Trotz Mietpreisstopp: Genossenschaft erhöht Miete um 38 Prozent
„Für das Burgenland ist das nicht ohne“, erzählt Frau P. nachdem sie ein Schreiben ihres Vermieters erhalten hat: Eine Mieterhöhung von 38 Prozent. Ihre neue Vorschreibung beträgt nun 714 Euro. „Das sind Preise wie in Wien“, ächzt sie.
Die Selbstständige lebt alleine in Oberpullendorf, ein Bezirk mit rund 37.000 Einwohnern, der direkt an Ungarn grenzt. Auch wenn das Burgenland eine Hochburg für klassische Häuslbauer ist, leben immerhin 33 Prozent der Menschen zur Miete. Am günstigsten und am häufigsten bei einer gemeinnützigen Genossenschaft. Laut Vergleichsportalen liegt der durchschnittliche Mietpreis in Oberpullendorf aktuell bei 8,06 Euro pro Quadratmeter – rund halb so viel wie der österreichweite Durchschnitt von 16,80 Euro. Bei Frau P. liegt der Quadratmeterpreis nach der Erhöhung bei rund 12 Euro, ohne Betriebskosten.
Das entsprechende Schreiben an Frau P. liegt profil vor. Die Wohnung gehört zur Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG), einem der vier großen gemeinnützigen Bauträgern, die im Burgenland tätig sind und nicht im Eigentum der landeseigenen Holdinggesellschaft sind. Die OSG begründet die Erhöhung mit gestiegenen Zinsen infolge des Ukraine-Kriegs: „Die Zinsen für die Bankdarlehen sind ab Juni 2022 in einem noch nie dagewesenen Ausmaß in kürzester Zeit gestiegen.“
Achterbahn mit dem Euribor
Wie sehr der Immobilienmarkt am Kapitalmarkt hängt, mussten viele Häuslbauer bereits 2022 schmerzlich erfahren. Lange Zeit waren Kredite mit variabler Verzinsung die Regel – wegen der attraktiven Niedrigzinsphase. Doch der Krieg in der Ukraine und die darauf folgende Energiekrise ließen die Zinsen (Euribor) rasant steigen. Wer zuvor von variabel verzinsten Darlehen profitierte, geriet plötzlich in Schwierigkeiten – das galt fürs private Eigenheim ebenso wie für gemeinnützige Bauträger wie die OSG, die ihre Projekte teilweise über Bankkredite finanzieren.
„Man hat sehr häufig variable Verzinsungen genommen, weil die auch um etliche Basispunkte günstiger waren“, erklärt sich der OSG-Geschäftsführer Alfred Kollar im Gespräch mit profil, „mehr als zehn Jahre lang, waren die Darlehenskonditionen praktisch festgeschrieben, weil sich der Indikator, der Euribor, nicht verändert hat.“
Genau darin sieht das Land Burgenland die „spekulative Fehleinschätzung. Denn als das Zinsniveau krisenbedingt anstieg, mussten aufgrund des im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) geltenden Kostendeckungsprinzips die Mieten angehoben werden.“ Mittlerweile habe die OSG viele ihrer Kreditverträge auf Fixverzinsung umgestellt, versichert Kollar.
Gemeinnützige Bauträger finanzieren ihre Wohnbauten neben Fremdkapital auch über Genossenschaftsbeiträge und Wohnbauförderung. Doch Letztere sei seit 2022 rückläufig. Gleichzeitig tritt die burgenländische Landesholding verstärkt selbst als Bauträger auf. Auch als Reaktion der zu laschen Regelungen des WGG, wie es aus der Landesregierung in Eisenstadt heißt. Denn „wer für die Finanzierung seines Wohnobjektes über 30 Jahre und mehr eine variable Verzinsung wählt, der spekuliert“, kritisiert das Land die Finanzierungsstrategien der Gemeinnützigen.
Für Genossenschaften wie die OSG bedeutet das: Sie muss sich verstärkt über den Kapitalmarkt finanzieren. Zwar dürfen gemeinnützige Genossenschaften keine Gewinne erzielen, aber eben auch keine Verluste schreiben. Steigende Zinsen für nicht-abbezahlte Projekte müssen daher an die Mieter weitergegeben werden.
Verschobene Mieterhöhung
Um Mieterinnen und Mieter im Burgenland vor den Zinssteigerungen am Kapitalmarkt zu schützen, übernahm das Land den Anstieg durch Stützzahlungen an die Bauträger – zehn Millionen Euro jährlich soll das Land dafür bereitgestellt haben. Das deklarierte Ziel: „Mieter temporär zu entlasten und mehr Zeit zu gewinnen, damit die Genossenschaften die Finanzierung ihrer Objekte überarbeiten können.“ Im Gegenzug durften die gemeinnützigen Wohnbauträger keine Mieterhöhungen an die Mieter weiterreichen – der burgenländische Wohnkostendeckel war geboren.
Die Stützzahlungen galten jedoch nur für den Zinsanstieg 2022/23. Wie bekannt ist, hat sich der Euribor in den darauffolgenden Monaten bis 2024 nicht erholt. Zum Nachteil der OSG wurden keine weiteren Mittel vom Land zur Verfügung gestellt, gleichzeitig galt weiterhin der Wohnkostendeckel – die Weitergabe der Kosten an die Mieter war damit nicht erlaubt – sie wurden „gestundet“, wie es in der offiziellen Kommunikation der Genossenschaft heißt.
Ende 2024 wurde der Wohnkostendeckel letztmalig bis zum 30. Juni 2025 verlängert. Weitere Zuzahlungen durch das Land blieben aus, die OSG blieb auf den gestiegenen Finanzierungskosten sitzen – vorerst. „Weitere Zinsanpassungen müssen die Gemeinnützigen übernehmen. Mit dem Nachteil, sie im sozialverträglichen Ausmaß nach zu verrechnen“, sagt Kollar. Anders gesagt: Die Erhöhungen nach 2023 wurden nur aufgeschoben – und zwar praktischerweise bis nach der burgenländischen Landtagswahl.
Im Büro des Landesrats für Wohnbau, Heinrich Dorners ist man sich der schiefen Optik des Wahltermins bewusst. Trotzdem möchte man betonen, im Sinne der Mieterinnen und Mieter entschieden zu haben: „Wie dem Verlauf der Zinskurve (Euribor Anm.) zu entnehmen ist, zeichneten sich Zinssenkungen ab. Deshalb wurde in Abstimmung mit den Genossenschaften die Maßnahme verlängert, um diese mitzunehmen.“ Soll heißen: wäre der Wohnkostendeckel früher, auf einem höheren Zinsniveau, ausgelaufen, wären die schlagend gewordenen Mieterhöhungen deutlich größer gewesen.
Mietpreisstopp greift nicht
Dass sich Betroffene wie Frau P. mit einer Mieterhöhung von „nur“ 38 Prozent beglückt fühlen können, irritiert die Oberpullendorferin. Sie und die Nachbarschaft sind nachvollziehbarer Weise sauer. Besonders rätselhaft: Der heuer beschlossene bundesweite Mietpreisstopp scheint nicht zu greifen – obwohl dieser laut Regierung für regulierte Mieten, etwa bei Genossenschaften, gelten sollte.
Doch das stimmt nur teilweise. „Der Mietenstopp umfasst den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag“, erklärt Elke Hanel-Torsch, Leiterin der Mietervereinigung und Wohnbausprecherin der SPÖ. Steigende Finanzierungskosten für nicht-ausfinanzierte Wohnobjekte dürfen hingegen weiterhin an Mieter weitergegeben werden – vom Mietpreisdeckel sind sie nicht umfasst. Im Burgenland werden diese Kosten nun – nach Ende des Wohnkostendeckels – spürbar. Die burgenländische Landesregierung fordert vom Bund eine rasche Nachjustierung der Mietpreisbremse. Wer die gestiegenen Zinskosten kompensieren soll, bleibt offen.
Zwar sei das Vorgehen der OSG rechtlich korrekt, meint Hanel-Torsch, doch eine Erhöhung von 38 Prozent sei außergewöhnlich. Sie rät Betroffenen, ihre Vorschreibungen von der Mietervereinigung prüfen zu lassen. OSG-Geschäftsführer Kollar sichert in diesem Zusammenhang „volle Transparenz“ zu und betont die soziale Verantwortung des gemeinnützigen Bauträgers.
Im Schreiben an Frau P. versucht die OSG hingegen zu kalmieren und verweist auf die wirtschaftliche Realität: „Der VPI stieg von 2022 bis 2025 um ca. 20 Prozent. Ebenso konnten in diesem Zeitraum auch beachtliche Lohnerhöhungen verzeichnet werden.“ Für Härtefälle möchte die OSG außerdem „sozialverträgliche“ Vereinbarungen finden.
Ein kleiner Lichtblick bleibt: Gemeinnützige Bauträger sind gesetzlich zum kostendeckenden und nicht-gewinnorientierten Wirtschaften verpflichtet. Im Gegensatz zu privaten Vermietern arbeiten sie „Annuitäten gebunden“. Das heißt: „Wenn die Zinsen steigen, erhöhen sich die Mieten. Aber wenn sie wieder sinken, gehen die Mieten auch zurück“, so Kollar.
Für Betroffene, die sich dennoch sorgen, dass der Euribor nicht dauerhaft niedrig bleibt, verweist die OSG auf bestehende Unterstützungsmöglichkeiten: „Wer von den Anpassungen ab Juli 2025 besonders betroffen ist, kann die Möglichkeit der Wohnbeihilfe in Betracht ziehen, die bei entsprechend geringem Einkommen zur Anwendung kommt.“