Panorama

Warum Österreich noch immer ein Bargeldland ist

Bargeld ist nach wie vor das beliebteste Zahlungsmittel. Obwohl der Trend zu bargeldlosem Zahlen geht, hält der Staat an Scheinen und Münzen fest.

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Österreich ist ein Land der Traditionen – auch wenn sich einige davon eigentlich überlebt haben. Eine davon ist die Vorliebe für Bezahlen mit Bargeld. Ging die Verwendung von Bargeld in den letzten Jahren vorübergehend zurück, unter anderem aufgrund der Pandemie, so stieg im vergangenen Jahr die Nutzung von Scheinen und Münzen wieder leicht an. Laut den Zahlen der Münze Österreich wuchs der Banknotenumlauf um 6,5 Prozent bei den Stückzahlen auf zuletzt 28,19 Milliarden Stück Banknoten im Wert auf 1544,37 Milliarden Euro mit Ende 2021. Die Banken haben ihre Euro-Bargeldhaltung in den vergangenen fünf Jahren vervierfacht – von 3,0 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf 12,2 Milliarden Euro 2021.

Die wichtigsten Argumente für das Bezahlen mit Bargeld bringt Gerhard Starsich, Generaldirektor der Münze Österreich, auf den Punkt: "Barzahlungen sind sicher, weil keine Gefahr von Hackerangriffen oder Phishing-Attacken besteht. Sie sind auch schnell, weil Zahlungen einfach erledigt sind, ohne Login-Vorgänge oder Code-Anforderungen, und sie sind günstig, weil für die Transaktionen keine Gebühren anfallen. Bargeld kostet Endkonsumenten nichts." Digitale Bezahlmethoden hingegen kosten Geld-egal ob via Handy oder Kreditkarte. Bei Zahlungen mit Kreditkarten entrichten Händler eine Gebühr für das Kartenlesegerät und die Transaktion. Starsich: "Damit entstehen dem Händler Kosten, und es muss gefragt werden, wer diese letztlich bezahlt. Der Kunde?"

Bargeldlos in der Pandemie

Dennoch kommt im bargeldlosen Bereich einiges in Bewegung. Die Corona-Pandemie hatte großen Einfluss auf das Bezahlverhalten. Die Kunden sind es vom Online-Handel oder Supermärkten gewohnt, dass sie kein Bargeld mehr brauchen: "Laut einer 2022 durchgeführten Studie unseres Partners Erste Bank mit 750 Befragten zahlen mittlerweile 82 Prozent gelegentlich mit Karte oder digital",erklärt Mario Mathera, Country Manager Global Payments Österreich. Weniger als die Hälfte (46 Prozent) der Österreicher nutzen bevorzugt Bargeld. 39 Prozent bezahlen vorwiegend oder ausschließlich mit Karte oder digital. Rund 15 Prozent nutzen beide Zahlungsarten ähnlich häufig. Zwei Prozent verzichten vollständig auf Bargeld. Zudem verliert Bargeld auch als Notgroschen seine Bedeutung: Knapp ein Drittel der Befragten hat kein Bargeld mehr zu Hause.

Für die Ausgeglichenheit zwischen Bargeld-und Kreditkartenzahlung kommt Unterstützung. Finanzminister Magnus Brunner, der laut eigenen Aussagen zu 50 Prozent die Karte beim Bezahlen zückt, ist ein Fürsprecher für Bargeld. Für ihn ist die Entscheidungsfreiheit beim Bezahlen wichtig. "Ein Großteil die Österreicherinnen und Österreicher verwendet Bargeld noch lieber als die Karte, das sollte auch so bleiben können. Für uns ist klar, dass Bargeld bleibt, und wir setzen uns auf allen Ebenen dafür ein. Auch auf europäischer Ebene."Dass das auch Österreicher so wollen, zeigt das Volksbegehren "Für uneingeschränkte Bargeldzahlung", das im September 2022 von mehr als 530.000 Menschen unterschrieben wurde.

Ich bin prinzipiell gegen Obergrenzen. Bargeld ist ein wichtiger Teil unserer Identität in Europa.

Magnus Brunner

Finanzminister (ÖVP)

Die von den EU-Staaten geforderte Obergrenze bei Bargeldzahlungen in Höhe von 10.000 Euro im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unterstützt der Finanzminister nicht: "Ich bin prinzipiell gegen Obergrenzen. Bargeld ist ein wichtiger Teil unserer Identität in Europa, deswegen muss Bargeld auch mit der digitalen Möglichkeit, der Kartenmöglichkeit, einhergehen."

Weniger Bezahlterminals als in anderen Ländern 
 

Wo stehen die Österreicher im Vergleich zu anderen europäischen Ländern? Wird einem doch das Bezahlen mit Karte in Österreich oft nicht leicht gemacht. Laut einer aktuellen Erhebung von Global Payments gibt es nur 15 Bezahlterminals pro 1000 Einwohner. "Mit dieser Terminaldichte liegt Österreich knapp vor Deutschland und Slowenien mit im Schnitt zwölf Terminals pro 1000 Einwohner und zählt damit zu den europäischen Schlusslichtern",bekräftigt Global-Payments-Chef Mario Mathera. Spitzenreiter sind die Urlaubsländer Griechenland (72 Terminals pro 1000 Einwohner) und Spanien (46 Terminals pro 1000 Einwohner). Zwar ist die Terminaldichte während der Pandemie auch in Österreich gestiegen, aber das Wachstum war deutlich verhaltener als in anderen europäischen Ländern.

Wenn schon Karte, dann Bankomatkarte-das scheint das Motto zu sein. Immerhin liegt die Bekanntheit der Bankomatkarte bei 99 Prozent und ihre Nutzung bei 96 Prozent, ergab eine Umfrage des Gallup Instituts im Auftrag von Mastercard Austria. Auch das kontaktlose Bezahlen mit der Bankomatkarte über NFC-Technologie ist 94 Prozent der Befragten geläufig, 65 Prozent geben an, kontaktlos zu bezahlen. Neuere bargeldlose Bezahltechnologien wie Mobile Payment über beispielsweise Apple Pay oder Wearables kennen zwar 63 Prozent beziehungsweise 32 Prozent der Befragten, genutzt werden sie jedoch erst von 18 Prozent oder 4 Prozent.

Bargeld und Privatsphäre

Haben bargeldlose Bezahlmöglichkeiten bei Handelsketten, bekannten Restaurants und in Tourismusregionen ihren fixen Platz, so wird von kleinen Geschäften oder Gasthäusern nach wie vor keine Möglichkeit zur bargeldlosen Zahlung angeboten. Vor der Pandemie bestand für viele schlicht keine Notwendigkeit, sich mit bargeldlosen Lösungen auseinanderzusetzen. "Neue Lösungen gehen zudem mit Investitionen einher, und davor schrecken einige, besonders kleine Unternehmen, zurück. Dazu kommen die Gebühren für bargeldlose Bezahlmöglichkeiten. Dabei fallen je nach Kartentyp Gebühren ab rund 0,30 Prozent pro Buchung an. Das ist im Grunde eine kleine Gebühr, wenn man bedenkt, dass Bezahlterminals im Schnitt ein Umsatzwachstum von 18 Prozent bringen. Die Kunden geben mit Karte mehr aus als mit Bargeld",so Mathera von Global Payments.

Digitale Zahlungen sind eine reichhaltige Datenquelle, die Erkenntnisse über Konsumgewohnheiten und finanzielle Situation einer Person liefern kann. Dafür sind nicht notwendigerweise personenbezogene Daten (welche datenschutzrechtlich geschützt sind) erforderlich, wie eine Studie der AAAS (American Association for the Advancement of Science, 2015) belegt: Forscher konnten 90 Prozent von 1,1 Millionen Kreditkarteninhabern allein anhand ihrer "anonymisierten" Kartentransaktionen im Zeitraum von drei Monaten identifizieren. Dabei griffen sie auf Tag und Ort des Einkaufs zurück, jedoch nicht auf personenbezogene Daten wie Namen oder Kartennummer. Wolfie Christl vom österreichischen Forschungsinstitut Cracked Labs macht darauf aufmerksam, dass PayPal berechtigt ist, Daten mit 600 Organisationen zu teilen, darunter Banken, Kartennetzwerke, Auskunfteien und Betrugsbekämpfungsbehörden, Anbieter von Finanzprodukten, Vertriebsund PR-Gesellschaften, eigene Konzernunternehmen, Geschäftspartner wie eBay, Aufsichtsbehörden und Finanzmarktregulatoren.

Eine weitere kritische Stimme ist Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen. "Für viele wird es immer schwieriger, sich das Geld richtig einzuteilen. Bargeldloses Zahlen animiert dazu, mehr zu kaufen. Die Karte ist rasch gezückt, das böse Erwachen kommt oft erst später",argumentiert Mitterlehner. Wer mit Bargeld zahlt, behält besseren Überblick über die Ausgaben, so Mitterlehner, denn "anders als bei der bargeldlosen Zahlung verursacht jeder Geldschein, der aus der Geldbörse genommen wird, eine Art Trennungsschmerz. Es lässt sich damit im wahrsten Sinn des Wortes deutlicher "be-greifen",dass soeben 20 oder 50 Euro ausgegeben wurden-möglicherweise für etwas, das gar nicht nötig war." In der Schuldenberatung wird daher geraten, möglichst viel mit Bargeld zu bezahlen und die Karte daheim zu lassen, um Spontankäufe zu vermeiden.