Panorama

Investmenttrends 2023

profil fragte Finanzprofis, womit sich Anleger 2023 auseinandersetzen sollten und wie man langfristig mehr aus seinem Vermögen machen kann.

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Rezession, Inflation und straffere Geldpolitik. Kann sich da nach dem Krisenjahr 2022 tatsächlich ein Chancenjahr für Aktien und Anleihen auftun? Analyst:innen nennen die wichtigsten Themen für die nächsten Monate. 

Zu hohe Gewinnerwartungen

Die Rezession ist schon eingepreist-allerdings zu wenig, glaubt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege von JP Morgan Asset Management: "Zweistellige Gewinnerwartungen bei Zyklikern wie Banken, Industrietitel oder zyklischem Konsum sind zu hoch gegriffen. Gewinnrevisionen könnten den Weg nach oben limitieren." Hingegen hält Benjardin Gärtner, Chefanalyst des Fondsriesen Union Investment, die Gewinnlage trotz hoher Inflation auch 2023 für sehr gut: "Treiber sind in den USA die Infrastruktur-und Klimaschutzprogramme, so wie auch in der EU. Hier wird es neue Gewinner geben, oftmals gut bekannte Unternehmen wie eine RWE. Durch den Ausbau der Erneuerbaren ist sie zur Wachstumsaktie avanciert."

Grün gewinnt

Fossile Brennstoffe haben nicht erst seit dem Ukraine-Krieg die erneuerbaren Energien outperformt, sondern etwa im US-Leitindex S&P 500 schon in den letzten drei Jahren. Doch der von Inyova erstellte Impact Index, der Anlagetrends vierteljährlich erhebt, lässt vermuten, dass sich das Blatt wendet. "Durch Putins Angriff sind insbesondere bei den 18-bis 30-Jährigen die Erneuerbaren Energien wieder mehr in den Fokus gerückt. Sie haben soziale Themen wie die Frage der Geschlechtergleichstellung oder auch Bildungsthemen verdrängt", berichtet Susanne Schaller, Investment-Managerin bei Inyova. "Anleger favorisieren alternative Transportportmittel, aber auch Hersteller pflanzlicher Ernährung."In Summe werde sehr viel privates Kapital, "aber auch viel EZB-Geld durch grünes quantitatives Easing fließen",r echnet Monica Defend, Leiterin des Amundi Instituts, "das bietet interessante Gelegenheiten für Investoren."


Anleihen-Comeback

"Bonds are back", meint Defend von Amundi. "Nach dem großen Repricing sind Anleihen zur Diversifizierung wieder gefragt. Wir erwarten, dass sich die Korrelation zwischen Anleihen und Aktien stabilisiert und in den negativen Bereich zurückkehrt. Zu Beginn des Jahres bevorzugen wir hochwertige Unternehmens-und Staatsanleihen, eine aktive Durationssteuerung sowie US-gegenüber europäischen Anleihen. Hochzinsanleihen könnten gegen Jahresende eine selektive Wahl werden. Die Bewertungen sind noch nicht attraktiv und das Ausfallrisiko immer noch hoch." Auch Gutmann-Partnerin Claudia Figl setzt auf Sicherheit: "Nach Jahren spricht wieder einiges für Pfandbriefe. Diese Anleihen haben eine zusätzliche Besicherung, bieten dennoch meist höhere Renditen als bei vergleichbaren Staatsanleihen." Tilmann Galler von JP Morgan erwartet, dass Unternehmensanleihen bester Bonität im nächsten Jahr die Aktiengewinne schlagen könnten, weil Margen und Unternehmensgewinne zurückkommen.

China spaltet die Anlegergemüter

"Die chinesische Wirtschaft könnte im Jahr 2023 positiv überraschen, je nachdem, wie sie die Korrekturen am Immobilienmarkt und die Covid-19-Politik bewältigt", sieht Amundi-Leiterin Defend für China Potenzial, "obwohl wir das chinesische Wachstum für 2023 von 5,2 auf 4,5 Prozent gesenkt haben, bleibt es im Aufwärtstrend, und es sind mehr als die drei Prozent für 2022."Ein Risiko sei jedoch der geopolitische Druck, die zunehmende Konfrontation zwischen den USA und China. Das sieht auch Claudia Figl, Partnerin der Bank Gutmann so: "Wir haben uns im März 2022 von chinesischen Aktien getrennt. Die Invasion Russlands in der Ukraine erinnerte uns einmal mehr daran, dass Renditen niemals auf totalitären Böden wachsen." Sie bevorzugt etablierte Unternehmen mit starkem Wachstum in Emerging Markets wie Starbucks.


Hässliches Immobilienjahr

"2023 wird fast weltweit ein hässliches Immobilienjahr",befürchtet Tilmann Galler. Die US-Immobilienpreise sind in den letzten fünf Jahren um fast 80 Prozent gestiegen, hoch sind sie auch in Kanada und Großbritannien. Die Hypothekarzinsen in den USA haben sich in einem Jahr mehr als verdoppelt. Der Unterschied zur US-Immokrise 2005 und 2006 liegt darin, dass es am Häusermarkt derzeit keine entsprechenden Überkapazitäten gibt. Auch in Europa sind die Banken bei Finanzierungen restriktiver geworden und verlangen höhere Risikoaufschläge.

Dividenden stabiler als Gewinne

"In einer Rezession sind Dividenden stabiler als Gewinne", spricht für Kapitalmarktstrategen Galler die Widerstandsfähigkeit bei starken Wirtschaftsabschwüngen für Value-und Dividendentitel. Diese seien außerdem verglichen mit Wachstumswerten aktuell immer noch günstig bewertet. Daher sei die Fallhöhe auch niedriger als bei Wachstumswerten: "Unternehmen, denen es gelingt, unter schwierigen Umständen stabile oder sogar steigende Dividenden zu zahlen, entwickeln sich in Rezessionszeiten besser." Die Profitabilität, Qualität und Preissetzungsmacht müssen jedoch stimmen. Denn manche Aktien seien deshalb billig, weil man nicht wisse, ob es sie morgen noch gibt.


Bewertungsdisziplin ist wichtig

Der Schlüssel zum Erfolg sei jetzt strikte Bewertungsdisziplin, meint Benjardin Gärtner von Union Investment: "Kau fen Sie nicht nur schöne Geschichten. Wichtig ist das klassische Kurs-Gewinn-Verhältnis, wie viel Cashflow Unternehmen generieren oder auch das Verhältnis des Cashflows zum gesamten Unternehmenswert. Wir waren bei den großen europäischen Aktien bei einem KGV 18, jetzt sind wir bei zwölf. Da komme ich auf eine Gewinnrendite von 8,3 Prozent. Das können Anleihen langfristig nicht bieten."
 

Techno taucht ab, dann wieder auf

"Tech-Aktien waren aufgrund der Nullzinsphase und des Booms während der Covid-Pandemie teilweise deutlich überbewertet. Doch die strukturellen Wachstumsfaktoren sind intakt", ist Gutmann-Managerin Figl überzeugt von Chip-Herstellern, Medizintechnik oder auch Cloud Computing. "Wir denken, es ist ein guter Zeitpunkt, um sich im Technologiebereich zu günstigeren Bewertungen langfristig zu positionieren." Vorsicht sei bei jenen geboten, die als Tech-Unternehmen wahrgenommen werden, tatsächlich aber die Geschäftsmodelle von Medien haben-wie etwa Spotify oder Netflix. Allen kapitalintensiven Unternehmen könnte spätestens ab dem zweiten Quartal 2023 zugutekommen, dass die Notenbanken die Zinspolitik herunterschrauben.

Dollar bleibt vorerst hoch

Der starke US-Dollar hat zuletzt für Europäer die Performance ihrer US-Wertpapiere und von Gold gerettet. Die Währung hat 2022 knapp zehn Prozent gegenüber dem Euro zugelegt. "Solange die geopolitische Lage schwierig bleibt, bleibt der Dollar fest. Wenn sie sich entspannt, könnte auch der Dollar 2023 wieder unter Druck geraten",rät JP-Morgan-Assetmanager Galler Europäern zu Euro-Anleihen, um kein Währungsrisiko einzugehen. "Wir appellieren weiterhin in den USA zu investieren", sagt Benjardin Gärtner von Union Investment: "Wir haben in den USA starke Wirtschaftsdynamik, unterstützt durch Infrastrukturprojekte, staatliche Förderung für die US-Halbleiterindustrie und ein Klimapaket. Zum anderen sind die USA energieautark und haben einen großen Heimatmarkt. Das sollte den Dollar unterstützen."


Kaufkraft unter Druck

"Die gestiegenen Energie-und Nahrungsmittelpreise haben die Kaufkraft der Konsumenten geschwächt", rechnet Galler von JP Morgan mit einem veränderten Konsumverhalten, "aber nicht bei den Verbrauchsgütern. Da sind die Erträge relativ stabil. Der Grundbedarf muss gedeckt werden. Doch gespart wird wohl bei zyklischem Konsum, bei Fahrzeugen und anderen verschiebbaren Ausgaben."