Verkehr

Kann der Bahnsektor Österreichs Industrie retten?

Österreichs Industrie strauchelt, insbesondere die Automobilzulieferer – Arbeiterkammer und Gewerkschaft sehen das größte Wachstumspotential im Bahnsektor. Einsparungen wollen sie bei der Bahn nicht, für den Ausbau der Produktion soll die EU mitzahlen.

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Um Österreichs Wirtschaft steht es nicht gut: Bereits im Dezember des Vorjahres war klar, dass die Prognosen zu optimistisch waren. Wie profil berichtete, soll nun nicht nur bei den Sozialleistungen gespart werden, indem etwa der Kinderabsetzbetrag nicht mehr an die Inflation angepasst wird. Um Einsparpotenziale zu heben, könnten, laut Insidern, auch teure Infrastrukturprojekte wie Bahnhofsmodernisierungen verschoben werden.

Arbeiterkammer und die Gewerkschaft Pro-Ge machen bereits präventiv gegen die Pläne mobil. Gemeinsam beauftragten sie eine Studie zum Thema, Ergebnis: Die Renovierung und der Neubau von Bahnhöfen sollen einen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum haben. Kürzungen in den Zukunftsplänen der ÖBB (Zielnetz 2040 und dem ÖBB-Rahmenplan) werden dezidiert abgelehnt.

Um Österreichs Klimaziele zu erreichen und somit auch europäischen Strafzahlungen zu entgehen, sei ein Ausbau der Bahn notwendig. Damit könnten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, meint die Gewerkschaft. „Auf dem Weg zu den Klimazielen ist die Bahn unsere Lokomotive“, sagt AK-Chefin Renate Anderl. Der Bahnsektor sei Österreichs „stille Heldin“, zu diesem Ergebnis kommt die Studie im Auftrag der Arbeiterkammern Wien und Oberösterreich, durchgeführt vom Institute for Comprehensive Analysis of the Economy und dem Socio-Ecological Transformation Lab Linz an der Johannes Kepler Universität. 

Die Grünen sahen zuletzt im Nationalratswahlprogramm der Roten eine schlichte Kopie des eigenen Programms, aber den Sozialdemokraten gilt die Eisenbahn seit jeher als heilig - nebenbei ist sie auch eine Personalreserve. So stellt sich wenig überraschend auch die rot-dominierte Produktionsgewerkschaft Pro-Ge hinter die Forderung eines Ausbaus der Bahn in Österreich. Der Bahnausbau im Rahmen der Mobilitätswende habe das Potenzial, Industriearbeitsplätze zu schaffen.

EU soll zahlen

Österreich könne der Bahnproduzent Europas werden, zu diesem Ergebnis kommt die Studie. Vorausgesetzt, die europäischen Verkehrsziele würden ernst genommen werden. Es brauche dafür aber Investitionen in der Höhe von 550 Milliarden Euro bis 2050, das würde 22 Milliarden Euro jährlich bedeuten. Das Geld dafür wollen AK und Gewerkschaft von der EU. Österreich würde als Gegenleistung die EU auf Schiene bringen. Man wolle auch Entschädigungszahlungen aus Brüssel für den Lkw-Verkehr und dessen Folgen, die AK schätzt diese auf rund 800 Millionen Euro jährlich.

Die Arbeiterkammer sieht hier auch eine Chance, um die Arbeiterinnen und Arbeiter aus der kriselnden Kfz-Zulieferindustrie aufzufangen. 230.000 Vollzeitarbeitsstellen könnten theoretisch insgesamt geschaffen werden, laut JKU gäbe es dadurch eine ökonomische „Hebelwirkung“. Diese 230.000 Stellen setzen sich aus 14.400 Vollzeitarbeitsstellen jährlich zusammen, die über den gesamten Investitionszeitraum bis 2040 entstehen.

Das bedeutet, so Soziologin Julia Eder, mit jedem investierten Euro könnten 1,2 Euro an Wertschöpfung entstehen. 

Zu dem Schluss kommt die Studie auch, weil der heimische Absatzmarkt für Bahnunternehmen konstant ist und die Unternehmen im Gegensatz zur Autoindustrie ihren Hauptsitz in Österreich haben. 

Austria first?

Gefordert wird von der Gewerkschaft eine staatliche Investitionsstrategie, samt Beteiligungen an Industrieunternehmen durch die öffentliche Hand. Es sollen auch Auflagen für eine europäische Beteiligung eingeführt werden.

Offen bleibt, ob Österreich sich nun im dritten Rezessionsjahr Investitionen leisten kann und die EU überhaupt bereit wäre, einen Ausbau der österreichischen Industrie zu finanzieren. 

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.