Wissenschaft

Was mit Ihnen passiert, wenn Sie in ein Schwarzes Loch fallen

Eins vorneweg: Lebend kommen Sie da nicht mehr raus. Mitunter erleben Sie aber noch den Spaghetti-Effekt.

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Lohnt sich eine Reise zu Schwarzen Löchern?
Prinzipiell ja. Der Anblick wäre spektakulär: Im Umfeld wirbeln Unmengen glühend heißer, grell leuchtender Materie in wildem Strudel um das Schwarze Loch, bevor sie hineinstürzen und für immer verschlungen werden. Zugleich schießen oft Materie-Jets weit hinaus ins All. Der Haken: Das nächste Schwarze Loch ist 1600 Lichtjahre entfernt. Das Licht mit einem Tempo von 300.000 Kilometern pro Sekunde bräuchte also 1600 Jahre, um dorthin zu gelangen. Und das ist in kosmischen Maßstäben praktisch noch ums Eck. Für Sie geht sich das aber leider nicht aus, auch wenn Sie viel Resturlaub abzubauen haben.
Darf man sich einem Schwarzen Loch nähern?
Das wäre kein Problem (im theoretischen Fall, dass man hinreisen könnte). Die verbreitete Vorstellung, Schwarze Löcher seien kosmische Staubsauger, die alles in weitem Umfeld verschlucken, ist zwar eingängig, aber falsch. Könnte unsere Sonne zu einem Schwarzen Loch werden (was nie der Fall sein wird, sie wird langweilig als Weißer Zwerg enden), müsste sie zuerst ihre gesamte Masse in einer Kugel von sechs Kilometer Durchmesser komprimieren, dann wäre ihre Gravitation stark genug und die Job description für ein Schwarzes Loch erfüllt. Würde die Erde deshalb schleunigst von dem Massemonster verschluckt werden? Nein, sie würde weiterhin gemütlich ihre Bahnen ziehen, bloß das Wetter wäre mies, weil die Sonne nicht mehr leuchtet. Sie dürfen sich also, ein solides Raumschiff mit guten Triebwerken vorausgesetzt, durchaus einem Schwarzen Loch nähern. Sie müssen bloß in sicherer Distanz zum sogenannten Ereignishorizont bleiben – das ist der point of no return, und dahinter kann nichts, nicht einmal Licht entkommen. Wo der Ereignishorizont (oder Event Horizon) liegt, können wir leider nicht beantworten – hängt vom Schwarzen Loch ab, das Sie sich aussuchen.
Was geschieht hinter dem Ereignishorizont?
Wenn Sie zu denen gehören, die immer alles selber ausprobieren müssen, bitte sehr. Wenigstens werden Sie später nicht sagen, wir hätten Sie nicht gewarnt. Dann werden Sie nämlich gar nichts mehr sagen, weil Sie bald tot sind. Wenn Sie also unbedingt den Ereignishorizont überqueren müssen, sollten sie sehr sorgfältig bei der Wahl des Schwarzen Lochs sein. Es gilt die Regel: Je größer, desto besser. Vermeiden Sie kleine stellare Schwarze Löcher, die entstehen, wenn Sterne kollabieren. Wenn Sie dort hineinfallen, werden Sie Opfer des sogenannten Spaghetti-Effekts (auch Spaghettifizierung genannt). Das ist tatsächlich ein Fachbegriff, den Stephen Hawking prägte. Sagen wir, Sie springen mit den Füßen voran in ein kleines Schwarzes Loch. Dann wirkt die enorme Gravitation stärker auf ihre Füße als auf den Kopf, und Sie werden gnadenlos in die Länge gezogen, und zwar immer mehr, je tiefer Sie ins Schwarze Loch fallen. Irgendwann würde der Körper dieser kosmischen Streckbank nicht mehr standhalten. In einem großen Schwarzen Loch mit entsprechendem Durchmesser würden Sie davon hingegen gar nichts merken. Sie würden einfach stundenlang immer tiefer fallen, bis Sie in der Singularität ankommen, wo Raum, Zeit und die Gesetze der Physik enden. Und Sie auch. Die gute Nachricht: Sie brauchen sich nur ein One-way-Ticket kaufen.
Kann man eine Postkarte aus einem Schwarzen Loch schicken?
Leider nein. Wenn Sie noch eine SMS absetzen möchten (etwa: „Super Aussicht, aber am Horizont ist es ziemlich finster“), sollten Sie das tun, bevor Sie den Ereignishorizont erreichen. Schon davor muss Ihnen klar sein, dass ihre Lieben ziemlich lange auf eine Nachricht warten müssen. Denn Gravitation krümmt nicht nur den Raum, sondern bremst auch die Zeit. Und je näher Sie dem Schwarzen Loch kommen, desto stärker wird die Gravitation, und desto langsamer vergeht die Zeit – allerdings nur für die Menschen draußen, Ihnen selber kommt alles völlig normal vor. Wenn Sie das seltsam finden, beschweren Sie sich bitte bei Albert Einstein. Am Horizont beziehungsweise in dessen Innerem können Sie sich die Nachricht gleich sparen: Dort ist die Gravitation so stark, dass Licht nicht mehr nach draußen gelangt. Und ein Funksignal ist auch nichts anderes als eine Form von Licht. Man kann sich das vorstellen, als würde man auf einer Rolltreppe gegen die Fahrtrichtung laufen, aber nie schnell genug, um nach oben zu gelangen. So geht es dem Licht in einem Schwarzen Loch. Und daher werden Sie nie jemandem erzählen können, ob Ihnen der Trip gefallen hat.
Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft