Demnächst fällt Beschluss, ob Senioren das AstraZeneca-Vakzin erhalten
Corona

Coronavirus: Wirkt der AstraZeneca-Impfstoff viel schlechter?

Was aus wissenschaftlicher Sicht vom umstrittenen und nun doch zugelassenen AstraZeneca-Impfstoff zu halten ist.

Drucken

Schriftgröße

Zuletzt herrschte einige Empörung über den Pharmakonzern AstraZeneca - wegen der Debatten um Lieferengpässe, aber auch aufgrund von Zweifeln an der Wirksamkeit des Impfstoffs AZD1222. Stimmt der Verdacht, es handle sich um ein schlampig erforschtes und wenig wirksames Präparat?


Wirkt der Impfstoff bei alten Menschen nur zu acht Prozent?

Nein. Wie diese Zahl in die Welt kam, ist nicht klar. Es handelt sich wohl um eine Verwechslung: Acht Prozent der Teilnehmer an den Impfstoffstudien waren 56 bis 69 Jahre alt. Die Zahl betrifft somit die Altersstruktur, nicht aber die Wirksamkeit.


Ist der Impfstoff an alten Menschen gar nicht erforscht?

Es wird behauptet, der Impfstoff sei nicht an Personen über 55 Jahre getestet worden und daher nicht für Risikogruppen geeignet. Das stimmt nicht: Acht Prozent waren 56 bis 69 Jahre alt, vier Prozent älter als 70 Jahre, 88 Prozent zwischen 18 und 55. Soweit bekannt, ist das Präparat bei Älteren nicht auffallend weniger effektiv. Vermutlich deshalb gab es nun auch keine Einwände gegen eine Zulassung bei über 65-Jährigen. Experten bemängelten zuvor trotzdem, dass der Anteil älterer Menschen in den Studien zu gering sei, um statistisch belastbare Aussagen über die Wirksamkeit darauf zu gründen. Insofern wäre es naheliegend, das Präparat schwerpunktmäßig jüngeren Personen zu verabreichen.

Wirkt der Impfstoff viel schlechter als die beiden anderen zugelassenen?

Für AZD1222 wurden 70 Prozent Wirksamkeit errechnet. Wie kommt man darauf? Man beobachtet, wie viele unter allen Probanden sich mit SARS-CoV-2 anstecken. Im konkreten Fall wurden Daten von 131 solchen Personen ausgewertet. 30 stammten aus der Impfstoff-,101 aus der Placebogruppe. Daraus ergaben sich die 70 Prozent Effektivität. Man sollte sich aber nicht zu sehr auf diese Prozentsätze kaprizieren: Bei so geringen Fallzahlen haben einige wenige Fälle mehr oder weniger gewaltige Hebelwirkung, ohne dass dies einen großen Unterschied auf die reale Wirksamkeit haben muss. 70 Prozent müssen daher nicht zwingend dramatisch schlechter als zum Beispiel 80 Prozent sein. Die beiden mRNA-Vakzine haben (ebenfalls anhand geringer Infektionszahlen berechnet) mit über 90 Prozent enorm hohe Wirksamkeit, jene von AstraZeneca ist zwar statistisch merklich geringer, von dürftiger Effektivität kann aber keine Rede sein.

Außerdem gibt es auch andere Faktoren zu deren Bewertung: So bestimmt man bei den Studienteilnehmern die Titer der Antikörper, erklärt Christina Nicolodi, Virologin und Beraterin für Zulassungsfragen von Arzneimitteln. Für andere Viren liegt diese Schwelle bei einem vierfachen Anstieg im Titer der Antikörper. Im Fall der Impfstoffe gegen das Coronavirus ist dieser Wert wissenschaftlich noch nicht bestätigt, liegt aber nach Impfungen mit AZD1222 über dieser Schwelle.

Was hat es mit dem Chaos um die Impfdosen auf sich?

Einen Preis für elegantes Studiendesign wird Astra-Zeneca kaum gewinnen. Es ist schwierig, sich in den Unterlagen zurechtzufinden. Gewiss ist: In die jüngste Auswertung flossen Daten von 11.636 Personen aus Großbritannien, Brasilien und Südafrika ein. Im britischen Arm der Studie gab es 1367 Menschen, die statt zwei Mal eine volle Dosis zunächst eine halbe und dann eine ganze Dosis erhielten. Paradoxerweise war bei Letzteren die Wirksamkeit höher. Das könnte am unterschiedlichen Alter der jeweiligen Probanden liegen, an ungleichen Abständen zwischen den Impfdosen oder an Immunreaktionen auf den Vektor-ein Erkältungsvirus, das als Fähre für die Wirksubstanz dient. In der Realität muss die Diskrepanz nicht viel bedeuten, dennoch hält es Nicolodi für sinnvoll, die Impfpläne an die effektivere Verabreichungsform anzupassen.


Hat der AstraZeneca-Impfstoff auch Vorteile?

Ja. Zum Beispiel kann er bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden. Außerdem wurde er auch an immunschwachen Personen getestet: an HIV-Infizierten in Südafrika, was eine wichtige Erkenntnis ist. Fazit: Es wird mit Sicherheit mehrere Impfstoffe mit unterschiedlichen Ansätzen brauchen, und allein deshalb ist das Präparat eine sinnvolle Ergänzung.