Panorama

Mittel gegen die Pensionskluft

Die Pensionsunterschiede zwischen den Geschlechtern ändern sich nur langsam. Frauen, die 2022 in Pension gingen, bekommen nur 67,2 Prozent der Rentenhöhe der Männer.

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Die schlechte Nachricht: Bei den Pensionen klafft immer noch ein großer Abstand zwischen Frauen und Männern. Nach bisher unveröffentlichten Zahlen der Pensionsversicherungsanstalt PVA bekommen weibliche Arbeitnehmer, die im Vorjahr in Ruhestand gingen, im Durchschnitt 1459 Euro brutto als Startpension. Das sind nur 67,2 Prozent der Startpension für Männer in Höhe von 2170 Euro. Der Abstand zwischen Frauen-und Männerpensionen nimmt zumindest im Bereich der Arbeiter und Angestellten langsam ab. Im Jahr 2017 bekamen Erstpensionistinnen im Bereich der PVA bloß 61,4 Prozent des Männerwertes.Nur im Jahr 2020 war der Wert durch einen Sondereffekt mit 59,9 Prozent noch schlechter, weil Männer mit langen Versicherungszeiten und meist hohen Pensionsansprüchen damals kurzzeitig abschlagsfrei in Rente gehen konnten.

Hohe Differenz bei Selbständigen

Bei den Selbständigen ist die Differenz allerdings noch deutlicher: Dort lagen im Jahr 2022 die durchschnittlichen Startpensionen der Frauen nur bei 918 Euro brutto gegenüber 2117 Euro bei Männern. Frauen erhielten also 43,4 Prozent des Männerwertes. Im Jahr 2017 lag die Startpension bei Frauen mit 906 Euro im Mittel fast gleich wie im Jahr 2022. Unter Berücksichtigung der Inflation fallen die Erstpensionen im Jahr 2022 sogar niedriger aus als 2017. Männer konnten dagegen deutlich zulegen: Sie starteten 2017 mit 1838 Euro, 2022 lagen die Anfangspensionen immerhin 279 Euro höher. Die Ursachen der extremer werdenden Unterschiede im Bereich der Sozialversicherung der Selbständigen wurden bisher nicht ausreichend untersucht. Ein Grund könnte die Doppelwirkung der Pensionsreform 2003 mit der Einführung des Pensionskontos sein.

Davor galt das Prinzip der besten 15 Jahre. Da fielen für Frauen, die länger Vollzeit gearbeitet haben, die schlechten Teilzeitgehälter oft unter den Tisch. Auch bei Selbständigen mit oft sehr unterschiedlichen Jahreseinkommen wurden schwache Jahre gestrichen. Beim Pensionskonto, das für alle gilt, die ab dem 1. Jänner 1955 geboren sind, zählt dagegen jedes Jahr. Das führt dazu, dass die Pension die gesamte Erwerbskarriere berücksichtigt. Mit Kürzungen gegenüber dem alten Pensionsrecht müssen vor allem diejenigen rechnen, die längere Zeit wenig verdienen, etwa wegen Teilzeitarbeit zur Kinderbetreuung, aber auch wegen Jahren mit schwachem Einkommen. Und diese Effekte vergrößern sich mit der Zeit: Wer jetzt in Pension geht, bekommt eine Mischpension aus den Zeiten vor und nach der Pensionsreform. Mit jedem weiteren Kalenderjahr vergrößert sich der relative Einfluss des neuen Pensionsrechts auf die Startpensionen.

Verzinsung verstärkt Pensionskluft

Auch die Zinsen bei den unterschiedlichen Gehältern verstärken die Kluft. Wer dieses Jahr nur in Höhe der Mindestbeitragsgrundlage von 500,91 Euro monatlich verdient, erhält für das Jahr 2023 eine Gutschrift am Pensionskonto in Höhe von 8,92 Euro. Bei einem Gehalt an der Höchstbeitragsgrenze von 5850 Euro steigt das Pensionsguthaben um 104,13 Euro, also um mehr als das Zehnfache. Anders ausgedrückt: Zehn Jahre Mindestbeitrag bringen für die spätere Pension weniger als ein einziges Jahr mit einem Spitzengehalt. Die aufsummierten Guthaben am Pensionskonto werden jedes Jahr verzinst. Die Höhe der Verzinsung zum 1. Jänner 2023 hing von der Entwicklung der Durchschnittseinkommen pro Kopf im Jahr 2021 gegenüber dem Jahr 2020 ab. 2021 lag die Aufwertung bei den noch Erwerbstätigen bei 3,1 Prozent. Bei den Pensionisten fiel die Pensionserhöhung, die sich an der Inflation orientiert, mit 5,8 Prozent deutlich höher aus.

Eine Möglichkeit zur Erhöhung der Frauenpensionen ist das Pensionssplitting in Zeiten der Kindererziehung. Dabei kann durch einen freiwilligen Antrag in den ersten sieben Lebensjahren des Kindes ein Teil der Gutschriften des besserverdienenden Partners auf den anderen übertragen werden. Der Antrag kann spätestens bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres gestellt werden. Grundsätzlich ändert das nichts am gesamten Pensionseinkommen eines Paares, das zusammenbleibt-im Fall einer Scheidung allerdings schon. Weil bisher wenige Paare das Pensionssplitting nutzen, soll es zur Norm werden. Bisher konnte sich die Regierung aber noch auf kein Modell einigen. Klaudia Frieben, Vorsitzende der überparteilichen Dachorganisation Österreichischer Frauenring: "Ein automatisches Pensionssplitting kann nur eine Teillösung sein. Es sollte freiwillig bleiben."

Streitpunkt Pensionsantrittsalter


Eine andere Möglichkeit ist, dass Frauen länger arbeiten als gesetzlich vorgeschrieben. Frauenring-Vorsitzende Frieben: "Das passiert in der Praxis auch. Viele Frauen sehen, dass sie mit ihrer niedrigen Pension sonst nicht über die Runden kommen." So gingen laut jüngsten Berechnungen Frauen im Bereich der Pensionsversicherungsanstalt im Jahr 2022 durchschnittlich mit 60,6 Jahren in die Alterspension. Zum Vergleich: Bei Männern lag dieser Wert im Jahr 2022 bei 63,2 Jahren, also rund zweieinhalb Jahre später. Ab 2024 wird sich das gesetzliche Antrittsalter von Frauen schrittweise von 60 auf 65 erhöhen. Winfried Pinggera, Chef der Pensionsversicherungsanstalt: "Wir gehen davon aus, dass durch die Anhebung des Regelpensionsalters der Frauen sich der tatsächliche Pensionsantritt an den der Männer annähert. Wenn Frauen in rund zehn Jahren ebenso im Schnitt mit etwa 63,2 Jahren in Pension gingen, würde das dazu führen, dass Frauen im Durchschnitt um 130 Euro mehr Pension erhalten, berechnet nach heutiger Kaufkraft." Außerdem könnten manche Frauen noch zusätzliche Karriereschritte machen, was die Pensionsunterschiede verringern könnte.

Für Frauenring-Vorsitzende Frieben wirft das ein weiteres Problem auf: "Wer beschäftigt noch Frauen im Alter? Der Arbeitsmarkt ist trotz der Klagen über zu wenig Facharbeiter nicht darauf vorbereitet, Frauen länger zu beschäftigen. Wir müssen jetzt an ganz vielen Schrauben drehen, um die Frauenpensionen langfristig anzugleichen." Der Frauenring will deshalb junge Frauen animieren, in eine gute Ausbildung für Berufe mit guten Einkommenschancen zu investieren. Außerdem, so Frieben, "bleibt ein großer Teil der Pflege an den Frauen hängen",und das oft unbezahlt. Betroffene können sich die Pflegezeiten naher Angehöriger für die Pension zumindest anrechnen lassen. Für ein Jahr Pflege und entsprechend für Kindererziehungszeiten werden am Pensionskonto dieses Jahr monatlich 1,78 Prozent von 1792 Euro 14 Mal jährlich, also 31,90 Euro gutgeschrieben. Und das gegebenenfalls zusätzlich zum Einkommen. Der Haken: Pflegezeiten müssen extra beantragt werden und zwar spätestens ein Jahr rückwirkend.

Work-Life-Herausforderungen

Ein entscheidender Faktor für die niedrigen Frauenpensionen ist längere Teilzeitarbeit nach Ablauf der ersten vier Jahre Kindererziehung, die wie erwähnt extra honoriert wird. Das zeigt sich auch bei der Entwicklung der durchschnittlichen Guthaben auf dem Pensionskonto. Nach Zahlen aus dem Jahr 2020 haben 30-bis 34-jährige Frauen noch 89 Prozent des Guthabens gleichaltriger Männer. Bei 55 bis 59-Jährigen sinkt der Wert auf 69,9 Prozent. Oft ist die Teilzeit unfreiwillig, weil gerade am Land zu wenig Kinderbetreuung verfügbar ist. Selbst wenn es in Zukunft mehr Nachmittagsbetreuung gibt, sieht Pensionsversicherungsanstalts-Chef Pinggera aber ein neues Problem: "Unter dem Schlagwort der Work-Life-Balance wollen verstärkt Frauen ohne Betreuungspflichten nicht mehr Vollzeit arbeiten. Auch wenn es derzeit einen Aufholprozess bei der Höhe der Frauenpensionen gibt, könnte uns das in 15 Jahren wieder zusätzliche Probleme bei der Pensionshöhe bereiten".