Heizungstausch

„Raus aus Öl und Gas“: Die Gründe für den abrupten Förderstopp

Das Milliardenprogramm „Raus aus Öl und Gas“ sollte bis 2027 den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen fördern – doch kurz vor Weihnachten 2024 war plötzlich Schluss. Wie kam es dazu? Und was ist dran am angeblichen Schwarzmarkt für Förderanträge?

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Wer zu spät kommt, geht leer aus: Fast vier Milliarden Euro hatte die türkis-grüne Regierung für die Heizungsförderung „Raus aus Öl und Gas“ sowie die „Sanierungsoffensive“ vorgesehen – zentrale Maßnahmen im Kampf gegen fossile Heizsysteme. Mit Förderquoten von bis zu 75 Prozent sollten Haushalte motiviert werden, ihre alten Ölkessel auszumustern und auf klimafreundliche Alternativen wie Wärmepumpen umzusteigen. Die Förderung war bis zum Jahr 2027 ausgelegt. Doch kurz vor Weihnachten 2024 war plötzlich Schluss. Auf der Website des Programms hieß es: „Die zur Verfügung stehenden Förderungsmittel wurden ausgeschöpft.“ Neue Anträge waren ab dem 20. Dezember des Vorjahres nicht mehr möglich.

Seither beschäftigen zwei zentrale Fragen die heimische Innenpolitik: Wie kann es sein, dass ein Förderprogramm, das bis 2027 laufen sollte, nach nicht einmal zwei Jahren ausgeschöpft ist? „Fahrlässig“, sagen Kritiker – denn Planungssicherheit für die Heizungsbranche sehe anders aus. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich in der jüngsten ORF-Pressestunde schockiert, wie leichtfertig so viel Steuergeld verteilt worden sei: „Ich kann doch nicht einfach das Geld so herausblasen, völlig ohne Rücksicht auf die budgetäre Verantwortung.“

Die damalige Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Die Grünen) hätte laut Ansicht der SPÖ nicht nur all jene verunsichert, die ihr Heizsystem tauschen wollten, sondern auch „die Heizungsbranche vor große Probleme gestellt“, wie SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll meint. Er stellte Ende Februar eine parlamentarische Anfrage, um die Hintergründe zum plötzlichen Förderstopp zu erfahren. Im Fokus: Wieso im Dezember noch Registrierungen mit einem Gesamtvolumen von rund 500 Millionen Euro möglich waren, obwohl der Fördertopf praktisch fast leer gewesen sein soll.

Der Anstieg der Registrierungen lässt sich nachträglich durch die Kombination aus medialen Berichten zu geplanten Budgeteinsparungen des Bundes und den finanziellen Anreizen aus dem ‚Erneuerbaren Wärmepaket‘ erklären.

Norbert Totschnig (ÖVP), Landwirtschaftsminister

erbte in der Dreier-Koalition die Klimaschutzagenden

Ein weiterer Kritikpunkt: Laut einem Bericht der Tageszeitung „Der Standard“ war es lange Zeit möglich, die bei der Registrierung angegebenen Daten nachträglich zu ändern – und zwar vollständig. Das habe, so wurde kolportiert, einen „Schwarzmarkt“ für Förderzusagen entstehen lassen. Leute mit einer reservierten Fördersumme hätten diese Ansprüche weiterverkauft.

Wie also konnte der milliardenschwere Fördertopf im Dezember plötzlich leer sein? Und was ist zum Schwarzmarkt der Förderzusagen bekannt? Antworten darauf liefert Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP). Sein Ministerium erbte in der Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos die Klimaschutzagenden und musste die ursprünglich an Gewessler adressierte Anfrage nun beantworten.

Budgetdiskussionen sorgten für Boom

Die Beantwortung zeigt: Die Zahl der täglichen Registrierungen in der Sanierungsoffensive 2023/2024 („Sanierungsbonus“ und „Raus aus Öl und Gas“) stieg zwischen 15. November und 20. Dezember 2024 massiv an – von durchschnittlich 2.000 pro Tag auf insgesamt 46.000 bis zum Tag des Förderstopps. Ein Planungsversagen Gewesslers?

Totschnig führt den Anstieg der Anträge auf die angespannte Budgetlage zurück: „Der Anstieg der Registrierungen lässt sich nachträglich durch die Kombination aus medialen Berichten zu geplanten Budgeteinsparungen des Bundes und den finanziellen Anreizen aus dem ‚Erneuerbaren Wärmepaket‘ erklären.“

Was ist dran am Schwarzmarkt?

Die Tageszeitung „Der Standard“ berichtete im Februar, ein Wiener Installateurbetrieb habe online mit dem Slogan „Wir kaufen Ihren Heizungs-Förderantrag“ geworben. Die Frage nach einem solchen Schwarzmarkt beantwortete Totschnig wie folgt: „Bestehende Registrierungen können nach Ende der Förderungsaktion nur nach Prüfung durch die förderabwickelnde Stelle Kommunalkredit Public Consulting (KPC) geändert werden. Zudem sind Änderungen der registrierten Daten nur mehr in geringfügigem Umfang und bei nachvollziehbaren Gründen möglich, etwa bei Tippfehlern oder bei einer Namensänderung aufgrund einer entsprechenden Nachweisführung.“ Ob tatsächlich reservierte Förderansprüche weiterverkauft wurden, blieb unbeantwortet.

Von den Grünen, die in Person von Ex-Ministerin Gewessler für das Aufsetzen des Fördertopfs verantwortlich waren, heißt es auf profil-Nachfrage: „Sollte die Abwicklungsstelle etwaigen Missbrauch dahingehend bemerken, wird nicht ausbezahlt.“ Bis zum Ausscheiden Gewesslers seien jedenfalls keine Fälle von Verkäufen von Förderzusagen bekannt gewesen. Der Kritik von Beate Meinl-Reisinger aus der ORF-Pressestunde, dass „ganz simpel und einfach“ Anträge gestellt werden konnten, „ohne dass man einen Grundbuchsauszug bringt, ohne dass man einen Kostenvoranschlag bringt“ entgegnen die Grünen: „Die Unterstellung, dass ohne jegliche Voraussetzungen Geld ausbezahlt wird, ist jedenfalls völlig falsch. Eine Förderung gibt es nur dann, wenn auch tatsächlich ein Heizungstausch umgesetzt wurde.“

Meisten Anträge aus Niederösterreich

Ein Blick in die von Totschnig vorgelegten Zahlen zeigt: Von Anfang 2023 bis zum Stichtag der Anfrage Ende Februar 2025 gab es 104.789 Förderanträge. Mit 31.165 Anträgen entfiel rund ein Drittel davon auf Haushalte aus Niederösterreich. Danach folgt mit rund 23.000 Ansuchen Oberösterreich und Steiermark (16.353). Am wenigsten Förderanträge entfielen auf Wien (4.206) und Vorarlberg (3.532).

SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll wollte zudem wissen, bei wie vielen Registrierungen der konkrete Förderantrag noch aussteht, wie viele Anträge noch ohne Genehmigung sind und bei wie vielen Genehmigungen noch keine Förderung überwiesen wurde. Aus der Antwort geht hervor: 58.526 Personen hätten sich für eine der beiden Förderschienen registriert, ohne konkrete Anträge eingebracht zu haben. Weitere rund 10.000 Projekte wurden zwar bereits beantragt, aber noch nicht genehmigt. Bei 2.006 genehmigten Vorhaben wurde bis zum Stichtag Ende Februar noch keine Förderung ausbezahlt. Laut Totschnig handelt es sich dabei vor allem um Vorhaben, deren Umsetzung noch nicht abgeschlossen oder final abgerechnet ist. Drei Jahre haben die Betroffenen ab Antragstellung dafür Zeit.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.