Christian Rainer: Der Hofer im Schafspelz

Er hat gute Chancen, Bundespräsident zu werden. Einige mäßig beruhigende Erkenntnisse über Norbert Hofer.

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Ein führender ÖVP-Politiker hält Norbert Hofer für den aussichtsreichsten Kandidaten im Bundespräsidenten-Wahlkampf. Seine Argumentation: In einem Land mit einer konservativen Mehrheit können nicht zwei linke Kandidaten in die Stichwahl kommen. Das rechte Lager wird sich daher zwischen Khol, Hofer und Griss plus Lugner nicht so sehr zersplittern, dass Hundstorfer und Van der Bellen abräumen. Angesichts des alles überragenden Themas Flüchtlinge – eben weiter aufgeheizt durch die Anschläge in Brüssel – und auf Basis der Umfragewerte der FPÖ werde Hofer neben Hundstorfer in der ersten Runde durchkommen. Mit diesem Thema in der Tasche und mit jener konservativen Bevölkerung im Rücken „muss“ Hofer in der zweiten Runde gewinnen, so mein Gesprächspartner.

Der Zähl- und Ersatzkandidat als Favorit, zwei Mal sechs Jahre Norbert Hofer in der Hofburg? Das ist nicht mein wahrscheinlichstes Szenario, aber die Logik ist so bestechend, dass man sich mit dem Mann sehr genau auseinandersetzen sollte.

Dazu gab es Gelegenheit, als wir Hofer im Rahmen einer profil-Veranstaltungsreihe kürzlich öffentlich interviewten. Wer ist dieser freundliche Kandidat einer weniger freundlichen Partei? Ist seine Verbindlichkeit echt, Naivität oder Fassade? Ist er ein Vermittler, wie es die Verfassung vorsieht, oder ein Umstürzler, wie es den Ansprüchen der Freiheitlichen näher läge?

Norbert Hofer gab uns am Montag der Karwoche Antwort auf diese Fragen: Er wäre ein in der Sache radikaler Präsident in einem ideologisch dubiosen Umfeld.

Mich wundert in diesem Zusammenhang vor allem, dass es keine größeren Bedenken, kein Stirnrunzeln rund um Hofers Ansichten von den Aufgaben des Präsidenten gibt. Möglicherweise liegt es ja daran, dass niemand die Sache zu Ende gedacht hat. Der FPÖ-Kandidat würde dabei nämlich zum Äußersten gehen, er würde die in einer Demokratie größtmögliche Kompetenz für sich beanspruchen – nämlich nach Gutdünken eine Auflösung des Nationalrats herbeiführen.

In mehreren Wortmeldungen hatte Hofer bekanntlich erklärt, er würde die Bundesregierung entlassen, wenn deren Amtsführung nicht seiner Rechtsauffassung entspräche. Das steht dem Bundespräsidenten nach Artikel 70 der Bundesverfassung tatsächlich frei. Was bei dieser Aussage unterging: Ein derartiger Akt würde fast zwangsläufig zu Neuwahlen führen. Wenn der Bundespräsident eine andere Regierung will, die entlassene Regierung aber das Vertrauen des Nationalrats genießt, kann nur ein neues Parlament eine andere Regierungskonstellation herstellen.

Ich habe Hofer bei jenem Interview gefragt, ob er sich der Tragweite dieses Eingriffs in die demokratischen Verhältnisse bewusst sei. Er antwortete, dass er „eine Auflösung des Nationalrats und Neuwahlen“ sehr wohl in Kauf nehmen würde.

Das entspricht weder dem Ziel der Verfassung – eine Auflösung des Nationalrats durch den Bundespräsidenten ist dort im Artikel 29 nur auf Vorschlag der Bundesregierung vorgesehen – noch dem allgemeinen Verständnis der Verfassung von den Aufgaben des Staatsoberhaupts. Es widerspricht auch der Haltung der FPÖ zu diesem Amt, das sie in der Vergangenheit als verzichtbar bezeichnet hatte.

Norbert Hofer ist ein Wolf im Schafspelz; er ist bereit, die Kompetenzen des Staatsoberhauptes radikal auszulegen, wie es keiner vor ihm gewagt hätte.

Weniger überraschend, eher bestätigend, dennoch bestürzend geriet die Suche nach Hofers ideologischer Verortung. Bekannt ist seine Ehrenmitgliedschaft in einer schlagenden Burschenschaft; jede Art von deutschnationalem oder gar revisionistischem Konnex darüber hinaus fehlte jedoch. Das sieht nun anders aus.

Hofer hatte am Tag vor der profil-Diskussion einen gewissen Odin Wiesinger als seinen Lieblingsmaler bezeichnet, nicht einfach dahingesagt, sondern in einem schriftlich beantworteten Fragebogen der „Presse am Sonntag“. Die Recherche ergibt, dass Wiesinger durchgehend deutschtümelnde, deutschnationale, rassistisch anmutende Bilder malt. Er fertigte etwa 2009 eine „Ölstudie“ eines Burschenschafters der schlagenden Verbindung Olympia an, der vor einer großdeutschen Karte posiert, die Österreich, Südtirol, Deutschland, Tschechien und Teile Polens inkludiert. Für die Zeitschrift „Aula“, die das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands als rechtsextrem einstuft, malte Wiesinger eine Illustration, die einen Burschenschafter mit heller Hautfarbe neben einem asiatisch und einem dunkelhäutig karikierten darstellt. Es findet sich auch das Bild eines mit Heldenblick eingefangenen Wehrmachtssoldaten.

Wie reagierte Hofer auf den Vorhalt? Er wollte sich bei dem Interview auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht von Wiesinger und diesen konkreten Arbeiten distanzieren. Er zog hanebüchene Vergleiche mit Van Gogh, Fuchs, Hundertwasser. Er sprach von Yad Vashem und Freunden in Israel. Er meinte, der profil-Herausgeber sollte Wiesinger doch anzeigen, wenn er das für rassistisch hielte.

Norbert Hofer ist ein Wolf im Schafspelz; er ist bereit, die Kompetenzen des Staatsoberhauptes radikal auszulegen, wie es keiner vor ihm gewagt hätte; er steht ideologisch im deutschtümelnden Raum, neben Menschen, die eine zumindest neutrale Position zur deutschen Wehrmacht pflegen. Ungeklärt bleibt für mich nur, ob sich der freundliche Herr Hofer dessen bewusst ist oder ob er sich selbst mit ungeheurer Naivität begegnet.