Ausgeschnüffelt

Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer hatte 2006 einen Detektiv auf seine Vorstands­kollegen angesetzt.

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Lucona, Noricum, AKH: alles Skandale, bei denen „der Guggi“ als Privatdetektiv seine Finger im Spiel hatte, alles große Geschichten, alles lange her. Jetzt geht Dietmar Guggenbichler auch schon auf den Siebziger zu. Aber mit ihm, dem „Burt Reynolds der österreichischen Privatdetektive“ (Guggenbichler über Guggenbichler), Kirschen zu essen kann immer noch unangenehm werden. Das kann derzeit niemand glaubhafter bestätigen als Wolfgang Kulterer, langjähriger Vorstandsvorsitzender der Kärntner Hypo Alpe-Adria-Bank, der mittlerweile längst vom Strudel der am Balkan versenkten Hypo-Millionen mitgerissen wird. Kulterer hatte es als Chef mit einer Bank zu tun, in der offenbar an vielen Ecken und Enden Geld verschwand, und er hatte Dietmar Guggenbichler auf Empfehlung von Jörg Haider im Jahr 2006 als Privatdetektiv engagiert und auf zahlreiche – intern unter Korruptionsverdacht geratene – eigene Kollegen in Kärnten und Kroatien angesetzt, um das zu dem Zeitpunkt bereits heftig ins Wanken geratene Schiff zu stabilisieren und zu retten, was noch zu retten war. Viel sollte es schließlich ja nicht mehr sein. Genau genommen gar nichts: Die drei Hauptaktio­näre Bayerische Landesbank, Grazer Wechselseitige und das Land Kärnten mussten das heruntergewirtschaftete Geldhaus Ende des Vorjahres um genau drei Euro an den österreichischen Staat verkaufen und noch eine Milliarde drauflegen.

Fehler gemacht. Wolfgang Kulterer hat im Zusammenhang mit seinem Guggenbichler-Engagement zumindest einen Fehler gemacht: Er hat ihn arbeiten lassen, dann aber das vereinbarte Pauschalhonorar (250.000 Euro) nicht bezahlt. Kulterer hätte wissen müssen, dass Guggenbichler schon bei geringeren Mätzchen keinen Spaß versteht. Der schon im Zuge des „AKH-Skandals“ 1981 in U-Haft saß, weil er einem korrupten Schweizer Spitalsberater angeblich die Waffe an den Kopf gehalten und sein Honorar gefordert haben soll, jedenfalls aber vom Gericht freigesprochen wurde.
Kulterer hat jedenfalls nicht bezahlt, und nun schlägt Guggenbichler zurück. Der Privatermittler hat die meisten seiner vertraulichen Besprechungen mit Kulterer aus den Jahren 2006 und 2007 ohne Kulterers Wissen auf Band aufgenommen. Teilweise handelt es sich um Telefonate, die Guggenbichler mit dem ehemaligen ­Hypo-Chef am Festnetz seiner Klagenfurter Detektei mittels eines automatischen Rekordersystems festhielt, teils um Gespräche bei persönlichen Treffen etwa am Klagenfurter Flughafen oder auf Kulterers Reithof, die der von Misstrauen und ständigen dunklen Hintergedanken getriebene Guggenbichler mit seinem Digital Voice Recorder DS-4000 aufnahm. Nun öffnet Guggenbichler gegenüber profil sein „Kulterer-Archiv“ und liefert seinen Auftraggeber der Öffentlichkeit aus. „Aber nur“, so Guggenbichler, „weil er mein Honorar nicht bezahlt hat.“ Der Privatdetektiv legte vergangene Woche Berge von Audiodateien vor und zitierte aus den verschrifteten Telefonprotokollen. Der Zuhörer erhält dabei den Eindruck, dass ein in Bedrängnis geratener Bankdirektor mit niemandem so offen redet wie mit seinem Detektiv. Guggenbichler berichtet von Aussagen Kulterers, die teilweise strafrechtlich relevant sein könnten: Da ist im August 2006 die Rede davon, dass die Bank nicht an die Börse gebracht werde. Interessant, weil der Börsengang der Hypo Klagenfurt in den Monaten davor und danach öffentlich propagiert wurde. Es geht weiters um Erpressungen durch Vorstandsmitglieder der Hypo Kroatien, um „Geldentnahmen“ in Millionenhöhe „für Privatzwecke“ durch Kulterers Vorstandskollegen (siehe Kasten rechts), um zu errichtende „ausländische Strukturen“, über die man unentdeckt Geld fließen lassen könne.
Wolfgang Kulterer, von profil mit den Gesprächsinhalten konfrontiert, zeigte sich kommunikationsbereit und übermittelte eine schriftliche Stellungnahme (siehe Kasten Seite 40). Darin weist er den Vorwurf zurück, er habe den angeblich geplanten Börsengang in Wahrheit nie ernsthaft verfolgt. Andere seiner in den Gesprächen mit Guggenbichler gemachten Aussagen versucht er zu rechtfertigen und zu erklären. Und er bedauert, auf den Rat von Jörg Haider gehört und sich mit Guggenbichler eingelassen zu haben. Bezahlt habe er nicht, weil Guggenbichler letztlich keine verwertbaren Ermittlungsergebnisse geliefert habe. Guggenbichler, so Kulterer, mache die Gespräche nun unter „Bruch seiner Verschwiegenheitspflicht“ öffentlich.

Am Anfang war Jörg Haider. Die Vorgeschichte: Guggenbichler hatte sich nach ­einem mehrjährigen Kroatien-Gastspiel im Jahr 2000 in Strau bei Klagenfurt niedergelassen und betrieb in der Kärntner Landeshauptstadt seine Detektei. 2006 erging ein Auftrag an ihn, „etwas gegen Haider zu finden“. Die Auftraggeber waren Funktionäre, die nach Haiders BZÖ-Gründung in der Alt-FPÖ verblieben waren. Sie wollten aber, so Guggenbichler zu profil, „am besten etwas Nackertes, vielleicht mit dem Petzner“. Aber weil so etwas nicht Guggenbichlers Niveau sei, habe er seine Recherchen abgebrochen, Haider kontaktiert und ihn gewarnt. Dieser habe ihn in seiner Wohnung in Strau besucht, sich bedankt und ihm angeboten, nach den Nationalratswahlen im selben Jahr 2006 Haiders persönlicher Sicherheitschef zu werden. Und er habe sich erkundigt, ob Guggenbichler noch etwas brauche. Der musste nicht lange nachdenken. „Ich habe ihm gesagt, die Steuer ärgert mich, ich bräuchte dringend Geld. Da hat er sofort bei Kulterer angerufen, gesagt, servas, da is der Jörg, ich hab da einen Freund, den Guggenbichler, der braucht was, redets euch zusammen. Der Guggi is außerdem sehr guat, den kannst einsetzen.“ Zwei Tage später habe er, Guggenbichler, einen Termin bei Kulterer gehabt, und wieder wenige Tage später seien die benötigten 150.000 Euro auf einem dafür eingerichteten Konto der Hypo Klagenfurt eingelangt. Guggenbichler: „Drei Jahre lang gab es keine Forderung der Bank. Erst als Jörg Haider starb, stellte die Bank den Kredit fällig.“
Damals begann auch die Zusammenarbeit zwischen Kulterer und Guggenbichler. Der Detektiv: „Ich habe sehr viel recherchiert, observiert und alles Mögliche zusammengetragen. In Klagenfurt und auch in Kroatien. Kulterer hat die eigenen Leute observieren lassen, um dahinterzukommen, weil fast jeder verdächtig war.“

Vertraulich: Guggenbichlers Tonbänder
Der Privatdetektiv zitiert aus den Protokollen seiner Gespräche mit Wolfgang Kulterer.

Gespräch vom August 2006, Thema Jörg Haider, auf den Kulterer „böse“ ist, weil Haider ohne Absprache öffentlich verkündet hat, Kulterer werde nun doch als Vorstandschef der Hypo zurücktreten und in den Aufsichtsrat wechseln, aber in einem Jahr wieder zurück sein.

Kulterer: Der Haider macht Taktik, das macht er clever. Die Meldung zum Beispiel an dem Wochenende, wo er zu fruah aussegegangen ist, die hat er gemacht, anzukündigen, habe ich Ihnen eh gesagt, ich trete zurück als Vorstand, werde Aufsichtsrat und komme in einem Jahr zurück, indem er das gesagt hat, hat er gewusst, dass ich nie mehr zurückkomme.
Guggenbichler: Ja, natürlich, das hat er ganz bewusst gemacht …

Kulterer: Schauen Sie, da Haider, und die ganze Medienwirkung hat er auf seiner Seite, und mit denen kann er. Obwohl er manchmal so eine drüberkriegt. Aber im Prinzip ist er bei den Medien beliebt, weil er gibt immer was her …
Guggenbichler: Er weiß aber, dass sie sehr viel wissen, ja logischerweise. Er kann es sich mit ihnen nicht ganz verscheißen. Weil wenn sie zum Reden anfangen, hat er auch Probleme, das wissen wir alle …

Kulterer: Wer ma schauen. Also, ich muss Ihnen ganz offen sagen, die Dinge werden sich von selber entwickeln. Die größte Strafe wird für ihn werden, wenn ich die Bank, und das habe ich in der Zukunft in der Hand, und das wird er nicht verhindern können, wenn ich die Bank nicht an die Börse führe.
Guggenbichler: Ja, das ist richtig …

Kulterer: Da wird er fürchterlich leiden.
Guggenbichler: Leiden, aber damit kann es nicht getan sein …

Kulterer: Muss aus Kärnten weg. Aber wenn die
Wandelschuldverschreibung am 30.6.2008 nicht getilgt werden kann, hat er ein Riesenproblem mit dem Land.

Anmerkung: Die „Wandelschuldverschreibung“ betrifft Gelder, die Haider im Voraus bereits bezogen hatte und die als Gewinn des noch nicht durchgeführten Verkaufs der Bank erst wieder hereinkommen hätten sollen.
Thema Kroatien

Guggenbichler: Passen Sie auf, Herr Doktor, Vorsicht, wirklich Vorsicht …

Kulterer: Ich warte, bis der Kircher (Anm.: Josef Kircher, damaliges Vorstandsmitglied) zurück ist. Ich habe mit ihm am Montag eine Besprechung, wie wir das alles angehen werden mit Zagreb und Kroatien. Wobei, der gefährlichste Fall ist der O., Skipper. (Anm: Miro O. hat unter anderem mit Hypo-Geld Projekte abgewickelt; „Skipper“ ist ein Wohnhäuser-Projekt. O. war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.)
Guggenbichler: Gefährlich.

Kulterer: Mhm.
Guggenbichler: Ich meine jetzt richtig gefährlich.

Kulterer: Ja.
Guggenbichler: Wissen Sie, welcher Partei er angehört?

Kulterer: Weiß ich nicht, ich glaube, der gehört nirgends hin, lebt ja in Klagenfurt.
Guggenbichler: Mhm.

Kulterer: Ein sehr gerissener und gefährlicher Bursche.
Gugenbichler: Hat er euch gedroht oder …

Kulterer: Na der hat unten ein Häuslprojekt begonnen mit dem Striedinger (Anm.: Günther Striedinger, damals Vorstandsmitglied der Hypo), mit Unterstützung vom Striedinger, und ich glaube, er hat in der ersten, zweiten Projektphase um die zehn, 15 Millionen entzogen für Privat­zwecke. (Anm.: Striedinger wurde von profil mit dem Vorwurf konfrontiert, er ließ aber ausrichten, keine Stellungnahme abzugeben.)
Guggenbichler: Und wie sehen O. seine Verträge aus?

Kulterer: Kreditverträge. Kreditverträge gibt es ganz normale. Schauen Sie, Sie können das nie, wenn Sie ein Riesenprojekt haben, mit 30, 40 Millionen Euro, ja, und das ist da unten ein riesiges Projekt, wenn der von den Lieferanten daneben sein Privathaus bauen lässt.
Gugenbichler: … oder Sie lassen ihn umlegen. Bitte machen S’ die Ohren zu, das haben Sie nicht gehört. Aber über diese Leute da, da bestehen schon Möglichkeiten.

Kulterer: Ich glaube eher, dass der so kalkuliert, wenn ich einmal unten bin, dass mich da ein Lkw übersieht.
Thema Guggenbichler-Honorar über 250.000 Euro, das Kulterer nicht „über die Bank laufen“ lassen will

Kulterer: Na ja, wir werden am Montag eben besprechen, und wir wollten die Struktur besprechen, wie ma eben einen Auftrag erteilen können über das Ausland, nicht von herinnen, das hängt von denen ab, und das is in einer Bank, das sage ich Ihnen ganz offen, nicht einfach, du kannst nirgends ein Geld auftreiben.
Guggenbichler: Und ich muss dann einfach nur arbeiten können und meine Ruhe ­haben.

Kulterer: Ja, wir haben das dann versucht aufzustellen, wir sind am besten Weg dazu, das geht nicht so einfach. In der Bank kann ich das nicht machen, dann habe ich überall das Gequatsche.
Guggenbichler: Sicher das Gequatsche …

Kulterer: Ja, und die Bank ist nicht dicht. Es gibt intern noch immer sehr viele Netzträger und so weiter.
Guggenbichler: Wollen Sie am Dienstag zu mir kommen?

Kulterer: Das dürfte sich ausgehen. Ich habe am Montag mit dem Kircher Besprechung. (Anm.: Kircher erklärt gegenüber profil, sich an all diese Gespräche nicht zu erinnern.)
In einem weiteren Gespräch geht es wieder
um das Honorar.

Kulterer: … Wir haben das abgestimmt. Wir suchen jetzt den Weg, wie wir die Mittel beschaffen, und wir werden das ­angehen.
Guggenbichler: Gut, nur ich sollte irgendwie einen Zeitplan …

Kulterer: Wir brauchen dazu ungefähr zehn Tage. Schneller geht das nicht. Wir müssen da gewisse Wege wählen, dass man das aufstellen kann. Wie Sie wissen, ist in einer Bank alles registriert, und da gibt es nichts, was nicht registriert ist.
Guggenbichler: Na ja gut, aber wer will mich dann bezahlen …

Kulterer: Genau das checken wir jetzt … wir haben einen Weg, der wird morgen abgeprüft, und dann gibt es eine klare Gesellschaft, die Ihnen den Auftrag gibt. Ich kann das nicht fließen lassen, ohne dass wir die Struktur haben, weil das muss ­sauber sein, weil sonst sind wir alle tot

Thema Heinz Truskaler, ehemals Vorstand der kroatischen Hypo
Kulterer: Ja, da müssen wir uns treffen, weil ich bin morgen wieder unten in Kroatien und habe dort eine Bereinigung durch­-
zuführen. Was den Vorstand betrifft. Eine endgültige.
Guggenbichler: Welche? Um welchen geht’s?
Kulterer: Truskaler.
Guggenbichler: Truskaler, ja.
Kulterer: Ja, das ist der Vorstand der kroatischen …, der erpressen will und nicht wahrhaben will, dass er draußen ist.
Guggenbichler: Aber Sie wissen, dass der Truskaler gefährlich werden kann, zusammen mit Stemko?
Kulterer: Das weiß ich nicht. In welcher Richtung?
Guggenbichler: Die legen Sie schlicht und einfach um.