Wie die Corona-Krise die Klimamodelle der Zukunft beeinflussen wird

Streifenfreier Himmel

Wie die Corona-Krise die Klimamodelle der Zukunft beeinflussen wird.

Drucken

Schriftgröße

Stillstand auf den Straßen, in der Industrie, im Flugverkehr - in der Luft macht sich das bereits bemerkbar. In der Stadt Salzburg und an der Inntalautobahn in Tirol wurden während der ersten Wochen des allgemeinen Shutdowns deutlich weniger Stickstoffoxide gemessen als sonst, ebenso in Linz und Graz. In Echtzeit lässt sich diese Entwicklung auf einer neuen Website des Unternehmens DataCove, des Umweltbundesamts und des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung in Karlsruhe beobachten (datacove.eu/ad-hoc-air-quality). In Wien sanken die Luftwerte hingegen weniger drastisch. "Bei klarem Himmel und geringen Windgeschwindigkeiten bilden sich nachts Kaltluftseen, und die Schadstoffe reichern sich in Bodennähe an. Damit zeigen sich selbst bei niedrigeren Emissionen höhere Konzentrationen", sagt Christian Nagl vom Umweltbundesamt. Bei normalem Straßenverkehr wären die Werte allerdings noch viel höher ausgefallen. Erst eine polare Strömung brachte Erleichterung.

Wenig Erfolg zeigt der Stillstand beim wichtigsten Treibhausgas, CO2, Kohlendioxid hat eine Lebensdauer von mehr als 100 Jahren. Es fällt also nicht ins Gewicht, wenn ein halbes Jahr lang deutlich weniger davon in der Atmosphäre landet. Sollten wir, wie erhofft, die Emissionen zwischen 2030 und 2050 auf null reduzieren, würden sich die Effekte erst 2100 signifikant bemerkbar machen. Nur ein Mal in der Geschichte des Tiroler Sonnblick-Observatoriums, einer von weltweit 150 Messstationen für die offiziellen Berechnungen, konnten Meteorologen einen leichten Rückgang der CO2-Werte feststellen: als die Weltwirtschaft 2008 eine Vollbremsung hinlegte. Schon zwei Jahre später erreichten die CO2-Emissionen neue Rekordwerte. "Diese Entwicklung müssen wir durchbrechen", forderte kürzlich Petteri Taalas, der Generaldirektor der Weltmeteorologiebehörde (WMO).

Große Hoffnung setzen Klimaforscher in den fehlenden Flugverkehr. "Noch nie blieb der Großteil der Flugzeuge über mehrere Jahreszeiten hinweg auf dem Boden",sagt Gerhard Wotawa, Obmann des österreichischen Klimaforschungsnetzwerks Climate Change Centre Austria (CCCA). Die Luftfahrt spielt bei der Erderwärmung eine doppelt fatale Rolle: Einerseits emittiert sie enorme Mengen CO2, andererseits verhindern die Kondensstreifen das Entweichen von Wärme ins Weltall. Die künstlichen Wolken umspannen den Globus an normalen Tagen wie ein wärmendes Netz; dieser Effekt dürfte jenen des CO2-Ausstoßes der Flugzeuge sogar noch übertreffen.

Diesmal erwarten wir auf jeden Fall Effekte in Bezug auf die Erderwärmung

Schon länger wird in der Fachwelt diskutiert, ob man Flugrouten bei gewissen Wetterlagen ändern sollte, um eine verstärkte Wolkenbildung zu vermeiden. Nun lässt sich der Globus erstmals seit dem 11. September 2001 ohne Kondensstreifen studieren. Damals war die Zeitspanne für stichhaltige Ergebnisse zu kurz. "Diesmal erwarten wir auf jeden Fall Effekte in Bezug auf die Erderwärmung",sagt Wotawa. Er setze zudem auf den Lerneffekt der zu Hause arbeitenden Bevölkerung und ihrer Arbeitgeber. Auch nach der Corona-Krise müsse nicht jedes Meeting persönlich stattfinden, nicht alle ausgefallenen Konferenzen müssten im Herbst nachgeholt werden. Denn, wie es Klimaaktivistin Greta Thunberg vergangene Woche in einem Interview mit dem Magazin "New Scientist" ausdrückte: "Im Gegensatz zur Corona-Krise können wir beim Klimawandel nicht darauf hoffen, dass er vorbeigeht."

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.