Minister Rauch
Kreditwirtschaft

Zinsen: Wie sich die Politik die Banken vorknöpft

Eine vom Sozialministerium beauftragte Konsumentenschutzklage verstört die Finanzbranche. Fünf Fragen und Antworten.

Drucken

Schriftgröße

Was steckt hinter der von Sozialminister Rauch beauftragten Klage gegen die Bank Austria?

Schon Ende der vorvergangenen Woche brachte der Verein für Konsumenteninformation (VKI) eine so genannte Verbandsklage gegen die Bank Austria ein, in der der VKI als „Verband“ die Verletzung der Rechte von Konsumenten geltend macht.

Der Streitgegenstand ist allerdings eingegrenzt: Konkret geht es um eine Klausel in einem Preisblatt der Bank, wonach das Guthaben auf einem Girokonto mit null Prozent verzinst wird. Da dieser Zinssatz fix ist, jener für eine Konto-Überziehung allerdings variabel (derzeit: 12,5 Prozent), sieht der VKI eine Benachteiligung der Verbraucher. Die Bank vertritt eine andere Rechtsmeinung und verweigerte die von den Konsumentenschützern eingemahnte Unterlassungserklärung.

Beide Seiten gehen davon aus, dass die Causa bis zum Obersten Gerichtshof durchgefochten wird – was bis zu drei Jahre dauern kann.

Der VKI ist generell vom jeweiligen Konsumentenschutzminister „beauftragt“, Musterprozesse, Verbandsklagen und Sammelklagen zu führen. Das Ministerium übernimmt das Prozesskosten-Risiko. Der VKI wäre wohl auch ohne Zuruf des Ministers tätig geworden, denn Verbandsklagen sind VKI-Alltag, gerade in Zusammenhang mit Banken-Klauseln. Die Entscheidung des OGH wird ein Leiturteil für die Bankenbranche sein. Allerdings geht es nur um Girokonten. Ob der VKI auch die Zinsenspanne zwischen Krediten und Sparguthaben überprüft, ist offen.

Weshalb stehen die Banken im Fokus der Politik?

Im ÖVP-geführten Finanzministerium ahnte man bereits vor Wochen, dass – nach Lebensmittelhandel und Energie-Versorgern – wohl bald die Banken ins Visier der Öffentlichkeit geraten würden. Denn beim Geld hört sich bekanntlich die Freundschaft auf – und die Duldsamkeit der Bürgerinnen und Bürger ebenso.

Die Ausgangslage eignet sich gut für eine Opfer-Täter-Erzählung. Auf der einen Seite die Konsumenten, die gleich mehrfach Leidtragende sind: Ihre Sparguthaben werden aufgrund niedriger Zinsen bei hoher Inflation entwertet. Ein grobes Rechenbeispiel: Derzeit haben Österreichs Sparer 300 Milliarden Euro bei den Banken liegen. Bei rund acht Prozent Inflation und fast null Zinsen sind das 24 Milliarden realer Vermögensverlust pro Jahr. Wer nicht spart, sondern Schulden hat, könnte auch bald Stress bekommen, vor allem bei einem variabel verzinsten Kredit. Und das sind nicht wenige: Fast die Hälfte des gesamten Kreditvolumens hierzulande ist variabel verzinst. Laut Nationalbank hat sich die Zinsbelastung der Schuldner aufgrund der steigenden Zinsen verdoppelt.

Auf der anderen Seite stehen die Banken, deren Gewinne im Jahr 2022 laut Nationalbank „neue Höchstwerte“ erreichten. Insgesamt verdienten sie 2022 10,2 Milliarden Euro. Banken seien „die großen Krisengewinner in Österreich“, kritisierte SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer. Zum – zumindest teilweisen – Fürsprecher der Finanzbranche avancierte vergangene Woche ausgerechnet Vizekanzler Werner Kogler, der davor warnte, „die Banken zum Feindbild zu erklären“.

Vergangene Woche gingen auch die Kreditwirtschaft in die PR-Offensive. Erste-Group-Chef Willibald Cernko, Obmann der Bankensparte in der Wirtschaftskammer, kündigte an, die Branche würde Kreditnehmern bei individuellen Problemen entgegenkommen. Details nannte er nicht. Anzunehmen ist: Die Banken werden wohl in erster Linie die Laufzeiten der Kredite ihrer Kunden verlängern, um die monatlichen Raten samt Zinsbelastung zu verringern.

Warum schlagen sich die gestiegenen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank nicht sofort auch bei den Sparzinsen nieder?
Die EZB hat ihre Leitzinsen seit Mitte 2022 massiv erhöht. Der Plan dahinter ist es, Kreditvergaben teurer zu machen, um die Wirtschaft abzukühlen und damit die Inflation zu senken. Tatsächlich sind die Kreditzinsen seit damals massiv gestiegen, wie Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zeigen. Demnach stieg der Zinssatz für Wohnbaukredite in Österreich bis Juni 2023 um 1,38 Prozentpunkte auf 2,91 Prozent, jener für Konsumkredite um 2,12 Prozentpunkte auf 5,16 Prozent und jener für Kredit- und Überziehungsrahmen gar um 2,41 Prozentpunkte auf satte 5,8 Prozent. Bei den Zinsen für Bankeinlagen hinkt die Entwicklung hingegen hinterher. Für täglich fälliges Geld bekommt man gerade einmal 0,55 Prozent Zinsen (um schwache 0,49 Prozentpunkte mehr als im Juli 2022), für Spareinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren sind es 1,50 Prozent (plus 1,44 Prozentpunkte) und bei einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren ebenfalls nur 1,49 Prozent (plus 1,14 Prozentpunkte). Dazu muss man wissen, dass die EZB-Leitzinsen ihre Wirkungen nur indirekt entfalten. Es handelt sich keineswegs um rechtliche Maximal- oder Minimalvorgaben, welche Banken dann in die Verträge mit ihren Kunden schreiben müssten. Es gibt zwei besonders wesentliche Leitzinsen: jenen, zu dem Banken überschüssiges Geld über Nacht bei der EZB anlegen können (derzeit 3,75 Prozent), und jenen, zu dem Banken sich selbst frisches Geld aus dem Zentralbank-System borgen können (momentan 4,25 Prozent). Vergeben Banken selbst Kredite, werden sie logischerweise danach trachten, mehr zu verdienen als durch Einlagen bei der EZB – und wenn sie selbst Geld von der Zentralbank aufnehmen, werden sie dieses nach Möglichkeit nur zu einem höheren Zinssatz weiterverleihen, als sie selbst bezahlen müssen. Darüber hinaus spielen für Kreditvergaben an Private und Unternehmen jedoch auch jene Zinsen eine Rolle, die sich Geschäftsbanken untereinander verrechnen. In der Eurozone ist der sogenannte Euribor der entscheidende Referenzzinssatz. Bei Laufzeiten von sechs oder zwölf Monaten beträgt dieser aktuell rund vier Prozent. Auch auf Sparzinsen können sich Leitzinsanhebungen positiv auswirken: wenn Banken Geld aus Kundeneinlagen zu einem höheren Zinssatz über Nacht bei der EZB anlegen können. Entscheidend ist jedoch auch, wie dringend die Banken das Geld der Sparerinnen und Sparer brauchen, um damit ihr Kreditgeschäft zu finanzieren. Das scheint aktuell nicht besonders stark der Fall zu sein. Ein Wettbewerb um Spareinlagen zwischen den Banken, der Zinssätze nach oben lizitieren könnte, ist derzeit nicht spürbar.
Wie könnte der Staat eingreifen?
Entscheidet sich die Politik tatsächlich, bei den Banken einzugreifen, hat sie dafür mehrere Hebel. Sie könnte etwa eine neue Steuer einführen, um sogenannte Zufallsgewinne abzuschöpfen. Oder sie könnte einfach die sogenannte Bankenabgabe anheben. Diese Sondersteuer wurde 2011 eingeführt, um die Kreditinstitute zumindest teilweise für die Kosten der damaligen Finanzkrise aufkommen zu lassen. Will die Politik Kreditnehmer direkt entlasten, könnte sie auch eine Art Zinsdeckel einführen – einen Maximalzinssatz, wobei die Banken die Differenz zum Marktzins allenfalls vom Staat ersetzt bekommen. Das Geld dafür könnte wiederum aus einer erhöhten Bankenabgabe stammen. Auch Mindestzinsen für Spareinlagen wären denkbar.
Ist es sinnvoll, wenn der Staat eingreift?
Dass die Zinsschere „ein echtes Problem“ sei, gibt auch ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner zu. Bloß bei der Lösung sind die Parteien unterschiedlicher Meinung. SPÖ und FPÖ orten Marktversagen und fordern einen gesetzlichen Eingriff. Die ÖVP setzt auf Zeit und hofft, dass die Haben-Zinsen spätestens im Herbst steigen. Gleichzeitig wünscht sich die Volkspartei, dass Kredite leistbar bleiben. Wie das ohne Staatseingriff funktionieren soll, lässt sie offen. Im Grunde sind Zinsen der Preis, den Banken für ihre Leistung, den Geldverleih, verlangen. Und dieser Preis unterliegt, wie alle Preise, dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Der Staat „steuert“ die Wirtschaft im Allgemeinen über Abgaben, nicht durch Interventionen, es sei denn, eine Branche – wie es SPÖ und FPÖ derzeit der Finanzwirtschaft vorwerfen – würde ihre Marktmacht missbrauchen. Darüber entscheidet allerdings nicht die Regierung, sondern Gerichte.

Allerdings braucht eine Regierung nicht immer Gesetze, um das Verhalten von Unternehmen in eine gewünschte Richtung zu dirigieren. Auch Drohungen und – mehr oder minder – sanfter Druck können eine gewisse Wirkung entfalten. Den Energie-Versorgern richtete Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Mai recht unwirsch aus, sich angesichts der hohen Gas- und Strompreise nicht mehr „papierln“ lassen zu wollen. Parallel dazu entwickelte die Regierung freilich auch eine neue Steuer auf Übergewinne für die Branche. Ob es in Bezug auf die Banken Worten ausreichen oder ob auch hier politische Taten folgen, werden die kommenden Monate weisen.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).