Lkw·s am Grenzübergang Kufstein

Güterverkehr: Freie Fahrt für CO2-freie Brummer

Der Güterverkehr auf der Straße muss ein Drittel der Treibhausgasemissionen einsparen. Wie soll das gelingen?

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Alexander Vlaskamp hat große Pläne: Ab nächstem Jahr sollen die ersten Fernverkehrs-Lkw mit Elektroantrieb über die Straßen Europas donnern. Mit einer Tages-reichweite von 800 Kilometern. Vlaskamp ist Chef des Lastwagenherstellers MAN und überzeugt, diese Steilvorlage hinzukriegen. „Der Zeitplan lässt sich halten, wir waren mit den Fahrzeugen schon in der Wintererprobung. Da sind wir sehr guter Dinge“, sagt Vlaskamp in der aktuellen Folge des profil-Podcasts Tauwetter. Damit räumt er auf mit der Klage, E-Fahrzeuge würden bei kalten Temperaturen häufig liegen bleiben. Aber wie soll ein 40 Tonnen schwerer Laster 800 Kilometer schaffen, wenn man bei E-Autos von solchen Reichweiten nur träumen kann? „Der Vorteil ist: Der Lkw ist größer. Statt der Tanks und des Motors montieren wir Batteriepakete“, erklärt Vlaskamp. Für die 800 Kilometer ist freilich eine Zwischenladung notwendig: „Der Fahrer muss sowieso nach viereinhalb Stunden eine Pause machen, in der Zeit kann er nachladen“, so der MAN-Chef.

Noch ist der Lkw-Verkehr voll auf Diesel eingestellt. Geht es nach der EU, soll sich das ändern: Sie schreibt vor, dass schwere Nutzfahrzeuge bis 2030 mindestens 30 Prozent an CO2 einsparen müssen. Auch Österreich plant, den Güterverkehr klimaneutral zu machen. Der im März von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) präsentierte „Masterplan Güterverkehr 2030“ steht unter dem Motto „Vermeiden, verlagern, verbessern“. Wie schaut es also aus mit der Ökologisierung des Güterverkehrs?

Um es vorwegzunehmen: sehr bescheiden. Der Lkw-Verkehr hat in den vergangenen Jahren sowohl europaweit wie auch in Österreich massiv zugenommen. Die Treibhausgasemissionen des Straßengütertransports haben sich seit dem Jahr 1990 in Österreich mehr als verdoppelt.

Ein 40-Tonner belastet die Straße so stark wie 60.000 Pkw.

Christian Gratzer

VCÖ

Nicht konkurrenzfähig

Schiene statt Verkehrslawine: Das wird seit Jahrzehnten getrommelt, passiert ist freilich nichts. Der Anteil der per Bahn transportierten Güter stagniert bei rund 100 Millionen Tonnen pro Jahr. 2022 ging er im Vergleich zum Jahr davor sogar leicht zurück. Dass bei der Verlagerung auf die Schiene kaum was weitergeht, hat mehrere Gründe. „Wenn ein Zug quer durch Europa fährt, muss mehrmals der Lokführer gewechselt werden, weil sie der jeweiligen Landessprache kundig sein müssen. Auch die Lok muss gewechselt werden, weil es unterschiedliche technische Systeme gibt“, sagt Christian Gratzer von der Mobilitätsorganisation VCÖ. Für dieselbe Strecke auf der Straße benötigt man dagegen nur einen Fahrer und ein Fahrzeug. Dazu kommt, dass die sozial- und arbeitsrechtlichen Standards bei der Schiene hoch sind. Im Lkw-Verkehr werden diese zu häufig nicht eingehalten, so Gratzer. Das alles führe dazu, dass die Bahn wirtschaftlich oft nicht konkurrenzfähig ist.

Dass Österreich dennoch beim Schienenverkehr, gemessen an den Tonnenkilometern pro Kopf, im EU-Vergleich den dritten Platz einnimmt, liegt daran, dass viele EU-Länder ihre Schieneninfrastruktur vernachlässigt haben. Hierzulande habe man jedoch schon vor vielen Jahren erkannt, dass die Bahn ein wichtiger Faktor ist, so Gratzer. Ob das 19-Milliarden- Euro-Paket, das Gewessler kürzlich geschnürt hat, ausreicht, um endlich mehr Güter auf die Schiene zu bringen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls soll der Gütertransport einen der Schwerpunkte der Investitionen in die ÖBB ausmachen.

Seit März beliefert die Supermarktkette MPreis mit dem ersten Wasserstoff-Sattelschlepper in Österreich seine Märkte im Tiroler Unterland. Getankt wird binnen elf Minuten, die Reichweite ist mit 450 Kilometern beachtlich. MPreis produziert den grünen Wasserstoff selbst in einer Elektrolyse-Anlage bei Innsbruck; verwendet werden Wasser und Strom aus Wasserkraft. Betriebswirtschaftlich ergibt dies vorerst noch keinen Sinn, bekannte auch MPreis-Projektleiter Ewald Perwög gegenüber dem „Kurier“. „Aber für unsere Kinder und unsere Umwelt rechnet es sich ab sofort“, so Perwög. Damit Wasserstoff bei einem Preis von zwei Euro pro Liter Diesel mit diesem bei einer Wegstrecke von 100 Kilometern mithalten kann, „darf Strom nicht mehr als 70 Euro pro Megawattstunde kosten“, erklärt Perwög. Zum Vergleich: Im ersten Quartal kostete die Megawattstunde mit 145 Euro doppelt so viel.

MAN-Chef Alexander Vlaskamp

"Wir haben kaum grünen Wasserstoff auf der Welt. Und bis diese Technologie finanziell tragbar ist, sind wir frühestens in der Mitte der nächsten Dekade.“

Wasserstoff zu teuer

MAN-Chef Vlaskamp ist diesbezüglich skeptisch: „Wir forschen auch daran, aber wir haben ja kaum grünen Wasserstoff auf der Welt. Und bis diese Technologie finanziell tragbar ist, sind wir frühestens in der Mitte der nächsten Dekade.“ Zudem brauche man den Wasserstoff für die Industrie. „Hier in Österreich etwa die voestalpine, die damit dann ihren grünen Stahl produzieren kann.“

Eine nicht unwesentliche Maßnahme, um den CO2-Ausstoß im Verkehr zu vermindern, ist eine ganz simple: weniger fahren. Das erfordert etwa eine verbesserte Logistik, um Leerfahrten zu vermeiden, deren Anteil in Österreich innerhalb einer Dekade von 29 auf 34 Prozent gestiegen ist. Zum anderen liegt es auch in der Hand der Konsumenten: langlebige statt Wegwerfprodukte, regionale und saisonale Lebensmittel statt Wintertomaten aus Spanien.

Und, nicht zu vergessen: Der Lkw-Verkehr ist von der Kostenwahrheit sehr weit entfernt. „Ein 40-Tonner belastet die Straße so stark wie 60.000 Pkw“, sagt VCÖ-Sprecher Gratzer. Die Schäden zahlen müssen die Steuerzahler:innen. Zudem profitieren die Frächter vom Dieselprivileg – zu dessen Abschaffung sich die Politik trotz jahrelanger Diskussionen nicht aufraffen kann. Ganz zu schweigen von den Klimaschäden, die der Lkw-Verkehr anrichtet. Die Lösung wäre eine europaweite CO2-Steuer. Die soll 2027 kommen. Bis dahin wird noch viel Diesel aus den Zapfsäulen rinnen.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis September 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.