Verschwörungsmythen

Exorzismus in Österreich: Von Dämonen, bösen Geistern und Scharlatanen

Ein neues Sachbuch ergründet den Teufelsglauben in der Geschichte Österreichs. Die Autoren fanden in den Archiven spektakuläre Fälle von Besessenheit und Exorzismus – und ziehen Parallelen zu aktuellen Verschwörungsmythen und zur Dämonisierung Andersdenkender.

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Der Teufel sprach Tirolerisch. In breitem Dialekt empörte er sich über die Laster der Menschheit. Besonders das Tanzen missfiel ihm. Dann verließ er sein Opfer, das Ötztaler Bauernmädchen Johanna Scheiber. Er fuhr aus der armen Besessenen aus, gemeinsam mit angeblich Millionen Kollegen, was einen höllischen Stau ergeben haben muss.

Die Austreibung war Ergebnis eines Exorzismus, der Anfang Mai 1783 stattfand. Herausforderer des personifizierten Bösen waren Augustiner-Eremiten im Tiroler Seefeld, die den Kampf gegen die Dämonen aufnahmen, bis sie vom gepeinigten Mädchen abließen. So zumindest überlieferten Chronisten die Begebenheit. Skeptische Geister bezweifelten die Darstellung jedoch. Auch in Österreich war das Zeitalter der Aufklärung angebrochen, vielen rätselhaften Phänomenen näherte man sich nun mit dem Blick der Naturwissenschaft, und die Geschichte von einem Teufel, der in Tiroler Mundart schimpft, klang doch etwas skurril. Kritiker vermuteten, der Klerus habe eine psychisch kranke Frau benutzt, um mit dem „Wunder von Seefeld“ die Wallfahrt nach Tirol zu bewerben.

Der Fall ist eines von vielen österreichischen Exorzismus-Beispielen, die ein Wissenschafterteam für ein neues Buch in den Archiven aufgestöbert hat. Es trägt den Titel „Dämonen“ und befasst sich mit Vorstellungen von Besessenheit und Praktiken der Teufelsaustreibung im Lauf der Zeit bis ins 21. Jahrhundert. Die Autoren – der Historiker Gerhard Ammerer, die Religionswissenschafterin Nicole Bauer und der Soziologe Carlos Watzka – spannen einen weiten Bogen: von antiken Kobolden und Zwischenwesen, teils Mensch, teils Gott, über die jüdischen Totengeister Dibbukim und Unholde der muslimischen Welt bis zum dämonischen Personal der christlich-katholischen Lehre. Zentral bei Letzterer ist die Erzählung von gefallenen Engeln, deren Chef der Teufel ist, der ein Heer von Dämonen befehligt, darunter Beelzebub, Beliar und Satan.

Von Dämonen umzingelt

In der Gedankenwelt der Katholiken belauern, bedrohen und umzingeln Dämonen die Menschen ständig, zur Strafe für deren Sünden oder aus reiner Bosheit. Manchmal ergreifen sie Besitz von den Körpern, was als eigentliche Besessenheit verstanden wird. Wie Parasiten dringen sie, oftmals als dürre, insekten- oder vogelartige Wesen dargestellt, über Mund, Nase oder Ohren in ihre Opfer ein und übernehmen die Kontrolle über Geist und Körper. Helfen kann da nur ein Exorzist.

Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft