Sonnenenergie

Photovoltaik boomt: Lohnt sich eine eigene Anlage auf dem Dach?

Solarstrom spielt im Kampf gegen den Klimawandel eine zentrale Rolle. Wie gut ist die Photovoltaik?

Drucken

Schriftgröße

Ein Wiener Forscherteam störte es seit Langem, dass Flachdächer mit Solarpaneelen für erholungsbedürftige Menschen in den Städten verloren sind. Warum geht nicht beides, Gründach und Sonnenstrom? Mit dieser Frage im Kopf entwarfen Irene Zluwa und ihre Kollegen ein Konzept, für das sich heute Architekten aus ganz Europa interessieren.

Zwei Jahre lang pflanzten sie Gemüse, Kräuter und Blumen unter lichtdurchlässige Photovoltaik-Module und prüften, unter welchen Bedingungen sie am besten wachsen. Dann bauten sie auf dem Flachdach der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien-Döbling eine Versuchsanlage. Aus der grauen Raucherecke entstand eine Stadtoase, die Studenten, Lehrkräften und Pflanzen Schatten spendet - und gleichzeitig Strom produziert.

Ausbau in Österreich: Mit den Dächern allein geht sich die Energiewende bis 2030 nicht aus. Freiflächen und Agrophotovoltaik werden immer wichtiger.


Weltweit boomt die Photovoltaik seit gut zehn Jahren, Österreich hinkte lange hinterher. Will die Regierung ihre Energieziele erreichen, muss sich das schleunigst ändern. Erste Weichen sind gestellt: Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) verdoppelte im Februar das jährliche Förderbudget für kleine Anlagen von 50 auf 100 Millionen Euro. Bis 2030 soll auf einer Million heimischer Dächer Sonnenstrom gesammelt werden. Wird das ausreichen? Welche Rolle wird die Sonnenenergie bei der Energiewende spielen? Und rechnet sich eine Photovoltaikanlage für einen Einzelhaushalt überhaupt?

Wer Solarenergie auf seinem Dach nutzen will, für den ist die ideale Zeit gekommen. Die Technologie ist so effizient und billig wie noch nie: 8500 Euro muss die Besitzerin eines Einfamilienhauses in etwa investieren, wovon der Staat 1250 Euro übernimmt, macht also insgesamt 7250 Euro. Vor zehn Jahren mussten Private doppelt so viel für eine fünf Kilowatt-Anlage berappen. "Viel günstiger werden die Photovoltaik-Anlagen nicht mehr", sagt Vera Immitzer, Geschäftsführerin vom Verband Photovoltaic Austria. Nach acht bis zehn Jahren hat sich die Anlage amortisiert. Wie schnell es tatsächlich geht, hängt vom eigenen Stromverbrauch ab. Denn: Sonnenstrom fließt naturgemäß nur tagsüber. Wer also darauf achtet, Waschmaschine, Geschirrspüler und E-Auto zur richtigen Zeit anzustecken, für den zahlen sich die Paneele schneller aus.


Sowohl Private als auch die Betreiber von Großanlagen setzen derzeit auf die Technologie mit dem Namen Mono-PERC. Diese monokristallinen Siliziumzellen fangen die Strahlung auch bei bedecktem Himmel ein und erreichen einen Wirkungsgrad von über 21 Prozent (26 Prozent sind physikalisch möglich). Seit etwa zwei Jahren sind die Module bifazial erhältlich-das heißt, sie nehmen auch von der Rückseite Strahlung auf. Auf einem schwarzen Dach bringt das aufgrund der geringen Reflexion wenig, bei hellem Untergrund können sich die um etwa fünf Prozent höheren Anschaffungskosten aber durchaus rechnen. Auf dem Boden oder auf dem Flachdach heißt das: Weißer Kiesel steigert die Erträge um 15 bis 20 Prozent, bei Grasflächen kommt man immerhin noch auf fünf Prozent.

Irene Zluwa und das Team von der BOKU entschieden sich für monokristalline Modelle, die 30 Prozent des Sonnenlichts durchlassen. "Salat, Basilikum, Chili, Mangold und Gräser gedeihen darunter wunderbar", sagt die Forscherin. Mittlerweile ist auch das Dach eines neuen Unigebäudes (Tüwi) am Wiener Türkenschanzpark mit einer Pergola aus Solarmodulen bestückt. "Die Kosten sind ähnlich hoch wie bei einem Wintergarten", sagt Zluwa.


Sonnenstrom hat eine gute Öko-Bilanz. Etwa 2,5 Jahre muss eine Anlage laufen, bis sie jene Energiemenge produziert hat, die bei ihrer Herstellung angefallen ist. "Das kann sich bei einer Lebensdauer von mindestens 25 Jahren sehen lassen", sagt Robert Höller von der FH Oberösterreich. Der Wissenschafter kennt die Pionier-Anlagen Österreichs, die man Anfang der 1990er-Jahre installiert hat - und sie laufen immer noch einwandfrei. Lediglich der Wechselrichter, der den gewonnenen Gleich- in Wechselstrom umwandelt, muss nach etwa 15 Jahren getauscht werden. Während der Wechselrichter zu Elektroschrott wird, können ausgediente Solarpaneele fast zu 100 Prozent recycelt werden.

"Die Photovoltaik explodiert förmlich."
Ida Poinstingl, die gerade eine Solaranlage in Sibirien installierte


Erfunden wurde die Silizium-Solarzelle Anfang der 1950er-Jahre. Richtig durchgestartet ist sie um 2010, als China die Technologie für sich entdeckte. Bis heute wird das Gros der Zellen in China gefertigt, wodurch die Photovoltaik immer billiger wurde. Auch die USA setzen verstärkt auf Sonnenstrom. Silicon-Valley-Giganten wie Google errichten riesige Kraftwerke in Arizona und anderen Staaten des Südwestens, und sogar die US-Armee bezieht mittlerweile einen großen Teil ihres Energiebedarfs aus Solarzellen. In Europa führt Deutschland mit großem Abstand vor Italien und Großbritannien.

Weltweit sind heute Photovoltaik-Anlagen mit 627 Gigawatt Leistung installiert. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches europäisches Atomkraftwerk schafft 1,5 Gigawatt. Insgesamt ist die Ausbeute trotz des enormen Booms noch relativ gering: Der Anteil der Solarenergie liegt auf dem internationalen Energiemarkt bei nur knapp drei Prozent. Doch das wird sich ändern, denn auch Erdölländer wie Saudi-Arabien setzen massiv auf Sonnenergie. Gemeinsam mit Japan plant der Golfstaat ein 200 Milliarden Dollar teures Sonnenkraftwerk. Es soll eine Leistung von 200 Gigawatt erbringen und wird 100 Mal größer sein als die derzeit größten Anlagen.

Was ist bei Kauf und Betrieb einer Photovoltaik-Anlage zu beachten?

Die Technologie der Wahl sind monokristalline PERC-Module, möglicherweise bifazial (das heißt, die Strahlung wird auf Vorder-und Rückseite aufgenommen).

Man sollte mindestens zwei Angebote einholen, raten Experten. Der potenzielle Anbieter sollte den Standort besichtigen, denn: Sonnenstromanlagen sind immer individuell. Dachneigung und Farbe, Schornsteine und Gaupen, Bäume im Garten, Himmelsrichtung und umstehende Berge haben Einfluss auf Modell und Ertrag.

Der Fördertopf für Kleinanlagen wurde heuer auf 100 Millionen Euro verdoppelt, es gilt aber weiterhin das Prinzip first come first serve. Eine Anlage für ein Einfamilienhaus liefert fünf Kilowatt pro Jahr und kostet etwa 8500 Euro, davon übernimmt der Staat 1250 Euro. Manche Firmen kümmern sich auch um die Förderanträge.

Solarzellen sind auch in der Fassade möglich. Sie sind in allen Farben erhältlich (wobei das klassische Schwarz am meisten Ertrag liefert).

Dachgärten und Solaranlagen schließen einander nicht aus. Studien zeigten ideales Pflanzenwachstum bei einer Lichtdurchlässigkeit von 30 Prozent. Der Preis ist mit dem von Wintergärten vergleichbar.

In der Landwirtschaft sind Sonnenmodule vielfältig einsetzbar: Hühner und Schafe schätzen sie auf der Weide, manche Getreide-und Gemüsesorten gedeihen unter der Beschattung sogar besser.

Am effizientesten sind Sonnenstromanlagen im Frühjahr und im Herbst. Im Sommer setzt die Hitze den Paneelen zu und schmälert den Ertrag.

Je mehr man tagsüber von seinem eigenen Strom verbraucht, desto schneller ist die Anlage abbezahlt (im Schnitt dauert das zwischen acht und zehn Jahre, nachzurechnen auf pvaustria.at/sonnenklar_rechner). Die Module halten 20 bis 30 Jahre und verlieren kaum an Leistung. Der Wechselrichter muss etwa alle 15 Jahre getauscht werden (Kosten: ca. 1000 Euro).
Wer den eigenen Strom auch nachts nutzen möchte, benötigt einen Speicher. Diese kosten rund 8000 Euro, je nach Notstrom-bzw. Inselfähigkeit.

In Energiegemeinschaften ist es möglich, den Strom, der auf einem Mehrparteienhaus erzeugt wird, mit allen Bewohnern zu teilen. Das für den Sommer geplante neue Erneuerbaren Ausbau-Gesetz (EAG) sieht solche Gemeinschaften auch über Grundstücksgrenzen hinweg vor.


Die Schweiz, Deutschland und Österreich reißen sich gerade um ein Pilotprojekt , das ein Stück Autobahn mit Photovoltaik überdachen wird. Das eine Million Euro schwere Experiment namens PV-Süd, das von allen drei Ländern finanziert wird, soll viele Fragen klären: Wie wartungsintensiv sind Solarmodule über der Fahrbahn? Wie viel Licht sollen sie durchlassen? Welche mechanische Stabilität müssen die Anlagen erfüllen? Schont die Überdachung den Straßenbelag? Und bietet sie Lärmschutz? "Noch heuer soll mit dem Bau begonnen werden", sagt Christoph Mayr vom AIT Austrian Institute of Technology, das die Leitung des Projekts innehat.

Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen? Das ist der ambitionierte Plan der schwarz-grünen Regierung bis 2030. Wollen wir das schaffen, geht das nur mit einem massiven Ausbau der Photovoltaik. Das Problem: Derzeit liefert die Sonne hierzulande nur 1,2 Prozent des Stromaufkommens, in zehn Jahren müssten es 15 Prozent sein. Dafür reichen die heimischen Dächer bei Weitem nicht aus, auch wenn die meisten Industriehallen mit Solarpaneelen bestückt werden würden. Selbst wenn man Fassaden, Parkplätze, Verkehrsflächen und Deponien einrechnet-den größten Brocken müssten Anlagen auf der freien Fläche liefern.

150 Schafe werden sich ab April auf einer Weide im Osten Wiens tummeln. Wenn es regnet, werden sie Unterschlupf unter den mehr als 25.000 PhotovoltaikModulen finden. Anfang März eröffnete die Stadt die bislang größte Solaranlage Österreichs, die 4900 Haushalte mit Strom versorgen wird. Während die Schafe in der Schafflerhofstraße für die Mahd zuständig sind, wird in einem anderen Teil der Fläche Gemüse wachsen. Die Paneele stehen hier vertikal, Traktoren können die Reihen dazwischen beackern.

Versuchsfelder des deutschen Fraunhofer-Instituts zeigten, wie gut die sogenannte Agrophotovoltaik funktioniert. Ein Bauer kann bei einer Doppelnutzung 83 Prozent der Sonnenergie ernten, die er auf einem reinen Solarfeld ernten würde-und dazu mehr Gemüse als auf einem normalen Acker. Denn: Erdäpfel, Sellerie und Winterweizen profitieren von den schattenspendenden Solarmodulen. Die Versuchsfelder am Bodensee lieferten zwischen drei und zehn Prozent mehr Ertrag.

Doch was heißt das für Österreichs Landschaftsbild? Werden bald alle Äcker unter schwarzen Schildern verschwinden? Keine reizvolle Vorstellung, ist doch die Alpenrepublik seit Jahrzehnten Europameister im Flächenverbrauch. Jährlich verschwinden 43 Quadratkilometer unter Beton. Im Vergleich dazu würde die Agrophotovoltaik allerdings wenig Platz beanspruchen: 57 Quadratkilometer Solarflächen benötigen wir insgesamt, um bis 2030 reinen Ökostrom zu produzieren. Das entspricht 0,2 Prozent der heimischen Felder- und ziemlich genau der Fläche der gesetzlich vorgeschriebenen Grünlandbrachen.

Ein weiterer Vorteil: Solarfelder versiegeln den Boden nicht. Der Regen kann zwischen den in den Boden getriebenen Metallständern versickern, Beton wird hier nicht benötigt. Studien zeigten zudem, dass Solaranlagen im Vergleich zu intensiver Landwirtschaft die Biodiversität fördern.

Der größte Stolperstein beim Ausbau der Sonnenergie ist die österreichische Bürokratie. Neun verschiedene Bauordnungen in den Bundesländern, von denen die meisten auf der Bremse stehen; eine fehlende Strategie für den Netzausbau und ein Förderdschungel, der momentan Großanlagen an Industriestandorten behindert. "Es liegt kein österreichweiter Masterplan vor, der ein strukturiertes Vorgehen bei der massiven Einführung der Photovoltaik sicherstellt", so das Resümee einer umfassenden Studie der FH Technikum Wien. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) sollte eigentlich seit Jänner Abhilfe schaffen, verzögert sich aber nun mindestens bis zum Sommer.

Wenn nicht gerade eine Pandemie wütet, ist Ida Poinstingl in der ganzen Welt unterwegs. Zuletzt betreute die Ingenieurin des Wiener Generalunternehmers LSG Group den Bau einer Photovoltaikanlage in Sibirien. 20 Hektar Kaltsteppe liefern nun Sonnenstrom für 5000 Haushalte. Die Technologie sei so ausgereift und günstig, dass sie mittlerweile auch im hohen Norden mit konventionellen Produzenten mithalten könne, sagt Poinstingl: "Die Photovoltaik explodiert förmlich."

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.