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Autos raus aus der Stadt!

Unser Autor wundert sich über die Verkehrsbelastung nach der Corona-Ruhe und empfiehlt das neue Meditationsalbum von Sufjan Stevens.

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Alle paar Wochen der selbe Gedanke: Verlass die Stadt. Komm mal runter. Atme durch. Gönn dir Ruhe am Land. Andererseits: Warum eigentlich? Vielleicht sind es ja die Autos, die die Stadt verlassen sollten. Seit wir hier in (Ost-)Österreich von einem harten in den Soft-Lockdown gewechselt sind, hat auch die Verkehrsbelastung (zumindest in meinem Wiener Grätzl zwischen Kindergarten, Park, Fußballkäfig und Homeoffice) wieder um ein Vielfaches zugenommen; ja selbst der Flugverkehr scheint seine größte Krise hinter sich zu haben.

Und dann frage ich mich: Sind wir noch von der Corona-Ruhe verwöhnt, gehört der Motorenlärm nicht einfach zum Leben in der Metropole dazu? Und was bedeutet das für das Ziel Klimaneutralität 2040? Eine andere Welt, eine andere Stadt ist möglich. Aber auch eine Metropole ohne Autos (Disclaimer: ja, ich besitze selbst einen alten Audi-Diesel)? Ich höre nach bei unserem Klima-Podcast. Meine KollegInnen Christina Hiptmayr und Joseph Gepp aus dem Wirtschaftsressort fragen in der achten „Tauwetter“-Episode den Verkehrsexperten Ulrich Leth von der TU Wien, warum die Hauptstadt in Sachen Klimaschutz zwar immer noch ganz gut dasteht – aber zunehmend zurückfällt. Leth ist nicht nur in der Forschung tätig, er ist auch Sprecher der zivilgesellschaftlichen Initiative „Platz für Wien“, die eine Verkehrswende für die Zweimillionenstadt fordert. Deren Hauptanliegen: die Unverhältnismäßigkeit der Flächenverteilung zu ändern – und nebenbei für mehr Sicherheit zur sorgen. Ungefähr zwei Drittel der Verkehrsfläche sind in Wien aktuell für Kraftfahrzeuge reserviert, obwohl nur 27 Prozent der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden. Die Rechnung ist einfach: Diese Flächen fehlen den anderen VerkehrsteilnehmerInnen, vor allem dem Fuß- und Radverkehr.

Heißes Thema, schon klar. Deshalb wird es in der kommenden profil-Ausgabe (das E-Paper gibt es bereits am Samstag ab 8.00 Uhr, die Print-Ausgabe ab Sonntag früh) auch eine größere Geschichte dazu geben. Hiptmayr und Gepp sehen sich vor allem die Klimapolitik der rot-pinken Stadtregierung an, die Wien gerne als „Klimamusterstadt“ verkauft, aktuell aber viel Kritik einstecken muss. Es geht um Großbauprojekte wie die „Stadtstraße Aspern“ oder den Lobautunnel, die mit den Klimazielen nicht vereinbar sind.

Ruhe finden Sie an diesem Wochenende bei Sufjan Stevens. Der US-amerikanische Singer-Songwriter und Multiinstrumentalist hat über die letzten Wochen sein Ambient-Projekt „Convocations“ (Asthmatic Kitty Records) veröffentlicht – eine Art Meditationsalbum, das sich in fünf Teile (von „Meditation“ bis „Incantation“) mit insgesamt 49 Tracks aufteilt. So schön konnte ich mich seit Max Richters Schlafalbum „Sleep“ nicht mehr in den Schlaf wiegen lassen. Alles fließt derweil auch bei Sebastian Hofer. Mein Kollege analysiert im kommenden profil, wie es um die aktuelle Popmusik zwischen Billie Eilish, Harry Styles und Dinosaur Jr. bestellt ist. Spoiler: Schubladendenken und Genrefetisch war gestern, 2021 bleibt alles betont uneindeutig.

Alles wird gut.

Philip Dulle

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Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.