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Sisi-Stern: Das berühmteste Schmuckstück aus Österreich

Sisi-Stern. Das berühmteste Schmuckstück aus Österreich

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Von Michaela Ernst

Das bekannteste Schmuckstück aus Österreich ist mit 46 Brillanten besetzt, hat zehn Zacken und einen prägnanten Namen: Sisi-Stern. Bekannt wurde er durch das 1865 entstandene Porträt des deutschen Malers Franz Xaver Winterhalter, auf dem Kaiserin Elisabeth mit neun in ihr Haar eingeflochtenen glänzenden Sternen zu sehen ist. Wann der legendäre Haarschmuck genau erfunden wurde, ist nicht bekannt - nur so viel: "Er dürfte in den 1850er-Jahren entworfen worden sein“, wie Christoph Köchert vermutet, einer der drei Geschäftsführer des gleichnamigen Wiener Traditionsjuweliers, der dieser Tage sein 200-jähriges Bestehen feiert. Einer seiner Vorfahren, der Hof- und Kammerjuwelier Alexander Emanuel Köchert, hatte die Preziose entworfen.

Dass diese Informationslücke ein derart berühmtes Stück betrifft, wirkt in Zeiten, in denen Geheimnisse grundsätzlich von der Bildfläche verschwinden, beinahe legendenverstärkend. So wird man nie letztgültig erfahren, wann die berühmten Sisi-Haarsterne zum ersten Mal auf dem Haupt der Kaiserin funkelten. Viele der Köchert-Kreationen sind zwar seit der Eröffnung des von Theophil Hansen gestalteten Stammhauses am Wiener Neuen Markt 15 im Jahre 1814 registriert, allerdings gingen viele der Skizzen während der beiden Weltkriege verloren. Möglicherweise war aber auch Alexander Emanuel Köchert von dem Erfolg des vergleichsweise schlicht gehaltenen Schmuckstücks überrascht - war er es doch gewohnt, opulente Diademe oder kunstvolle Ansteckbroschen für alles zu entwerfen, was im Kaiserreich Rang und Namen trug: die Hohenzollern, die Fürstenbergs, die Thurn und Taxis, die Esterhazys, die Pálffys, Pallavicinis, Kinskys oder die Czernins. Selbst Fürst Metternich, dessen Name sonst nur in Zusammenhang mit diplomatischem Geschick genannt wird, zählte zur erlesenen Klientel des Hauses, das sich damals bereits am Neuen Markt 15 befand: Für seine heimliche Geliebte Dorothea Fürstin von Lieven ließ der Staatsmann ein Armband entwerfen.

Für Rekordsumme versteigert
Umso detaillierter wissen die Brüder Christoph und Florian sowie deren Cousin Wolfgang - sie leiten heute zu dritt das Unternehmen - über den einstigen Übergabe-Modus bei Hofe Bescheid. Er war eine Klasse für sich: "Unser Vorfahre sprach regelmäßig bei Kaiser Franz Joseph vor, um seine neuesten Kreationen vorzuführen, die im Vorfeld von den Damen inspiziert wurden“, erzählt Florian Köchert. Der Monarch bestellte bei Alexander Emanuel Köchert nicht nur den Schmuck für seine Ehefrau, sondern auch Hochzeits- und Taufgeschenke für seine Kinder und Enkelkinder. Und er kaufte auch für seine "engste Vertraute“ Katharina Schratt ein. Die Schauspielerin war für ihre Schmuckleidenschaft bekannt und somit die beste Kundin aus dem Umfeld des Kaisers. Jedenfalls wurden im Rahmen dieser Präsentationen die Schmuckstücke auf einem Samttablett drapiert - rechts unten lag der gewünschte Schmuck der Katharina Schratt. Die dezente Vorgangsweise verkürzte die Gespräche und ersparte Peinlichkeiten. "Unser Vorfahre war jedenfalls sehr glücklich über diese Liaison“, schmunzelt Köchert. Eines dieser Prachtstücke, die sogenannte Fuchsia-Brosche, wurde übrigens vor zweieinhalb Jahren im Dorotheum für die Rekordsumme von 202.800 Euro versteigert.

Ob auch die legendären Sisi-Sterne auf diesem Weg Einzug am Hofe fanden, ist nicht bekannt. Gerüchteweise soll es sich bei den Schmuckstücken um einen Auftrag der Kaiserin gehandelt haben, die bei einer Opernaufführung der "Zauberflöte“ die Königin der Nacht in jener Aufmachung sah, die später zu Sisis Markenzeichen werden sollte. Berühmt wurde das kapriziöse Styling allerdings erst durch das 1865 entstandene Winterhalter-Porträt. Insgesamt soll der Kammerjuwelier 27 Sterne in unterschiedlichen Größen und Fassungen, teilweise mit Mabé-Perle in der Mitte, ausgeliefert haben.

Acht der Original-Sterne sind bis heute erhalten geblieben. "Eines der größeren Modelle ist im Besitz direkter Nachfahren von Kaiserin Elisabeth, es sieht allerdings ein bisschen wie ein Edelweiß aus“, erzählt Christoph Köchert. Sieben weitere gehören den Nachfahren von einer der Hofdamen von Sisi. "Sie werden dort im Originaletui aufbewahrt. Diese Familie hat überhaupt ein unglaubliches Archiv, das ist schon fast wie in einem Privatmuseum.“ Bei dieser speziellen Hofdame - unbestätigten Gerüchten zufolge Gräfin Marie Festetics - dürfte es sich um eine der Favoritinnen der Monarchin gehandelt haben. "Wie man weiß, war Sisi manisch-depressiv. In ihren manischen Phasen war sie bekannt dafür, extrem großzügig zu agieren. Da hat sie einfach alles verschenkt“, so der Juwelier weiter.

Der Popstar der Habsburger, der bereits zu Lebzeiten als Stilikone galt, ist laut Köchert "bis heute ein unglaublich gutes Testimonial für uns“. Noch dazu habe der Stern den Vorteil, "dass er nicht wie ein antiquiertes Modell wirkt“ - zumal er in unterschiedlichsten Designs angeboten wird: als Haarspange, Diadem, Collier, Ring, Ohrenschmuck, als Anhänger in abgeschlankter Jungmädchen-Form mit einem einzelnen Stein in der Mitte oder opulent wie das einstige Original mit 46 Diamanten versehen. In seiner günstigsten Ausprägung kostet er 300, in der teuersten 14.800 Euro, und er verkauft sich rund um den Globus, bis nach Neuseeland, Australien. "Aber auch die Japaner und Chinesen sind begeisterte Kunden“, so Köchert.

Für Schlagzeilen sorgte der Stern im Jahr 2008: Damals wurde er, zehn Jahre, nachdem er im Zuge einer Ausstellung zum 100. Todestag von Kaiserin Elisabeth aus einer Hochsicherheitsvitrine im Schloss Schönbrunn gestohlen worden war, von kanadischen Behörden an die Stadt Wien retourniert. Die Geschichte dahinter mutet wie ein Spin-off des Filmklassikers "Topkapi“ an, in dem Maximilan Schell in der Rolle eines Gentleman-Gauners vom Dach des Topkapi-Palast-Museums abgeseilt wird, um besondere Smaragde zu stehlen.

Der Meisterdieb von Wien, der gebürtige Kanadier Gerald Blanchard, näherte sich dem Objekt seiner Begierde ebenfalls vom Himmel abwärts. Nachts ließ er sich mit einem Mini-Flugzeug zu Schloss Schönbrunn pilotieren, sprang dort mit dem Fallschirm ab und drang so unbemerkt in die Ausstellungsräumlichkeiten ein. Den echten Stern tauschte er gegen ein Duplikat ein, sodass der Diebstahl zwei Wochen lang völlig unbemerkt blieb. Erst als Blanchard 2007 nach einem 500.000-Dollar-Coup in einer kanadischen Bank gefasst wurde, entdeckte man im Haus seiner Großmutter den vermissten Sisi-Stern. Apropos Duplikat: Der Stern, den "Desperate Housewife“ Teri Hatcher bei ihrem Opernballbesuch im Jahr 2008 trug, war ebenfalls kein echter, sondern "eher von vis-à-vis“, wie Christoph Köchert schmunzelnd meint, wobei er mit dem Finger in Richtung Swarovski-Flagshipstore deutet.

An einer eigenen Jubiläums-Sisi-Edition anlässlich des 200-Jahre-Bestehens wird bereits gearbeitet. Auch das erste Geburtstagsgeschenk erhielten die Köcherts vor wenigen Wochen: eine Mitgliedschaft in der Association Les Hénokiens. Die exklusive Vereinigung, die vor 40 Jahren in Frankreich gegründet wurde, umfasst ausschließlich Unternehmen, die seit mindestens 200 Jahren durchgängig in Mehrheitsbesitz der Gründerfamilien sind und von mindestens einem Nachkommen des Gründers geführt werden. Mitglieder sind etwa der italienische Waffenfabrikant Beretta, das elsässische Spitzenweingut Hugel & Fils oder die französische Seidenweberei Jean Roze, die unter anderem das britische Königshaus beliefert. Die Juweliere Köchert sind das einzige Unternehmen aus Österreich, das diesem exklusiven Kreis ab nun angehört.

Ihre Nachfolgeregelung haben die Köcherts so gut im Griff, dass deren Fortbestand als Familienunternehmen auch für die kommenden 200 Jahre gesichert scheint: So werden die Gesellschafterverträge immer wieder der Zeit angepasst - seit 1990 dürfen etwa nicht mehr nur Söhne, sondern auch Töchter ans Ruder, wobei die Führungsstruktur seit jeher schlank gehalten wird. Wolfgang Köchert kümmert sich um Kreation und Produktion, Christoph Köchert ist neben dem Marketing für den Verkauf zuständig, Florian Köchert leitet die Niederlassung in Salzburg. Lediglich zwei Grundprinzipien sind seit Generationen in Stein gemeißelt: "Die Ehefrauen bleiben vom Geschäft ausgeschlossen. Und wir dürfen unsere Anteile nur untereinander vererben und nicht nach außen“, so Wolfgang Köchert.

Angesichts der Bekanntheit von Exponaten wie dem Sisi-Stern, verbunden mit dem Wiener Innenstadttrend zur Internationalisierung, verblüfft es, dass noch kein Übernahmeangebot von einem Luxuskonzern eingegangen ist. Wolfgang Köchert räuspert sich vielsagend: "Na ja, ich habe von Gerüchten gehört, dass man sich an uns wenden wollte. Es freut uns natürlich, wenn wir so hoch angesehen sind. Aber für uns bleibt alles beim Alten.“