Landwirtschaft

Der Bauernreport: Die Macht am Land

In Europa regen sich Bauernproteste. In ganz Europa? Nein, in einem kleinen Land namens Österreich wird kein Widerstand geleistet. Doch die Lage ist auch hier prekär. Das Bauernsterben hält an, die Sorgen wachsen, die Politik versucht zu kalmieren. Wie geht es Österreichs Bauern?

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In Niedersulz ist die Hierarchie offensichtlich. Höher als der Kirchturm überragt der Raiffeisen-Turm das 390-Einwohner-Dorf im östlichen Weinviertel. Gleich daneben, deutlich niedriger, steht das Lagerhaus der Erzeugergemeinschaft EGZ, gegründet vor mehr als 30 Jahren von Franz Bauer. Damals hatte er gerade den elterlichen Hof übernommen und wollte es anders machen, wollte nicht mehr nur produzieren, sondern unabhängig vom Lagerhaus die eigenen Produkte vermarkten. Das war damals revolutionär. Mittlerweile lagern hier knapp 200 Bauern ihren Weizen und ihre Gerste und verkaufen direkt an Bierbrauer, Mühlen und Nudelhersteller. Politisch Stellung beziehen wollte Franz Bauer eigentlich nie, „aber das fällt uns jetzt auf den Kopf“, sagt er.

Denn er ist mit seiner Standesvertretung so gar nicht zufrieden. „Wir werden als Querulanten dargestellt, wenn wir grobe Mängel aufzeigen.“ Gemeinsam mit Kollegen hat er vor fünf Jahren Vertretern von Bauernbund und Landwirtschaftskammer vorgeschlagen, dass die Agrarförderungen an die Inflation angepasst werden sollten. „Damals wurden wir dafür ausgelacht. Jetzt fordern sie das selbst, damit wir nicht auf die Straße gehen.“ Aber: „Bauernproteste wird’s in Österreich erst geben, wenn die ÖVP nicht mehr in der Regierung ist.“

In Europa regt sich dieser Tage an vielen Orten der Bauernaufstand, in Frankreich, in den Niederlanden, in Italien, Spanien und zuletzt sehr massiv auch in Deutschland. Die Gründe für die Proteste sind je verschieden, die Ursache ist im Wesentlichen aber dieselbe: Landwirte in ganz Europa stehen unter massivem Preisdruck, die Wirtschaftlichkeit vieler Betriebe ist nur dank enormer Förderungen und Zuschüsse zu gewährleisten, die wiederum an zunehmend strenge Vorgaben und Richtlinien gekoppelt sind, die das Leben und Arbeiten vieler Bauern zwar finanziell ermöglichen, aber praktisch gehörig verkomplizieren. In Österreich scheint die Lage – bis auf einen eher halbherzigen Versuch von FPÖ-Agrarsprecher Peter Schmiedlechner, gegen die Regierung zu mobilisieren – vergleichsweise ruhig. Das liegt auch daran, dass die Bauernschaft hier bis in die Regierungsspitze politisch stark vertreten ist. Und dennoch: Es rumort im Land am Land.

1. Sorgen und Nöte

Der EZG-Gründer aus Niedersulz Franz Bauer sieht die Zukunft der Landwirte pessimistisch. „In 20 Jahren wird es keine Bauern mehr im herkömmlichen Sinn geben, es wird Agrarbewirtschafter geben.“ Immer größere Betriebe kaufen Landflächen, die meisten Bauern können bei den Bodenpreisen nicht mehr mit. Ideen hätte er zwar noch viele, aber: „Wer als ein Junger kein Revoluzzer ist, hat kein Herz, aber ein Narr will ich auch nicht werden“, sagt er. Er überlässt das Feld jetzt den Jungen.

Moritz Ablinger

Moritz Ablinger

ist seit Mai 2023 Redakteur im Österreich Ressort. Schreibt gerne über Abgründe, spielt gerne Schach und schaut gerne Fußball. Davor beim ballesterer.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.