Wirtschaft

Strompreis: Würde das spanische Modell in Österreich funktionieren?

Was für eine Einführung des iberischen Modells in Österreich und der EU spricht – und was dagegen.

Drucken

Schriftgröße

Die Strompreise sinken, die Gasspeicher sind gut gefüllt.  Dennoch bleibt die Situation prekär: Die finanzielle Lage vieler Haushalte ist angespannt, die Industrie besorgt um ihre Wettbewerbsfähigkeit, und Energie kostet immer noch weitaus mehr als früher. Kein Wunder, dass die Forderung nach einer grundlegenden Veränderung der Marktmechanismen nicht verstummen mag – sei es eine Entkoppelung des Gas- und Strompreises, sogenannte Preisdeckel oder etwas ganz Neues. Spanien und Portugal haben bereits im Sommer in den Markt eingegriffen. Was hat funktioniert? Was nicht? Und welche Argumente dagegen haben sich als Mythen herausgestellt?

Was macht Spanien?

Da blicken viele nach Spanien und Portugal, denn seit dem Sommer deckeln die beiden Länder den Preis für Gas, das für die Stromerzeugung benötigt wird – vorerst mit 40 Euro pro Megawattstunde, bis zum Sommer 2023 dann mit bis zu 70 Euro. Denn durch die sogenannte Merit-Order-Regel bestimmt faktisch oft der Gas- den Strompreis, obwohl Wind-, Wasser-, Solar- und auch Kernenergie billiger wären. Diese Form des Preisdeckels ändert das Grundprinzip nicht, senkt aber den Gaspreis und somit auch die Stromkosten insgesamt.

Obwohl die Stromkunden – um für einen gewissen Ausgleich zu sorgen – eine Umlage an die Betreiber der Gaskraftwerke leisten, verzeichnet Spanien deutlich niedrigere Preise als Österreich oder Deutschland. In den ersten 14 Tagen nach der Einführung des Modells Mitte Juni sank der Strompreis um fast die Hälfte auf etwa 150 Euro pro Megawattstunde, mit der Umlage lag der tatsächliche Preis dann bei 236 Euro und die Ersparnis bei 14 Prozent. In Österreich kostete damals die Megawattstunde zeitweise weit über 300 Euro. So volatil wie die Gasmärkte ist auch die Ersparnis durch den Mechanismus. Sie liegt seit dem Sommer zwischen zehn und fast 60 Prozent am Tag.

Wie würde das in Österreich ausschauen?

In Österreich ist im Vorjahr bereits einiges ob der hohen Energiepreise geschehen. Von einmaligen Unterstützungszahlungen bis hin zur Stromkostenbremse. Im Unterschied zum iberischen Modell setzt diese Maßnahme am Ende an – nämlich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Vereinfacht gesagt zahlt der Staat einen Teil unserer Stromrechnungen. In Spanien hingegen wird bei den Gaskraftwerken direkt angesetzt, damit die Preise gar nicht erst so hoch werden. Es ist ein Markteingriff, der den Strompreis senkt, ohne viel Steuergeld zu kosten. Und die Preise sind dort zweifellos niedriger. Eine Berechnung des Momentum Instituts zeigt auch, dass der heimische Strompreis im vergangenen Sommer mit dem iberischen Modell um fast die Hälfte niedriger gewesen wäre. Das hätte sich auch auf die Inflationsraten ausgewirkt, da die hohen Energiekosten große Treiber der Teuerung sind. Und die hohen Gewinne (oder Übergewinne) einiger Energieunternehmen wären geringer ausgefallen.

Wird mehr exportiert?

Ein Hauptargument gegen diese Maßnahme ist allerdings, dass die verbilligte Energie in Nachbarländer abfließen könnte. Spanien hat tatsächlich zuletzt mehr Strom nach Frankreich und Marokko exportiert, was allerdings auch an Produktionsproblemen bei vielen französischen Atomkraftwerken lag. Eine Studie der Austrian Energy Agency ergab, dass bei einer EU-weiten Regelung die Exporte kaum ansteigen würden. Klar ist: Österreich kann aufgrund seiner zentralen Lage in Mitteleuropa ein solches Modell nicht im Alleingang einführen.

Wird weniger Energie gespart?

Ein zweites wesentliches Argument gegen das iberische Modell ist, dass Gas derzeit Mangelware ist und durch gedeckelte Preise weniger Strom gespart wird. In der EU soll zwischen August und März um 15 Prozent weniger Erdgas verbraucht werden als in den Vorjahren – so das Ziel. In Österreich wurden von August bis November 2022 laut Regulierungsbehörde E-Control 17,3 Prozent eingespart: Im – sehr warmen – Oktober waren es sogar 25 Prozent, im kühleren November rund 16 Prozent. Wenn man die warmen Temperaturen wegrechnet und die reine Ersparnis betrachtet, dann liegt diese laut Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo bei acht bis neun Prozent. In Spanien wurde insgesamt ebenfalls weniger Gas verbraucht: Zwischen August und November waren es um 15 Prozent weniger als in früheren Jahren, heißt es vom dortigen Umweltministerium. Gleichzeitig wurde aber mehr Gas für die Stromproduktion verwendet. Das gilt allerdings für das gesamte Jahr 2022 – somit auch vor Einführung der Deckelung. Grund dafür war neben der miserablen Lage der Atomkraftwerke im Nachbarland Frankreich aber auch der niedrige Wasserstand in den Flüssen, der die Stromproduktion aus Wasserkraft bremste. Aus dem gleichen Grund wurde heuer in Österreich auch mehr Gas verstromt als in den letzten drei Jahren, berechnete das WIFO.

Befürworter aber keine Mehrheit

Dieses Modell hat europaweit Befürworter gefunden, auch in der heimischen Politik. Von Kanzler, Wirtschaftsminister bis zur Klimaministerin haben sich zunächst alle für diese Form der Deckelung – wenn auch mit leichten Änderungen – ausgesprochen. Zuletzt sprach Wirtschaftsminister Martin Kocher im „Kurier“ von einem iberischen Modell mit einer bestimmten Zusatzkomponente. Letztere solle die Erzeugung von Strom mit Gaskraftwerken so gering wie möglich halten, damit nicht durch die niedrigeren Preise der Anreiz zur Gasreduktion sinkt. „Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, wie Kontingente oder das Abstellen auf den Verbrauch im Vorjahr. Damit könnte man dafür sorgen, dass insgesamt nicht mehr Gas für die Verstromung verbraucht würde“, sagt Kocher gegenüber profil. Auf EU-Ebene diskutiert allerdings nicht er das Thema, sondern Energieministerin Leonore Gewessler. Und sie setzt mittlerweile auf „andere rasch umsetzbare Reformen des Strommarkt-Designs“, heißt es aus ihrem Ministerium.

In Brüssel wurde das iberische Modell länger diskutiert, scheiterte aber an der Ablehnung einiger EU-Länder, darunter Deutschland. Kurz vor Weihnachten wurde hingegen ein EU-weiter Gaspreisdeckel beschlossen. Das klingt zwar ähnlich, hat aber wenig mit dem iberischen Projekt zu tun. Die Regelung soll den Gaspreis künftig korrigieren, wenn er Spitzen wie im Sommer erreicht. Übersteigt der europäische Terminmarkt-Gaspreis TTF für mehr als drei Tage 180 Euro pro Megawattstunde und ist gleichzeitig um 35 Euro höher als der internationale Preis für Flüssiggas (LNG), dann wird der Mechanismus ausgelöst. Es gibt allerdings eine Reihe von Ausnahmen – etwa wenn in einem EU-Land Gasmangel herrscht.

Doch eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit der aktuellen Lage bleibt. In Brüssel werden Vorschläge der EU-Kommission zu einer Reform des Strommarktdesigns erwartet. Die ersten Informationen, die durchsickerten, wirken nicht wie ein großer Wurf, sondern eher wie ein Drehen an Stellschrauben.

             

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.