Panorama

Longevity: Das Geschäft mit der Lebensverlängerung

In den USA und Europa entwickelt sich eine Branche rund um ein längeres Leben: Longevity. Lifestyle-Trend oder notwendige Entwicklung?

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Auf zwei Krücken gestützt kommt sie beim Gehen voran. "Ich bin den ganzen Vormittag am Sofa gelegen und dachte: Jetzt muss ich hinaus", erzählt die 94-jährige Frau aus der Nachbarschaft in einem oberösterreichischen Dorf. Das Leben hat tiefe Furchen in ihr Gesicht gezeichnet, der Verstand ist glasklar geblieben. Der Liebe wegen sei sie einst hierhergezogen, erzählt sie. Vor wie vielen Jahren das war? Daran erinnert sie sich nicht mehr. Mit zunehmendem Alter setzen Phänomene wie Faltenbildung, Hörverlust und Gedächtnisschwäche ein. Warum altert der Mensch überhaupt? Was machen jene anders, die bis in die späten Neunziger noch durch die Nachbarschaft spazieren? Und: Wird die Forschung Medikamente und Methoden entwickeln, um im Alter länger gesund zu bleiben, den Alterungsprozess zu verzögern oder gar das Leben zu verlängern?

Die Biogerontologie untersucht die Ursachen des biologischen Alterns und deren Folgen. Der theoretische Zugang entspringt der Evolutionstheorie: Sobald ein Lebewesen sich fortgepflanzt hat, sind die eigenen Gene weitergereicht, und das Ziel ist erreicht. In der Alternsforschung spricht man von der Garantiezeit, in der sich ein Lebewesen entwickelt, wächst und sich reproduziert. "Was danach kommt, steht im Schatten der Evolution", sagt der Zellbiologe und Biochemiker Pidder Jansen-Dürr, der das Forschungsinstitut für Biomedizinische Alternsforschung an der Universität Innsbruck leitet. Der praktische Zugang ist die molekulare Ebene. Dazu gehören die natürlichen Alterungsabläufe in den Zellen, die sie weniger resilient und fehleranfälliger machen. Mit zunehmendem Alter verkürzen sich zum Beispiel die Schutzkappen der Chromosomen, die Telomere, und die zelleigenen Reparatursysteme schwinden. Dazu kommen äußere Einflüsse, die sich direkt auf der Zellebene auswirken, wie Sonneneinstrahlung, Luftverschmutzung, die Folgen der Klimaerwärmung, eine unausgewogene Ernährung oder psychische Belastung. "Wie lange ein Mensch lebt, hängt zu rund einem Viertel von seinen Genen ab und zum größeren Teil von Umwelteinflüssen und Lebensstil",erklärt Alternsforscher Jansen-Dürr.

Biotechnologie und Lifestyle

Dank der Fortschritte in Forschung, Diagnostik, Medizin und Therapien, der Behandlung von Infektionskrankheiten sowie durch höhere Hygienestandards und bessere Ernährung hat sich die Lebenserwartung in den vergangenen 150 Jahren etwa verdoppelt. In Österreich werden laut Statistik Austria im Jahr 2019 geborene Mädchen durchschnittlich 84,0 Jahre alt, davon 64,7 Jahre in sehr guter oder guter Gesundheit. Bei den Buben sind es 79,3 und 63,1 Jahre. Während die Weltgesellschaft immer älter wird, sinkt gleichzeitig die Geburtenrate. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) verdoppelt sich die Anzahl der über 60-Jährigen vom Jahr 2019 bis zum Jahr 2050 auf mehr als 2,1 Milliarden Menschen. Das bringt viele sozioökonomische Herausforderungen mit sich, etwa im Pensions-und Gesundheitssystem. Nicht nur deshalb wollen Forschende aus aller Welt herausfinden, wie ein möglichst gesundes, langes Leben erreicht werden kann. Stichwort: Longevity. Zu Deutsch: lange Lebensdauer, Langlebigkeit. Der Begriff ist weit gefasst. Start-ups, die digitale Gesundheitsförderungs-Apps und Diagnostiktechniken entwickeln, verwenden ihn. Firmen, die Nahrungsergänzungsmittel herstellen, preisen ihre Produkte damit an. Biotechnologieunternehmen, die an Verjüngungsmethoden auf Stammzellenbasis forschen, setzen auf dieses Schlagwort.

Ein zentraler Bestandteil von Longevity ist die molekulare Forschung, aus der etwa Lebensstilempfehlungen, Nahrungsergänzungsmittel, Medikamente und Therapien hervorgehen können. Die Zellbiologin Corina Madreiter-Sokolowski hat die Professur für Molekulares Altern am Lehrstuhl für Molekularbiologie und Biochemie des Gottfried Schatz Forschungszentrums der Medizinischen Universität Graz inne. Ihr zufolge geht es in der zellulären Longevity-Forschung kurzfristig erst einmal darum, altersbedingte Erkrankungen wie Krebs oder Alzheimer besser behandeln zu können und die Risiken für Herz-Kreislauf-Zwischenfälle zu reduzieren. Das langfristige Ziel sei die Prophylaxe. Das heißt, auf Basis der neu gewonnenen Erkenntnisse individuelle Handlungsempfehlungen zu geben oder Medikamente zu entwickeln, die der Entwicklung von alterungsbedingten Erkrankungen entgegenwirken. Anders gesagt: Nicht das Leben per se soll verlängert, sondern die Gesundheitsspanne erhöht werden. Dabei handelt es sich um jene Zeit, die ein Mensch in akzeptabler, guter Gesundheit verbringt. "Künftig sollen also auch Menschen im Alter von 80 Jahren noch fit und schmerzfrei ihren Sport betreiben können", erklärt Madreiter-Sokolowski.

Ethisch-moralische Bedenken

In der molekularen Longevity-Forschung werden unterschiedliche Forschungsansätze verfolgt. Einer davon: Man untersucht im Labor körpereigene Mechanismen, die zu einer Langlebigkeit führen können. Daraus, wie Zellen unter verschiedenen Umständen reagieren, lassen sich Schlüsse ziehen, um einzelne Zellfunktionen während des Alterns gezielt zu modulieren. Die Laboranalysen werden etwa an verschiedenen Zelltypen oder Modellorganismen wie Fruchtfliegen, Würmern oder Mäusen gemacht. Die darauf basierende Forschung am Menschen birgt Tücken: Um im Anschluss auf vielversprechende Laborergebnisse klinische Studien-also Studien am Menschen-durchführen zu können, müsste das Altern als Krankheit definiert sein, was es nicht ist.

Würde sich das ändern, bliebe die ethische Frage, wie man zu Testpersonen kommt und ab welchem Alter mit den Interventionen begonnen werden müsste: Mit 30, wo das Altern beginnt, mit 50, wo die Krebsfälle steigen oder erst mit 60 Jahren? "Eigentlich müsste man von einem frühen Stadium aus testen. Das ist ethisch-moralisch sehr bedenklich",sagt Madreiter-Sokolowski. "Soll ein 30-jähriger Mensch ein Leben lang Medikamente einnehmen, um am Ende zu analysieren, wie das ausgeht?" Solche Studien würden über Jahrzehnte hinweg laufen und dementsprechend extrem teuer sein. Meist bleibe es deshalb bei vorklinischen Versuchen. Ohne das Durchlaufen der strengen Regulatorien für Medikamente könnten im Labor identifizierte, potente Stoffe höchstens in Form von Nahrungsergänzungsmitteln auf den Markt gebracht werden. "Dabei bleibt oftmals vieles ungeklärt, etwa wie sie verstoffwechselt werden und wie viel davon tatsächlich am Zielort ankommt."

Eigentlich müsste man von einem frühen Stadium aus testen. Das ist ethisch-moralisch sehr bedenklich.

Corina Madreiter-Sokolowski

Zellbiologin der Medizinischen Universität Graz

Ein weiterer Ansatz der molekularen Longevity-Forschung steht für radikalere Methoden, etwa die Reprogrammierung. Sie zielt darauf ab, Zellen im Labor auf Stammzellebene zurückzusetzen und in weiterer Folge zu jüngeren Körperzellen zu differenzieren. Für die Entdeckung der dahinterstehenden Abläufe erhielten der Brite John B. Gurdon und der Japaner Shinya Yamanaka im Jahr 2012 den Medizin-Nobelpreis. Auch die künstliche Verlängerung der im Alter kürzer werdenden Telomere-das sind die Schutzkappen der Chromosomen-ist als radikalerer Ansatz einzuordnen. Beides ist Zellforscherin Madreiter-Sokolowski zufolge Zukunftsmusik. Reprogrammierung funktioniere heute in einigen Zellen einzelner Organe, etwa bei der Netzhaut oder im Rückenmark. "Ich sehe Hoffnung, dass man diese Methode etwa bei Netzhauterkrankungen einsetzen kann."Dass "so etwas Drastisches" im gesamten Organismus umgesetzt werden könne, bezweifelt die Forscherin. Sie weist auf das Gefahrenpotenzial beider Ansätze hin: Mit dem Schaffen jüngerer Zellen steige auch das Risiko für unkontrolliertes Zellwachstum und somit für Krebserkrankungen. Zudem sei auch bei diesem Ansatz unklar, ab welchem Lebensalter mit so einer Intervention gestartet werden müsste.

Neues Geschäftsfeld für Tech-Riesen

Im Technologiezentrum Silicon Valley entsteht rund um den Longevity-Trend gerade eine neue, milliardenschwere Branche. Laut dem US-Marktforschungsunternehmen Zion Research könnte der bisher rund 112 Milliarden US-Dollar schwere Longevity-Markt bis zum Jahr 2028 auf 163 Milliarden Dollar wachsen. Dem Beratungsunternehmen Deloitte zufolge sei die Branche zwar erst im Aufbau, ziehe aber bereits hohe Summen an Geld von Investoren, akademischen Einrichtungen und Regierungen an. Laut deren Analyse haben die 50 größten Unternehmen, die sich auf Longevity spezialisieren, bis 2020 mehr als eine Milliarde US-Dollar an Risikokapital aufgebracht. Der allgemeine Trend weg von Ausgaben für Krankenversorgung hin zu Investments in Wellness und Wohlbefinden soll die wachsende Branche der Langlebigkeit stärken. In Zukunft würde ein Umfeld aus Start-ups über Pharmaunternehmen bis hin zu Aufsichtsbehörden entstehen, heißt es in der Studie.

Seit 2013 forscht etwa das von Google-Mitgründer Larry Page initiierte Unternehmen Calico Life Sciences LCC, das zum Internetkonzern Alphabet gehört, an der Verlängerung von Gesundheitsspanne und Lebenszeit unter anderem mittels Reprogrammierung von Zellen. Einer der neuen Big Player ist das Unternehmen Altos Labs, das zu Jahresbeginn mit einem Startkapital von drei Milliarden US-Dollar im Silicon Valley gegründet wurde. Zu den Geldgebern gehören Amazon-Gründer Jeff Bezos und Investor Yuri Milner. Neben anfänglicher Grundlagenforschung ist das Ziel ebenso die Zellverjüngung mittels Reprogrammierung.

Auch in Europa wird im Bereich Longevity geforscht. In Berlin haben sich Anfang Oktober 2022 erstmals rund 30 Longevity-Start-ups beim "Rejuvenation Start-up Summit" getroffen. Die internationale Zusammenkunft der Verjüngungsbranche war von der Forever Healthy Foundation mit Sitz in Karlsruhe des Internetunternehmers Michael Greve initiiert worden. Er hat sich der Longevity-Branche verschrieben, unter anderem als Investor mit der Risikokapitalgesellschaft Kizoo Technology Capital. Sie konzentriert sich auf Start-ups mit Fokus auf die Umkehrung von altersbedingten Schäden auf zellulärer und molekularer Ebene. Zu ihnen zählen unter anderem das Harvard Spin-off Cellvie oder das Stanford-Spin-out Turn Biotechnologies. Rund 4000 Teilnehmende aus mehr als 30 Ländern sollen beim Summit in Berlin gewesen sein, darunter auch Investmentfirmen wie Apollo Health Ventures mit Sitz in Berlin und Boston. Mit von der Partie war auch das deutsche Biotech-Start-up Mogling Bio, das Medikamente zur Verjüngung blutbildender Stammzellen entwickeln will. Noch im Oktober schloss Mogling Bio seine erste Frühphasen-Finanzierungsrunde mit Michael Greves Kizoo Technology Capital als alleinigem Investor ab. Ebenfalls vor Ort in Berlin war der weltweit erste Longevity Company Builder Maximon, der in der Schweiz ein "Longevity Valley" etablieren will.

Spin-Off der Uni Graz

In Österreich tut sich in puncto Longevity-Startups auf Basis von Zellforschung und Molekularbiologie vergleichsweise wenig. Vor einigen Jahren ist in Graz etwa das Uni-Spin-off Longevity Labs+ entstanden. Geschäftsführer Herbert Pock sieht hierzulande noch Entwicklungspotenzial, was die Longevity-Branche betrifft: "Die USA sind Europa und Österreich einen großen Schritt voraus", sagt er. Dort gebe es mittlerweile bereits eigene Longevity-Gesundheitskliniken. Pocks Unternehmen macht sich die Ergebnisse der Grundlagenforschung zunutze, die in Österreich durchaus erfolgreich betrieben wird. Entsprechende Longevity-Projekte, zum Beispiel von Universitäten, werden etwa vom Wissenschaftsfonds (FWF) finanziell gefördert.

Darüber hinaus macht in Österreich eher die digitale Gesundheitsbranche von sich hören, die ebenfalls auf Longevity-Lösungen setzt. Dazu gehören etwa Eversports oder myClubs, die einen digitalen Zugang zu Sportangeboten liefern. HealthBioCare bietet personalisierte Lebensstilempfehlung an. "Das Thema ist wichtig, wir haben viel Potenzial", sagt Irene Fialka, Managing Director des Programms Health Hub Vienna, das zum universitären Business Inkubator INiTS gehört. Zudem hat sich der Wiener Fonds Calm/Storm Ventures auf digitale Gesundheitstechnologien spezialisiert. Gegründet im Jahr 2020, beteiligte sich der Fonds bisher an 53 europäischen Startups im Digital-Health-Sektor. Der Schwerpunkt liegt auf digitalen Lösungen, die Menschen bei der Pflege eines gesunden Lebensstils unterstützen. "Wir glauben nicht daran, dass man die Lebensjahre mit digitalen Lösungen deutlich steigern kann, aber dass man die letzten Jahre enorm verbessern kann", erzählt Calm/Storm-Mitbegründer Lucanus Polagnoli. Gefördert werden fast nur Ideen in der Frühphase, die noch nicht als Medizinprodukt zugelassen sind. Zu ihnen gehören etwa Mindstep, ein personalisiertes Tool, um das Risiko von Demenz zu minimieren, Skin Cancer Detection zur Früherkennung von Hautkrebs oder Panazee, ein Blutmonitoring-Tool für zu Hause. Österreich hinke in puncto Longevity-Unternehmen extrem hinterher, sagt auch Polagnoli. Es gebe zwar Top-Leute in Wissenschaft und Medizintechnik, aber der lokale Markt sei überschaubar, es fehle an Unterstützung, und erfolgreiche, heimische Start-ups würde es in Richtung USA ziehen. Sich digitale Gesundheitsanwendungen beim Arzttermin auf Rezept zu verschreiben zu lassen, sei in Österreich nicht wirklich möglich. In Deutschland gebe es von der Krankenkasse bezahlte Anwendungen, etwa eine App gegen Rückenschmerzen.

Ist Longevity eine Lifestyle-Erscheinung oder unabdingbar für die Zukunft des Alterns? Zellbiologin Madreiter-Sokolowski begrüßt grundsätzlich, dass weltweit aktuell viel Geld in die Forschung gesteckt wird. Klar sei aber auch, dass Universitäten, deren Forschung weitgehend durch öffentliche Forschungsgelder finanziert wird, kurzfristig finanziell nicht mit den von Milliardären finanzierten Start-ups aus dem Silicon Valley mithalten könnten. Die Frage sei, ob auch von privater Seite die gesamten Forschungsergebnisse wie an Universitäten in Form von öffentlichen Publikationen mit der Allgemeinbevölkerung geteilt würden. Der Alternsforscher und Zellbiologe Jansen-Dürr kritisiert, dass es in der Longevity-Branche im Moment auch "marktschreierische" Versprechungen gebe, die falsche Hoffnungen wecken würden. Wer solide Daten von sich gebe, werde oft weniger gehört als jemand, der Sensationelles verlautbare.

Gesundes Altern

Trotz der Bedenken sind sich die beiden Forschenden darüber einig, dass die internationale Longevity-Forschung noch viele spannende Ergebnisse liefern wird. Eine positive Entwicklung am Longevity-Trend ist Madreiter-Sokolowski zufolge jedenfalls die Bewusstseinsbildung. Die Aufmerksamkeit auf das Thema sensibilisiere Menschen, auf ihre Work-Life-Balance zu achten und Risikofaktoren zu vermeiden oder früher zu erkennen. Jeder einzelne Mensch könne selbst viel tun, um seine Zellen zu schützen, indem er gängige Risikofaktoren weglasse und auf bewährte Methoden wie Sport oder gezielte Ernährungsstrategien setze. Wie man den persönlichen Alterungsprozess hinauszögern kann, weiß Thomas Dorner, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Public Health. Er ist seit 20 Jahren in der Gesundheitsförderungsforschung tätig und leitet seit August die Akademie für Altersforschung am Haus der Barmherzigkeit. Fürs gesunde Altern gibt es ihm zufolge drei bewährte, wissenschaftlich fundierte Regeln: Bewegung plus muskelkräftigende Aktivitäten, nicht mehr Kalorien konsumieren als man verbraucht und soziales Kapital aufbauen. "Dazu gehören enge, persönliche Beziehungen genauso wie soziale Unterstützung, etwa in Form eines Freundeskreises, und das Erleben von Sinnhaftigkeit, zum Beispiel in einem Verein."Auch Alternsforscher Jansen-Dürr sagt: "Lieben, leben und lachen sind mit das Wichtigste, um lange gesund zu leben." Gesundes Altern, hält Dorner fest, heiße: Möglichst gesund durchs gesamte Leben zu gehen. "Man kann in jedem Alter etwas tun, wovon man sofort und für den Rest des Lebens profitiert. Es geht also erstens um die sofortige Wirkung und zweitens darum, Ressourcen für das höhere Alter aufzubauen." Wie steht er zur Longevity-Forschung? "Ich bin gegenüber allem, was auf wissenschaftlicher Evidenz beruht, aufgeschlossen", sagt er. Und er fügt hinzu: "Sollte es einmal ein Medikament geben, das uns Bewegung, ausgewogene Ernährung und soziale Kontakte erspart, wäre das Leben jedoch nicht reicher."

Nicht zuletzt gehen mit dem Longevity-Hype auch ethische, gesellschaftliche und soziale Fragen einher. Wem sollen teure, lebensverlängernde Behandlungen zugutekommen? Wer kann sich diese leisten? "Wir wissen jetzt schon, dass ärmere Menschen kränker sind und weniger lang leben. Diese Ungerechtigkeit würde sich noch verstärken", gibt die Philosophin Uta Müller vom Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) an der Universität Tübingen zu bedenken. Global betrachtet sieht sie eine absurde Situation: "In vielen Ländern kämpfen Menschen um grundlegende medizinische Versorgung, während sich andere überlegen, wie sie noch länger leben können-was ja auch mit einem gesteigerten Ressourcenverbrauch einhergeht." Und auch wenn es natürlich wünschenswert sei, möglichst lange in guter Gesundheit zu leben: Sich beim Alterungsprozess allein auf den Körper zu konzentrieren, werte das Altern gewissermaßen ab. Man müsse den Blick zugleich auf weitere Probleme des Alterns wie Altersarmut oder Einsamkeit richten und letztendlich auch die positiven Seiten des Alterns miteinbeziehen. "Gutes Altern ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit oder ein möglichst hohes biologisches Alter."