Stefan Kaineder

Kaineder: "Der Billigflugsektor hat sich überlebt"

Stefan Kaineder, stellvertretender Bundessprecher der Grünen, über die Notwendigkeit einer Steuer auf Flugreisen und über Nachtzüge nach Livorno.

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profil: Die Grünen befürworten eine CO2-Steuer, die auch auf Flugreisen gelten soll. Wie hoch soll die sein? Kaineder: Die genaue Höhe einer Flugticket-, Kerosin-oder CO2-Steuer kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, was das Ziel ist: Umweltfreundliche Mobilität soll steuerlich entlastet, umweltschädigende Mobilität soll belastet werden.

profil: Das Ziel einer solchen Steuer ist, dass weniger Leute fliegen, nicht? Kaineder: Nicht nur. Wir wollen nicht, dass die Menschen nicht mehr reisen, sondern wir brauchen eine Infrastruktur, die umweltverträglich ist. Wir brauchen Nachtzüge und Schnellzugverbindungen durch ganz Europa. Dafür brauchen wir auch Geld.

profil: Mal abgesehen von der Verwendung der Steuereinnahmen: Derzeit fliegen viele Leute nach Mallorca, nach Hurghada. Das sollen sie nicht mehr tun, oder? Kaineder: Ja, aber das Ziel kann nicht sein, dass die Menschen dann keinen Urlaub mehr machen.

Momentan kostet der Nachtzug in die Toskana das x-Fache eines Flugtickets nach Mallorca.

profil: Bei einer Besteuerung von 40 Euro pro Tonne CO2 wäre ein Flug nach Hurghada um 64 Euro teurer, bei einer Besteuerung von 180 Euro - das entspricht der Empfehlung des deutschen Umweltbundesamtes - um fast 290 Euro. Da würde eine Familie dann wohl nicht mehr fliegen … Kaineder: … sondern in den Nachtzug nach Livorno steigen und dort das Meer genießen. Genau das ist der Punkt. Momentan kostet der Nachtzug in die Toskana das x-Fache eines Flugtickets nach Mallorca. Da geht es nicht darum, irgendwem das Fliegen zu verbieten, sondern dass am Ende alles den Preis hat, den auch die Gesellschaft dafür zahlen muss.

profil: Wie man es auch dreht: Viele Leute werden sich die Flugreise, die sie heute machen, nicht mehr leisten können. Kaineder: Und jetzt können sich viele den Nachtzug nicht leisten. Das müssen wir ändern. Das Spannende ist, dass es in der Bevölkerung bereits ein großes Umdenken gibt. Der gesamte Billigflugsektor hat sich überlebt. Die Menschen ziehen es mittlerweile vor, ein Wochenende in die Berge zu fahren, in der Nähe zu bleiben und regionale Angebote zu nutzen. Der Staat soll die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Leute einen erholsamen Wochenendurlaub genießen können und dass die klimaschonenden Angebote billiger werden.

profil: Wenn die Massen, die bisher mit Billigfliegern gereist sind, in Züge umsteigen sollen, muss die Infrastruktur enorm ausgebaut werden. Das dauert viele Jahre. Kaineder: Nein. Die Nachtzugverbindungen könnte man mit zusätzlichem Wagenmaterial sehr rasch erweitern. Die Schienen werden nachts kaum benützt. Die Lenkungseffekte durch eine Steuerreform greifen natürlich erst mittelfristig. Aber die Menschen erwarten, dass etwas gegen den Klimawandel getan wird und dass auch an den großen Rädern gedreht wird.

profil: Pro Tag fliegen in Europa 36.000 Flugzeuge - um deren Passagiere in Eisenbahnen zu setzen, braucht es mehr, als ein paar Züge zu kaufen. Kaineder: Logisch. Aber wenn viele Menschen mit dem Zug zum Beispiel nach Spanien fahren wollen, werden auch neue Angebote entstehen, das ist ein Henne-Ei-Problem. Die Politik muss sich darum kümmern, dass in Sachen schonender Mobilität jetzt mal die Henne ein Ei legt.

Die Titelgeschichte: Der böse Tourist

Das Reisen ist in Verruf geraten. Als Massentouristen werden wir alle zur gravierenden Belastung: für das Weltklima, die Umwelt und nicht zuletzt die einheimische Bevölkerung an besonders beliebten Destinationen. Was getan werden muss, um uns einzubremsen – und warum wir trotzdem nicht zu Hause bleiben sollten, lesen Sie in der profil-Titelgeschichte 29/2019.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur