Feldarbeiter in Spanien
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Warum Ausbeutung in Österreichs Landwirtschaft kaum bestraft wird

Die EU will Bauern, die Arbeiter ausbeuten, Förderungen kürzen. In der Praxis zeigen die Maßnahmen kaum Wirkung. Nur ein einziger Betrieb in Österreich wurde bislang sanktioniert. Was läuft schief?

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Juni im Burgenland: Auf weiten Feldern treffen Aktivistinnen der Kampagne „sezonieri“ auf rund 50 Saisonarbeiter aus Serbien und Rumänien. Keiner wird nach Kollektivvertrag bezahlt, Toiletten oder Pausenräume gibt es auf den Feldern nicht. Die Vorarbeiterin drängt: Weiterpflücken. Regen ist angesagt, die Zeit drängt.

„Lohnraub, Akkordlohn bei Regen, Kündigungen im Krankenstand, Schwangerschaft als Risiko“, zählt Aktivistin Sónia Melo auf. Unterstützt wird die Kampagne von der Gewerkschaft Pro-Ge und der Arbeiterkammer. Neu hinzugekommen ist das Problem der Hitze: In den Glashäusern Wiens werden Temperaturen von 48 Grad gemessen – gearbeitet wird trotzdem zehn bis zwölf Stunden täglich.

Szenenwechsel: Am Wiener Arbeits- und Sozialgericht wird im heurigen Februar ein Fall von Lohn- und Sozialdumping verhandelt. Mehrere rumänische Arbeiter klagen einen Wiener Gärtnereibetrieb: Sie mussten häufig mehr als zehn Stunden schuften und bekamen dafür weder den vollen Lohn noch Urlaubsgeld. Die Stimmung im Gerichtssaal ist angespannt – es geht um mehrere tausend Euro. In der letzten Reihe sitzen Aktivisten der „sezonieri“-Kampagne, um die Arbeiter zu unterstützen. Sie befürchten jedoch, dass der Prozess auch Folgen für andere Bekannte der Kläger haben könnte: Diese könnten von den Betrieben in der Gegend nicht mehr beschäftigt werden.

Die Landwirtschaft in Österreich und ganz Europa ist stark auf billige Saisonarbeitskräfte angewiesen. „Saisonkräfte leisten einen unverzichtbaren Beitrag in der österreichischen Landwirtschaft, insbesondere in arbeitsintensiven Bereichen“, so das Landwirtschaftsministerium (BMLUK) gegenüber profil. „Die Ziele der europäischen Landwirtschaftspolitik umfassen auch soziale Nachhaltigkeit, davon sind auch saisonale Arbeitskräfte nicht ausgenommen.“

Im Supermarkt werden auf Etiketten von Obst und Gemüse gerne idyllische Bauernbetriebe gezeigt – unsichtbar bleiben die 50 Arbeiter, die für eine 70-Stunden-Woche 1000 Euro pro Monat erhielten. Diese Saisonkräfte haben meist keine Lobby, kommen nur für die Dauer der Ernte und laufen Gefahr, ausgebeutet zu werden.

Die EU wollte das ändern, indem sie die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft verbessert und Verstöße ahndet. Doch die Praxis zeigt: Die Sanktionen sind schwach, die Strafen oft lächerlich niedrig. Das ergab eine internationale Recherche, an der mehrere Medien in Europa beteiligt waren, darunter auch profil.

Der Klimawandel verschärft die Situation zusätzlich. Ernten fallen früher an, die Arbeitsbelastung steigt. Saisonarbeiter werden zu Zeiten benötigt, zu denen heimische Arbeitskräfte nicht verfügbar sind. Das führt dazu, dass immer mehr Arbeiter aus Nicht-EU-Staaten nach Österreich kommen, um Gemüse und Obst zu ernten. Tragische Beispiele zeigen die Risiken: Im August starb ein 61-jähriger rumänischer Erntehelfer während der Fruchternte in Spanien. In Italien kollabieren jedes Jahr migrantische Arbeitskräfte auf den Feldern. In Österreich kommt so etwas seltener vor, aber auch hier gab es Todesfälle: 2018 starb ein Tiroler Erntehelfer während der Arbeit.

Mehr Rechte für Arbeiter

Zur Unterstützung der Landwirtschaft fließen EU-Gelder in großer Höhe: Viele Betriebe erhalten Flächenprämien von mehreren Hunderttausend Euro. Seit 2023 sind diese Zahlungen in Österreich an die Einhaltung sozialer Mindeststandards gekoppelt. Das nennt sich „soziale Konditionalität“. Arbeitgeber müssen Dienstscheine ausstellen, Arbeitszeiten dokumentieren und Maßnahmen zur Arbeitssicherheit umsetzen.

Eine beratende Kommission im BMLUK empfahl Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) jüngst, gegen „inakzeptable Arbeitsbedingungen“ vorzugehen. Auch die Vertreterin der Wirtschaftskammer unterstützte den Antrag, so das Protokoll vom 17. Juli 2025, das profil vorliegt. Einzig ÖVP und Landwirtschaftskammer sprachen sich dagegen aus. Der offizielle Bericht über den Zustand der Landwirtschaft in Österreich im Jahr 2025 enthält nur eine Empfehlung für die Weiterentwicklung der sozialen Konditionalität, aber keine Verpflichtung.

Recherchen zeigen, dass Förderungen auch ohne die Knüpfung an soziale Standards ausbezahlt werden. Die Berichte über Kontrollen sind uneinheitlich und die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern zersplittert. Überprüfungen abseits der sozialen Konditionalität im EU-Agrarförderprogramm würden von der Agrarmarkt Austria (AMA) durchgeführt, erklärt die Agrarökonomin der Arbeiterkammer Maria Burgstaller. So könnten Risiko-Betriebe identifiziert und sanktioniert werden, ohne Gerichtsurteil. Diesen Modus fordert sie auch für die Kontrolle der sozialen Konditionalität.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.