Glücksspiel: Wie sich drei Länder Millionenbeträge vom Bund sicherten
Das entscheidende Pokergame fand an einem Frühlingstag im Jahr 2010 statt: Vier Landeshauptleute rangen mit dem damaligen Finanzminister Josef Pröll um die Zustimmung zum neuen Glücksspielgesetz, welches das Automatenglücksspiel schärfer reglementieren sollte. Jene Länder, die das "kleine Glücksspiel“ erlaubt hatten, fürchteten um ihre Einnahmen. Deshalb wurde hoch gepokert. Die Landesfürsten forderten vom Bund Garantiebeträge in Millionenhöhe, sollten die Abgaben nach der neuen Regelung unter das bisherige Niveau fallen. Denn die im neuen Glücksspielgesetz verankerte Landesabgabe in der Höhe von 15 Prozent der Jahresspieleinnahmen (vor Umsatzsteuer) jeder legalen Slotmachine erschien ihnen nicht hoch genug.
Irgendwann muss der damalige Finanzminister Josef Pröll gemerkt haben, dass er die schlechteren Karten hielt. In seiner Not stimmte er hohen "Garantiebeträgen“ in einer Novelle zum Finanzausgleichsgesetz zu. Niederösterreich und der Steiermark wurde ein jährlicher "Ausgleichsbetrag“ von jeweils knapp 20 Millionen Euro zugesagt. Wien, wo damals mit rund 3500 Geräten die meisten Glücksspielautomaten standen, erhielt mit 55 Millionen die höchste Ausfallsgarantie. Kärnten mit 700 Geräten immerhin noch mehr als acht Millionen.
Getrickst haben offenbar alle vier Landeschefs, wie sich jetzt herausstellt. Und die Steuerzahler dürfen die neue Glücksspielregelung mitfinanzieren.
"Garantie ausgehandelt"
Die Grazer Anwältin Julia Eckhart, die Glücksspielanbieter vertritt, hat die eigenwillige Geldbeschaffung penibel dokumentiert: "Die Bundesländer haben sich für ihre Zustimmung zum neuen Glücksspielgesetz vom Finanzministerium eine Garantie ausgehandelt. Sobald sie aus dem Glücksspiel weniger als erwartet einnehmen, springt der Bund ein und überweist den Ländern vorher fix vereinbarte Millionenbeträge.“
Aus dem Bundesbudget floss seither viel Geld, zunächst nur in jene zwei Bundesländer, welche die neue Glücksspielregelung als Erste eingeführt hatten: Niederösterreich kassierte in den Jahren 2014 und 2015 neun respektive acht Millionen Euro vom Bund, Kärnten erhielt im Vorjahr drei Millionen.
In der Steiermark, wo erst seit Jahresbeginn die neue Regelung gilt, darf sich das Land auf ähnliche Beträge wie in Niederösterreich freuen. Denn die Landesregierung in Graz hat sich vom Finanzministerium einen Garantiebetrag von 18,1 Millionen Euro jährlich gesichert. Nur Wien nahm sich selbst aus dem Spiel: Für die Bundeshauptstadt, wo bis Ende 2014 mit bis zu 4000 Geräten die meisten Automaten in Betrieb waren, machte der Garantiebetrag vom Bund 55 Millionen Euro aus. Da aber mit Ende 2014 alle Glücksspielautomaten (mit Ausnahme jener der Casinos Austria) aus der Hauptstadt verbannt wurden, erhält Wien seit 2015 keine Ausgleichsbeträge mehr vom Bund.
Oberösterreich und das Burgenland haben neue Landeslizenzen für das Glücksspiel erst später vergeben und erhalten daher keine Ausgleichsbeträge vom Bund.
Der damalige Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) hat den Angaben aus den Bundesländern über deren hohe Glücksspieleinnahmen offenbar ohne große Kontrolle vertraut. Aber ohne Zustimmung der Länder hätte er das neue Gesetz nicht durchgebracht.
9,2 Millionen Euro für Niederösterreich
Wer damals beim Poker gewonnen hat, steht inzwischen fest: Die tatsächlichen Einnahmen der Länder liegen nämlich nur bei der Hälfte der Garantiebeträge. So hat Niederösterreich nach Angaben der Finanzabteilung der Landesregierung im Jahr 2014 rund zehn Millionen Euro an Abgaben auf Automaten kassiert. 9,2 Millionen Euro bekam Niederösterreich daher vom Bund überwiesen. Im Vorjahr flossen auf diese Weise immerhin weitere 8,5 Millionen ins Landesbudget. Landeshauptmann Erwin Pröll hat mit seinem Neffen, dem damaligen Finanzminister Josef Pröll, offenbar am besten verhandelt.
"Damit subventioniert der Steuerzahler die Existenz der drei Anbieterfirmen in der Steiermark und dem einzigen Anbieter in Niederösterreich, Novomatic“, feixt der Chef des Automatenverbandes, Helmut Kafka. "Die Landeshauptleute haben damals Finanzminister Pröll offenbar über den Tisch gezogen. Denn jetzt hängen die Automaten am Bundesrechenzentrum und die früheren Angaben über riesige Umsätze erweisen sich als Märchen.“
Glücksspielexpertin Eckhart hat in der gesetzlichen Regelung, die vorläufig bis 2017 gilt, weitere Schwachstellen entdeckt. Denn die Länder erhalten die vollen Garantiebeträge vom Bund nur unter strengen Auflagen: So darf die Zahl der betriebenen Spielautomaten nicht sinken oder der erlaubte Landeszuschlag nicht unterschritten werden. Sonst wird der Beitrag des Bundes aliquot gekürzt. Das heißt: "Die finanzielle Belohnung der Bundesländer sinkt, je mehr der Spieler zur Kasse gebeten wird und je weniger Automaten aufgestellt werden.“ (Eckhart)
Im Finanzministerium wird auf Anfrage von profil betont, dass im Glücksspielgesetz sehr wohl die Zahl der Automaten reduziert und der Spielerschutz verstärkt wurde. Doch die damals zeitgleich beim Finanzausgleich vereinbarten Garantiebeträge seien Ergebnis der harten Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gewesen. Schließlich habe sich die Gesetzeslage beim Glücksspiel mitten in der ausverhandelten Finanzausgleichs-Periode geändert. Daher habe - so ein Experte im Finanzministerium - der Bund Vorsorge treffen müssen, dass einzelne Bundesländer nicht den vollen Ausgleichsbetrag vom Bund kassieren, indem sie etwa die Einnahmen absichtlich drosseln.
Die bereits laufenden Verhandlungen über die neue Budgetmittelverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nach 2017 werden in diesem Punkt schwierig. Länder, die Garantiebeträge vom Bund haben, wollen darauf nicht ersatzlos verzichten.
Nach Ansicht der auf Glücksspielrecht spezialisierten Juristin Eckhart hält die Republik Österreich die EU-Auflagen zur Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols nicht ein: "Ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Regelungen dem Spielerschutz und der Kriminalitätsbekämpfung, nicht aber der Maximierung der Staatseinnahmen dienen.“
Denn eigentlich müsste der fiskalpolitische Anreiz darin bestehen, dass Bundesländer im Finanzausgleich belohnt werden, wenn sie weniger Automaten aufstellen oder wenn die Einsatz- und Gewinngrenzen unter dem gesetzlich zulässigen Limit liegen. Die damals im Finanzausgleichsgesetz (§ 22) verankerte Regelung sieht dies nicht vor.