuungskräfte angekündigt wurde. Eine Betreuerin, so sieht es das Gesundheitsministerium vor, soll sich um bis zu drei Personen kümmern – „ohne vorab Informationen über die Pflegestufe, Entlastungsangebote, Arbeitszeiten oder gar Honorare informiert zu sein. Und das ohne Anstellung”, beklagt Matei. Sie bezeichnet diese neue Regelung als „Skandal“. Mit dem ersten Teil der Pflegereform wurde die „Attraktivierung der Anstellung” versprochen, „dann haben wir gesehen, dass dieser Punkt komplett gestrichen wurde.“ 

Eine große Enttäuschung – und der Grund, warum Ende Juni sich viele Betreuer:innen aus Rumänien, der Slowakei, Ungarn oder Kroatien vor dem Bundeskanzleramt zur Demo versammelt hatten. Es ist ein Monat später, endlich erhalten die Organisatorinnen eine Rückmeldung aus dem Ministerium – und einen Terminvorschlag für Ende August. An diesem Termin hängt einiges an Hoffnungen fest, auch wenn die Funken abkühlen. Die Pflege ist reformiert – mit oder ohne den Bereich der 24-Stunden-Betreuung. Im Sommerministerrat Ende Juli beschäftigte man sich ebenfalls mit Gesundheitsreform – von Heimbetreuung keine Rede. Es ist der erste Termin, den IG24 bekommt, seitdem Gesundheitsminister Rauch im Amt ist. Die Interessenvertreter:innen wollen sich zumindest Gehör verschaffen. Seit dem ersten Teil der Pflegereform habe sich „die Situation sogar wesentlich verschlechtert“, resümiert Matei.

Das Gesundheitsministerium antwortet auf profil-Anfrage zum Thema Anstellung: „Es bedarf Abstimmungen mit Sozialpartner:innen und Stakeholder:innen, um ein konkretes Modell zu erarbeiten.” Gespräche dazu seien bereits aufgenommen worden. Weiters versichere man, dass „das Thema der Attraktivierung der unselbstständigen Beschäftigung von 24-Stunden-Betreuungspersonen weiterhin im Rahmen der Weiterentwicklung auf der Agenda bleibt.

“Mit der vorliegenden Pflegereform werden wir 24-Stunden-Betreuer:innen ein weiteres Mal im Stich gelassen."

Die Interessensgemeinschaft der 24h-Betreuer:innen (IG24) forderte von Gesundheitsminister Johannes Rauch ein Treffen mit 24-Stunden-Betreuer:innen zur Pflegereform - zwei Monate später soll der Termin stattfinden.

Nicht alltäglicher Blickwinkel

Vor einigen Jahren hat Evelyn Brezina begonnen, auf Instagram Bilder zu veröffentlichen. „Das Fotografieren war schon immer meine Leidenschaft und Instagram mein Fenster zur Welt“, erzählt sie. Sie betreibt sogar zwei Accounts (insgesamt folgen ihr über 7000 Follower). In einem zeigt Brezina Fotos aus ihrem Alltag, postet Fotos von ihrem Kinobesuch bei „Barbie”, mit dem anderen macht sie klassische street photography. Dabei täuscht der Eindruck, erzählt sie: Sie ist nicht jeden Tag unterwegs, könne vor Schmerzen oft tagelang das Bett nicht verlassen und greife dann auf ältere Bilder zurück. Mit zehn Jahren hat sie von ihrem Vater ihre erste Kamera bekommen – und gelernt, dass die richtige (oder ungewöhnliche) Perspektive den entscheidenden Unterschied mache. Denn mit ihrer Körpergröße (sie ist 1,12 Meter groß) und dem Rollstuhl, nehme sie im öffentlichen Leben einen nicht alltäglichen Blickwinkel ein, der viele Menschen überrasche. 

Das Bild, das viele von der der 24-Stunden-Betreuung haben, ist falsch: Es werden keineswegs nur ältere Menschen betreut, sondern auch viele Kinder und Jugendliche oder Menschen wie Evelyn Brezina. Ohne ihre „zwei Mädels“, wie Brezina die Betreuerinnen, die über die Organisation Malteser Care vermittelt werden, liebevoll nennt, könnte sie nicht in ihrer Wohnung leben. Betreuung brauche sie nämlich rund um die Uhr, erzählt sie; egal ob sie ins Bett oder auf die Toilette muss. 

Mehr Förderungen, höhere Honorare?

Ab September sollen Familien, die Betreuer:innen beschäftigen, 160 Euro mehr als bisher an Fördergeld erhalten – statt 640 Euro also 800 Euro. Zu wenig, findet Brezina: Durch ihre Berufsunfähigkeitspension (fünf Jahre hat sie beim Rettungsdienst des Roten Kreuzes im Sekretariat gearbeitet) bekommt sie gerade mal 1052 Euro inklusive Ausgleichszulage. Allein durch die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise, die sie jeweils für zwei Menschen zahlen muss, sei die 24-Stunden-Betreuung kaum noch leistbar. Immerhin wohnen die Pflegerinnen bei ihr, würden Strom, Wasser und Lebensmittel brauchen, um arbeiten zu können. Denn: Brezina ärgere es, sagt sie, dass für eine Pflegeheimplatz in Österreich zwischen 4000 und 9000 Euro pro Monat bezahlt werden, während die 24-Stunden-Betreuung bald nur noch für Wohlhabende leistbar sein könnte. Mit ihrer Pflegestufe sieben müsse sie im Monat ohnehin 180 Stunden an Pflege nachweisen, um die Förderung zu bekommen: „In welchem Pflegeheim hätte ein Pfleger so viel Zeit für mich?“, fragt sie lakonisch. Es gehe vielmehr darum, den Familien das Leben zu erleichtern, meint sie – und den Betreuerinnen faire Honorare zu zahlen.

“Ich habe Zukunftsängste”

Evelyn Brezina in ihrer Wiener Wohnung

Selbst mit der Erhöhung der Förderung für die Klient:innen sieht Flavia Matei keine Garantie dafür, dass sich die Honorare der Betreuerinnen verbessern. „Die Familie darf selbst entscheiden, was sie mit dieser Förderung macht”, sagt die Aktivistin. 

Das Gesundheitsministerium betont auf profil-Anfrage: „Selbstverständlich kann sich die Erhöhung der Förderung auf die Bezahlung der Betreuer:innen auswirken, wobei dieses Entgelt im Rahmen der Privatautonomie zwischen den Vertragsparteien zu vereinbaren ist”. Das Argument: Man könne nicht direkt in die Gestaltung der Honorare eingreifen, das „würde dem Grundsatz der Privatautonomie widersprechen”. 

Wie autonom die Betreuerinnen in der Praxis handeln können, ist jedenfalls fraglich. „Das System unterstützt Lohndumping”, sagt Aktivistin Matei. Die 24-Stunden-Betreuung sei ein System, das auf Ausbeutung beruhe. Das große Problem ist die sogenannte „Scheinselbstständigkeit”. Offiziell sind die meisten Betreuungskräfte als Ein-Personen-Unternehmen (EPU) registriert. Von den Familien selbst werden nur wenige eingestellt – das wäre zu teuer, und die Vermittlungsagenturen würden sich regelrecht überbieten, wenn es um niedrige Honorare gehe.

Dem Gesundheitsministerium ist es wichtig zu betonen, dass es diesbezüglich eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gab, welche besagt dass es keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass allgemein definierte Leistungen im Rahmen von eigenen Gewerbebetrieben angeboten werden.” Letztendlich sei die Frage einer Selbständigkeit im Einzelfall zu beurteilen.*

Als Selbstständige sollten die Betreuerinnen ihre Honorare theoretisch selbst bestimmen dürfen. In der Praxis hängt ihr Einkommen jedoch vom Wohlwollen der Familien ab. Und das ist oftmals Verhandlungssache zwischen den Agenturen und den Klient:innen. Wenn die Betreuer:innen aus dem Ausland ankommen (Über 80 Prozent aus osteuropäischen Ländern), stehen sie vor vollendeten Tatsachen. Der Vertrag wird schnell unterschrieben, die Konsequenzen später getragen. Erstmal wird gearbeitet – für durchschnittlich drei Euro die Stunde.

„Ich habe Zukunftsängste”

Und wie geht sich die Betreuung für die Klient:innen finanziell aus? „Gar nicht“, sagt Brezina: „Ich habe Zukunftsängste”. Hätte sie nicht ihre 83-jährige Mutter, die ihr jeden Monat Geld zuschießt, würde sie sich die 24-Stunden-Betreuung nicht leisten können. Und dennoch will sie die 160 Euro, die sie ab September mehr bekommt, auf ihre zwei Betreuerinnen aufteilen. Ob das Geld auch in anderen Pflegeverhältnissen bei den Betreuerinnen ankommen würde, kann man nicht sagen. Helmut Lutz, Geschäftsführer von der Organisation Malteser Care betont, dass sie über die 800 durchaus erfreut waren, aber weiter daran arbeiten möchten, dass die Förderung auf 1100 Euro angehoben wird.

Österreich wird weiterhin auf Pfleger und Betreuerinnen aus dem Ausland angewiesen sein. Aktivistinnen wie Flavia Matei sorgen in der Zwischenzeit dafür, dass die Arbeitsmigrantinnen immer besser über ihre Rechte Bescheid wissen. Gleichzeitig bleibt der Beruf für Autochthone noch immer unattraktiv. So könnte es dazu kommen, dass der Bedarf auch in diesem Pflegebereich immer weniger gedeckt werden kann. Dabei fordern Branchenvertreter nicht nur mehr finanzielle Mittel: „Würde man das ganze System reformieren, müsste man natürlich viel Geld investieren, viele unserer Forderungen richten sich an die Strukturen: Zugang zu Gleichbehandlungsanwaltschaft, mehr Transparenz bei den Vermittlungsagenturen und die Reglementierung der Gewerbe.”

Das Gesundheitsministerium betont, dass die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch Selbstständige vertritt und berät. Im Arbeitsministerium verweist man auf niederschwelligen Zugang zur Gleichbehandlungsanwaltschaft, sofern die betroffene Betreuerin bei der zu betreuenden Person angestellt ist, im Fall von selbständigen Unternehmen jedoch auf das geltende Zivilrecht beziehungsweise die zivilen Handelsgerichte.

14 Jahre zwischen Wien und Slowakei

Die Geschichte hinter der Geschichte beginnt vor 14 Jahren. So lange lebt Evelyn Brezina schon mit ihrer Betreuerin zusammen – zumindest immer zwei Wochen am Stück. Dann wechselt sich Dana, wie sie sich kurz nennt, mit der zweiten Betreuerin ab. Für sie ist Frau Brezina die erste Klientin – und auch „die letzte”, sagt sie lachend. Sie könne sich auch noch gut an das erste Zusammentreffen erinnern und an die Ungewissheit, dass hoffentlich nichts passiere. Denn einen Menschen mit Glasknochen, erzählt sie, hatte sie vorher auch noch nicht getroffen. Und das sei generell die Herausforderung im Gesundheitsbereich und in der 24-Stunden-Betreuung im Speziellen, Menschen zu finden, die auch mit den speziellen Erfordernissen zurechtkommen – und es auch in Kauf nehmen, für den Job die eigenen Familie, die Kinder für zwei Wochen am Stück nicht zu sehen. Für ihre Arbeit zahlt sie in Österreich Sozialversicherung und wird für ihre Arbeit einmal eine Pension zwischen 200 und 300 Euro bekommen. Dass ihre eigenen Eltern auch schon ins pflegebedürftige Alter kommen, mache die Sache nicht leichter. Weder für die Betreuerin, noch für die Klientin in Wien.

Infos für Betreuer:innen aus dem Ausland

Mehr Infos für Betreuungspersonen, darunter praktische Tipps und Formulierungshilfen für Behörden, finden Sie auf der Webseite der IG24.

Die mit * gekennzeichneten Stellungnahmen des Gesundheitsministeriums wurden nachträglich am 5. August um 15 Uhr ergänzt.

 

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.