Walter Klepetko

Böses Blut im AKH: Den Organspendeskandal gab es nicht, dafür Intrigen und Machtkämpfe

Die Vorwürfe wogen schwer: Chirurgen des AKH sollen sich an Lungentransplantationen bereichert und todkranke Patienten benachteiligt haben. Nun zeigt sich: Von dem eigentlichen Skandal bleibt nichts übrig.Nicht nur die Anschuldigungen gefährden den Ruf des größten heimischen Spitals, sondern auch Machtkämpfe und offene Ermittlungen zu angeblich gefälschten OP-Protokollen.

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Seltsam schnell" habe eine 47-jährige Griechin im Wiener AKH eine Lunge eingepflanzt bekommen, schrieb die "Süddeutsche Zeitung" am 19. Oktober 2019. Andere Patienten warteten oft monatelang auf ein Organ, die Frau jedoch sei innerhalb weniger Stunden am Operationstisch gelegen. 17.000 Euro hätten die Ärzte für den lebensrettenden Eingriff kassiert. Drei Mal so viel, wie eine Transplantation bei einheimischen Patienten kostet. Über dem größten österreichischen Spital schien sich ein Skandal der Sonderklasse zusammenzubrauen. Der Boulevard sprang auf. "Keine Lunge: 55 Patienten tot" titelte die "Kronen Zeitung".

Ein Lebenswerk gerät ins Wanken

Das Lebenswerk des 65-jährigen Spitzenchirurgen Walter Klepetko, der die Lungentransplantation in Wien aufgebaut und zuletzt als Arzt der Formel-1-Legende Niki Lauda Schlagzeilen gemacht hatte, geriet ins Wanken. Das war vor einem halben Jahr. Eilig betrauten die ärztliche Leitung des AKH und der Rektor der Medizinischen Universität Wien internationale Fachleute damit, den "Organ-Krimi" ("Kronen Zeitung") aufzuklären. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf, denn ein anonymer Insider hatte die Behörde mit einem dicken Dossier versorgt. Der Verdacht: Klepetko und seine Ärzte hätten Patienten gegen möglicherweise illegale Honorare auf der Organ-Warteliste vorgerückt. Danach wurde es für Wochen und Monate still um die Causa. Die Corona-Krise zog ins Land.

profil befasste sich am 27. Oktober 2019 mit der Frage, wie die griechische Patientin in Wien zu ihrer neuen Lunge gekommen war. Ein Jahr zuvor war publik geworden, dass ein namhafter Chirurg - ebenfalls im Wiener AKH -OP-Berichte gefälscht haben soll. Wahrscheinlich über 200, wie eine interne Prüfung inzwischen ergab. Dass es in der obersten Liga der Medizin mitunter unfein zugeht, ist nichts Neues. Was aber spielt sich konkret hinter der spätbrutalistischen Fassade der riesigen AKH-Betonklötze ab? In den vergangenen Monaten führte profil zahlreiche Gespräche mit Ärzten und erhielt Einblick in vertrauliche Dokumente. So viel vorweg: Der angebliche Organspendeskandal existiert nicht. Doch es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Nicht nur die Causa OP-Protokolle, in der noch Ermittlungen laufen, und die Anschuldigungen gegenüber Klepetko strapazieren den Ruf der heimischen Spitzenmedizin, sondern auch interne Kämpfe um Macht, Posten und Ansehen.

Warum ist Wien die Welthauptstadt der Lungentransplantationen?

Mit 13 Operationen pro einer Million Einwohner haben wir hierzulande die mit Abstand höchste Rate in ganz Europa (siehe Grafik), vergleichbar nur mit einem Transplantationszentrum in Toronto, Kanada. Geschuldet ist das Österreichs Lage am Rande des Eisernen Vorhangs - und dem strategischen Weitblick des Thoraxchirurgen Walter Klepetko. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 war nicht nur in Berlin eine historische: Während in Deutschlands geteilter Stadt die Mauer fiel, verpflanzte Klepetko einem 56-jährigen Wiener die erste Spenderlunge Österreichs. Operation um Operation folgte, wobei es dem Mediziner zunehmend schwerfiel, Spitzenmedizin zu betreiben, während oft nicht einmal 100 Kilometer entfernt jenseits der Grenzen Menschen starben, die er und sein Team vielleicht retten hätten können. Davon abgesehen wurden dort viele Leichen mit Organen vergraben, auf die man in Wien händeringend wartete. Klepetko stand vor der historischen Wahl, die Wiener Thoraxchirurgie abzuschotten und zu riskieren, dass nur zahlungswillige Klientel aus dem Osten zu einer State-of-the-Art-Transplantation kommt -Korruption inklusive -, oder mit den Ländern eng zusammenzuarbeiten und die jeweilige Transplantationsmedizin bis auf Augenhöhe hochzuziehen. Klepetko nahm den zweiten Weg. Als sich die Anfragen der östlichen Nachbarn mehrten, startete er 1992 Verhandlungen über eine Kooperation mit Tschechien; zwei Jahre später operierte er die ersten tschechischen Patienten in Wien. Mit am OP-Tisch standen Chirurgen aus dem Nachbarland, die lernen sollten, wie man die komplexe Prozedur ausführt. Das Kalkül ging auf. Seit 1997 transplantiert man in Prag im eigenen Zentrum. Es folgten Verträge mit Ungarn, Estland und Kroatien, wo mittlerweile ebenfalls selbstständig operiert wird. Mit Slowenien, der Slowakei, Rumänien, Zypern und Griechenland entstanden weitere Verbindungen.

Das Aufbauwerk ging nicht ohne Nervenkriege und Rückschläge vonstatten. Verhandlungen kamen ins Stocken, mitunter torpedierten Intrigen und Korruption im Gesundheitswesen der osteuropäischen Partner die Fortschritte. Einige Kooperationen florierten, andere scheiterten trotz zäher Bemühungen. Die Verträge mit Rumänien etwa wurden auf Empfehlung der Stiftung Eurotransplant aufgekündigt, ebenso jene mit der Slowakei. Unterm Strich aber ging Klepetkos Idee auf - für alle Seiten. So bilanziert etwa Miroslav Samarzija vom Transplantationszentrum Zagreb: "Seit unserer Zusammenarbeit bekamen 74 kroatische Patienten in Wien eine Lungentransplantation. Im Gegenzug lieferte Kroatien mit 157 mehr als doppelt so viele Organe, die Österreich und Eurotransplant zugutekamen."

Der Auslöser: Die griechische Patientin

Wie passt nun der Fall der erwähnten griechischen Patientin ins Bild, der im Herbst 2019 den angeblichen "Transplantationsskandal" ins Rollen brachte? Die Wiener hatten jahrelang Ärzte aus Griechenland geschult und das Transplantationszentrum in Athen mitaufgebaut; alles stand bereit für die erste Operation. Das Problem: Patientin eins litt unter einer besonders gefährlichen Form des Lungenhochdrucks. Bei der sogenannten pulmonalen venookklusiven Erkrankung (PVOD) liegt zusätzlich ein Herzschaden vor - eine seltene Diagnose, die selbst für erfahrene Chirurgen heikel ist. Als am 8. Oktober in Griechenland ein geeignetes Spenderorgan für die Patientin gefunden worden war, bat man in Wien um Hilfe. Stirbt mit der 47-Jährigen gleich die allererste Patientin, hat auch das neue Transplantationszentrum in Athen nicht die besten Überlebenschancen.

Klepetkos Team sagte zu - unter der Bedingung, dass die Organvergabe hochoffiziell abgewickelt wird. So kam Eurotransplant ins Spiel, eine 1969 gegründete Kooperation von acht Ländern, die das Zusammenführen von Organen und Empfängern dank eines großen Einzugsgebietes erleichtern soll. Es umfasst 137 Millionen Menschen aus Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Ungarn und Slowenien. Das Vergabeverfahren ist kompliziert (nachzulesen in profil 44/2019). Es gibt Ärzte, die meinen, die Griechin hätte nie auf der Wiener Warteliste landen dürfen, weil das Land nicht Mitglied des Verbunds war. Tatsächlich war Griechenland soeben selbstständig geworden, das mit Eurotransplant geschlossene Kooperationsabkommen (genannt Twinning-Agreement) abgelaufen.

Medien berichten über den angeblichen „Organspendeskandal“

Zehn Tage nach dem erfolgreichen Eingriff in Wien erhebt die "Süddeutsche Zeitung" die schweren Anschuldigungen: "Am AKH erhielten ausländische Patienten über Jahre in großer Zahl eine Spenderlunge und dies zu Lasten österreichischer (und auch deutscher) Kranker." "Bizarr" fand den Vorgang "einer, der den Fall aus nächster Nähe verfolgt hat und deshalb nicht namentlich genannt werden will". Auch Eurotransplant rügt die Absprachen zwischen Athen und Wien zum "Nachteil für Patienten aus anderen Ländern". Kurz darauf rudert Eurotransplant jedoch überraschend zurück. Es sei doch alles regelkonform abgelaufen, wenngleich die Absprachen "möglicherweise einem fairen Organzuordnungsprozess widersprochen" haben. Wie ist das zu verstehen? Auf eine neuerliche profil-Anfrage verweist man nur auf die Stellungnahme vom 25. Oktober 2019. Mehr sei nicht zu sagen. Auch die vom AKH eingesetzten internationalen Experten kamen inzwischen zur entlastenden Schlussfolgerung, "dass der Großteil der Organzuteilungen, inklusive der Fall einer griechischen Patientin, ohne formale Beanstandung waren".

Inzwischen steht auch fest, dass die Eurotransplant-Länder in Wirklichkeit von der Achse zwischen Wien und Athen profitierten. Im Laufe der Lehrjahre schickten die Griechen 61 Lungen nach Wien, aber nur 39 griechische Patienten bekamen hier ein Organ eingesetzt. Die überschüssigen 22 Lungen standen den Eurotransplant-Mitgliedern zur Verfügung. Damit ist nun allerdings Schluss. "Wir informieren Sie über unsere Entscheidung, dass wir von nun an alle überschüssigen Organe anderen europäischen Organisationen anbieten werden", schrieb Andreas Karabinis, Präsident der Hellenic Transplant Organization im November 2019 an Eurotransplant. Der Grund sei die "Enttäuschung über die negativen öffentlichen Stellungnahmen", die Eurotransplant in der "Süddeutschen Zeitung" abgegeben habe. Nachsatz: "In den vergangenen drei Wochen wurden bereits drei überzählige griechische Lungen im Ausland transplantiert."

Was von den Vorwürfen übrig bleibt? Nichts.

Was bleibt nun konkret von den schwerwiegenden Vorwürfen gegen das Lungenteam im AKH übrig? Die Antwort lautet: So gut wie nichts. Die Organbilanz fiel für Österreich insgesamt eindeutig positiv aus. In der vergangenen Dekade standen 70 Lungen mehr zur Verfügung, als an ausländische Patienten abgegeben wurden. Die Zahlen wurden vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen bestätigt. Wurden heimische Patienten benachteiligt? "In keinem geprüften Fall war eine Benachteiligung eines österreichischen Patienten im Lungentransplant-Geschehen am AKH nachzuweisen, insbesondere nicht durch die Transplantation von Patienten aus anderen Eurotransplant-Ländern oder einem Nicht-Eurotransplant-Land", heißt es dazu im kürzlich fertiggestellten Endbericht der vom AKH eingesetzten Untersuchungskommission. Dies zeigt auch die Wartelistenmortalität. Über die Jahre 2013 bis 2018 lag sie bei sechs Prozent. Im internationalen Vergleich ein hervorragendes Ergebnis: In Deutschland liegt sie im Mittel über mehrere Jahre bei acht, in Großbritannien bei zwölf, in Israel bei etwa 30 Prozent.

„Damit ist klar bewiesen, dass weder für Österreich noch für Eurotransplant ein Nachteil entstanden ist.“ Walter Klepetko, Lungenchirurg am AKH

Hat Klepetko ausländischen Patienten zu hohe Honorare verrechnet? Günther Laufer, Leiter der klinischen Abteilung für Herzchirurgie im Wiener AKH, hatte seinen Kollegen von der Thoraxchirurgie vor wenigen Monaten in einer Sitzung des Österreichischen Instituts für Gesundheitswesen (Öbig) "Transplanttourismus und Transplantkommerzialisierung" vorgehalten, wie er gegenüber profil einräumt. Dem Vorwurf widerspricht allerdings die Ärztekammer: Bei ausländischen Patienten seien "Aufschläge auf den Tarif der österreichischen Privatkrankenversicherungen üblich", die von Klepetko verrechneten 17.000 Euro pro Transplantation seien "angemessen". Klepetko nimmt davon rund 20 Prozent (obwohl ihm laut Gesetz 40 Prozent zustünden), knapp 70 Prozent gehen an sein Ärzteteam, der Rest fließt als Infrastrukturbeitrag ans AKH. Herwig Wetzlinger, Verwaltungsdirektor des Spitals, schreibt auf profil-Anfrage: "Die Prüfung der Leistungsabrechnung der durchgeführten Lungentransplantationen im Zeitraum 2016 bis Oktober 2019, in Bezug auf die Ordnungsmäßigkeit () wurde bestätigt."

Zudem wurde immer wieder behauptet, dass kaum Mediziner zu Schulungen nach Wien eingeladen worden seien. Auch dieser Vorwurf widerspricht der Faktenlage. "In den vergangenen vier Jahren waren 28 Fellows (Aufenthalt drei bis zwölf Monate) sowie 30 Observer (Aufenthalt kürzer als drei Monate) aus insgesamt 22 Ländern zur Ausbildung an der Abteilung für Thoraxchirurgie", so Walter Klepetko in einer Stellungnahme. Die offizielle Liste liegt profil vor. Der ungarische Gesundheitsminister Miklós Kásler untermauert das in einem Brief ans AKH: "Zahlreiche ungarische Mediziner wurden von Prof. Klepetko und seinem Team trainiert. Dies ermächtigte uns, ein unabhängiges, erfolgreiches Lungentransplantationsprogramm in Budapest aufzubauen." Der angebliche Skandal vertieft lange bestehende Gräben im AKH

Ist also alles in Ordnung? Mitnichten. Im größten, heimischen Spital vertiefte der angebliche Organspendeskandal lange bestehende Gräben. 2014, als das AKH 25 Jahre Lungentransplantation feierte, schien noch alles eitel Wonne. Zumindest nach außen. Prominente Gratulanten stellten sich ein. Beinahe überschwänglich lobte sogar Eurotransplant-Präsident Bruno Meiser in seinem Vortrag das "Wiener Modell" und betonte die "Versorgung von terminal Lungenkranken aus Drittländern, die ansonsten dem sicheren Tod geweiht wären" sowie den "Nutzen postmortal gespendeter Lungen, die ansonsten verworfen würden". Der Name Walter Klepetko überstrahlte den Festakt. Mittlerweile operiert der Starchirurg nur noch selten, sondern steht nachgerückten Thoraxchirurgen bei besonders komplizierten Eingriffen zur Seite. Vor einem Jahr übernahm sein Nachfolger. Klepetko könnte sich auf verdientem Lorbeer ausruhen. Doch sein Erfolg rief auch Kritiker auf den Plan.

Klepetkos Kritiker beharren trotz allem auf ihrem Standpunkt

Zu ihnen gehört der Herzchirurg Laufer, der im Eurotransplantvorstand sitzt und sich dort nach eigenen Angaben "immer für die Beendigung der Agreements (Kooperationen mit den Ostländern, Anm.) eingesetzt hat, da sie erstens nicht den gewünschten Effekt hatten und zweitens zum Nettoverlust von Spenderlungen und zum Nachteil von Eurotransplantpatienten geführt haben". Dieser Nachteil lässt sich aus den profil vorliegenden Eurotransplant-Daten und den von Öbig offiziell bestätigten Daten für Österreich nicht ersehen. Laufer bleibt dabei: "Wie man es dreht und wendet, es kommt immer ein deutlicher Verlust für Eurotransplant heraus." Die Diskrepanz: Laufer bezieht sich nicht auf Österreich, wo in der Zehnjahres-Betrachtung mit besagten 70 Lungen ein recht deutliches Plus bleibt, sondern auf den Eurotransplant-Raum. Hier zeigt sich ein differenziertes Bild. Zwar gehen in manchen Perioden tatsächlich mehr Lungen hinaus als gespendet werden. Laut Laufer fehlen zwischen 2012 und 2018 in Summe 87 Lungen. Allerdings: Über die Dekade (2009 bis 2019) gerechnet bleibt ein leichtes Plus. Das wiederum belegen Kalkulationen, die internationalen Prüfern im AKH ausgehändigt wurden. Klepetko: "Es wurden im Rahmen des jüngsten Audits die Bilanzen der Organe, die aus dem Eurotransplant-Raum über zehn Jahre hinaus- und hineingegangen sind, genau berechnet. Es zeigte sich, dass mehr Spenderorgane eingebracht wurden als Patienten von außen transplantiert wurden. Damit ist klar bewiesen, dass weder für Österreich noch für Eurotransplant ein Nachteil entstanden ist."

Gespannte Verhältnisse unter Kollegen

Die Transplantationschirurgie gilt an einer Medizinuni traditionell als eher randständiges Fach. In Wien stand für lange Zeit der berühmte Herzchirurg Ernst Wolner im Zentrum, der 1984 - gemeinsam mit Axel Laczkovics und Hermann Kassal - die erste Herztransplantation durchführte. Wolner war eine Koryphäe, nicht immer einfach im Umgang, machtbewusst. Als er 2008 emeritierte, rückte Laufer, damals ordentlicher Professor für Herz-Thorax-Chirurgie in Innsbruck, auf seinen Posten nach. Laufer schlüpfte zwar in große Schuhe, fachlich ist seine Berufung aber unumstritten.

Es gilt im AKH als offenes Geheimnis, dass der ehrgeizige Chirurg Klepetko und der Wolner-Nachfolger seit Langem ein gespanntes Verhältnis zueinander haben. Es wird auch nicht besser, als es Klepetko im Laufe der Jahre gelingt, sich neben Laufers Domäne, der Herzchirurgie, mit einer eigenen Uni-Abteilung zu etablieren und die Wiener Thoraxchirurgie über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt zu machen. Gleichzeitig leidet Laufers Fach unter dem medizinischen Fortschritt. Die Kardiologen lernen immer besser, Herzkatheter zu setzen, und laufen den Herzchirurgen damit zusehends Rang ab.

Dass sich die Lage weiter zuspitzt, hat auch mit dem Viszeralchirurgen Michael Gant zu tun. Dieser hatte bereits unter seinem Mentor und Chef der Allgemeinchirurgie, Raimund Jakesz, begonnen, Ämter, Posten, Macht und Einfluss zu sammeln. Bei den Hochschulwahlen trat er mit einer eigenen Professoren-Liste an, er wurde Leiter der Austrian Breast & Colorectal Cancer Research Group, stand dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer vor, war Mitglied der Baukommission, zog in Berufungskommissionen die Fäden und wurde schließlich Senatsvorsitzender. Als vor einigen Jahren in Innsbruck die Allgemeinchirurgie und die Transplantationsabteilung zu besetzen sind, bewirbt Gnant sich in Tirol. Gleichzeitig soll er dem Wiener Ex-Rektor Wolfgang Schütz angeboten haben, in Wien zu bleiben - unter der Bedingung, dass er, Gnant, seinen Mentor Jakesz als Chef der Allgemeinchirurgie beerbt, wenn dieser sich zur Ruhe setzt. Das Universitätsgesetz 2002 erlaubte es Rektoren, Lehrstühle nach Gutdünken zu besetzen. Tatsächlich wird Gnant 2016 umstandslos - sprich: ohne Ausschreibung - in den prestigeträchtigen Posten berufen.

Der Fall Gnant verschärft die internen Konflikte

Im Herbst 2018 platzt der Skandal um gefälschte OP-Protokolle. Der Leiter der Allgemeinchirurgie, Michael Gnant, soll sich laut Disziplinaranzeige über Jahre hinweg als erster Operateur eintragen haben lassen - vornehmlich bei Brustkrebs-Patientinnen ohne Zusatzversicherung. Den Frauen habe er in seiner privaten Ordination vorgegaukelt, selbst das Skalpell zu führen. Dabei sei er bei den Eingriffen nicht einmal am OP-Tisch gestanden. Von ihm abhängige Ärzte hätten die falsche Protokollierung mit Unterschriften bezeugt. Das förderten interne Untersuchungen ans Licht, die in besagte Disziplinaranzeige mündeten. Das Verfahren bei der Kommission im Ministerium läuft.

Gnant wurde suspendiert. Laufer avancierte zum interimistischen Leiter der Chirurgie, musste aber bald hinter seinen Widersacher zurückgetreten. Ausgerechnet Klepetko wird im Juni des Vorjahres Klinikchef - und damit Gnants Nachfolger. Im Mai des Vorjahres vergleicht Gnant sich vor dem Arbeits- und Sozialgericht mit seinem Arbeitergeber. Details dazu sind nicht zu erfahren. Gnant äußert sich auf profil-Anfrage nicht. Sein Anwalt verweist auf die Verschwiegenheitsklausel, die sein Mandant im Rahmen des Vergleichs unterschrieben habe. Das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft ist noch offen. Außerdem läuft neben der erwähnten Untersuchung bei der Disziplinarkommission im Ministerium noch ein Prüfverfahren in der Ärztekammer. In einem ausführlichen Interview mit der Tageszeitung "Die Presse" im November 2018 wies Gnant alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen vehement zurück: Zwar räumte er ein, er hätte sich "sorgfältiger um die Dokumentation kümmern" müssen, jedoch habe er "weder selbst Protokolle gefälscht noch angewiesen, sie zu fälschen".

Insider-Informationen gehen an die Medien, übrig bleibt ein Scherbenhaufen

Als im Oktober via "Süddeutsche Zeitung" den Thoraxchirurgen unter Klepetko undurchsichtiges Gebaren bei der Organvergabe und möglicherweise illegale Honorare unterstellt werden, ist die Operation der 47-jährigen Griechin gerade einmal zehn Tage her. Das deutsche Qualitätsmedium wurde mit Daten versorgt, die nur Insidern im AKH, bei Eurotransplant oder Öbig (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen) zugänglich sind. Laut profil-Informationen ging der Fall an die Presse, bevor die interne Revision oder die Staatsanwaltschaft von den vermeintlichen Malversationen erfuhren. profil fragte den Herzchirurgen Laufer, ob er wisse, wer den Fall Klepetko hinausgespielt habe. "Das entzieht sich meiner Kenntnis. Nach der Diskussion im großen Vorstand (von Eurotransplant, Anm.) kommen viele infrage. Nachdem aber jahrelang immer wieder internationale Regeln ohne wesentliche Konsequenzen verletzt wurden [ ] ist das Vorgehen nicht verwunderlich." Kalmierend klingt das nicht. Die Medizinuni hat nun einiges zu tun, den Scherbenhaufen aufzuräumen.

Wie geht es eigentlich der griechischen Patientin, an deren Fall sich der Konflikt entzündete?

Keiner habe je nach ihrem Befinden gefragt, sagt Klepetko. Sie wurde zwei Monate nach dem schweren Eingriff mit einer neuen Lunge aus dem AKH entlassen. Sie ist wohlauf.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges