Wirtschaft

Pute Zeiten, schlechte Zeiten

Hat der Handel Österreichs Putenzüchter zuerst in hohe Investitionen gescheucht, lässt sie nun aber auf ihrer Ware sitzen? Bei den Bauern macht sich Unmut über einzelne Handelsketten, die Gastronomie und die öffentliche Hand breit. Nun übt auch das beim Landwirtschaftsministerium angedockte „Fairness-Büro“ herbe Kritik.

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Puten sind neugierige Tiere – jedenfalls die von Werner und Teresa Brunmayr aus dem niederösterreichischen Mostviertel. Kaum betritt das Putenzüchter-Paar den riesigen Stall, kommt gleich eine ganze Schar angetrabt. Auch vor dem profil-Journalisten, der mit dabei ist, gibt es keine falsche Scheu. Einzelne, besonders vorwitzige Exemplare wagen sich auf ein paar Zentimeter heran und beäugen interessiert und in aller gebotenen Ruhe die Kamera. Die Gelassenheit im Federkleid. Aber schließlich kann das gutmütige Getier ja auch nicht ahnen, dass es aktuell im Mittelpunkt einer hitzigen Debatte steht.

Werner Brunmayr (46) jedenfalls nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Im Gespräch mit profil skizziert der gestandene Landwirt jene drei Problemstellen, an denen die heimischen Putenbauern ganz massiv der Gummistiefel drückt: „Bund und Länder kaufen nicht nach ihren eigenen Kriterien ein. Die Gastronomie weigert sich, die Herkunft ihres Fleisches offenzulegen. Und der Handel steht nicht vollständig hinter Österreich.“ Gemeint ist: hinter der österreichischen Putenproduktion. Einer Produktion, die strengeren Tierschutz-Standards unterliege als jene in anderen Ländern, wie Brunmayr betont: nur 40 Kilogramm Pute pro Quadratmeter statt bis zu 70, keine Gentechnik im Futter, Antibiotika nur im Krankheitsfall, strenge Kontrollen.

Je mehr auf das Wohl der Tiere geachtet wird, umso teurer ist naturgemäß das Fleisch. Trotzdem hätten die heimischen Handelsketten in der Corona-Zeit auf eine Ausweitung der österreichischen Produktion gedrängt, erzählt Brunmayr. Dies unter dem Stichwort „Eigenversorgung“. Dafür gab es auch staatliche Förderungen. „Viele Betriebe haben ausgebaut“, erzählt der Landwirt, der als Obmannstellvertreter der Geflügelmastgenossenschaft GGÖ einen guten Branchenüberblick hat.

Diese Kapazitätsausweitung sei nach höchsten Standards erfolgt, betont Brunmayr: „Es gab das Bekenntnis vom Handel: Wir wollen das, und wir finanzieren das auch.“ Doch dann kam die Teuerungskrise. Und plötzlich wollten sich – Brunmayrs Darstellung zufolge – nicht mehr alle an diese Zusage erinnern. Nun würden viel weniger österreichische Puten vom Handel abgenommen als produziert werden könnten. Und auch in der Gastronomie und bei Beschaffungen der öffentlichen Hand kämen nur in einem geringen Maß die teureren, aber qualitativ besseren Puten aus Österreich zum Zug.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).