profil 40/1989: Manfred Deix und das „Feindbild Politiker“
Das Gesicht dieses beispielhaften österreichischen Homo Politicus könnte einem bekannt vorkommen. Am 2. Oktober 1989 – die Berliner Mauer wackelte schon gehörig – erschien das profil mit einer Titelgeschichte über das „Feindbild Politiker“. Illustriert wurde das Thema mit einem Cartoon von Manfred Deix, der der Drastik des Beschriebenen sozusagen hinterrücks gerecht wurde. 88 Prozent der Bevölkerung hatten in einer zeitgenössischen Umfrage der Aussage zugestimmt: „Praktisch alle Politiker suchen ihren eigenen Vorteil.“
profil war möglicherweise nicht ganz unschuldig am Imagetief der politischen Klasse in Österreich. Immerhin hatte dieses Magazin allerhand moralisch oder auch strafrechtlich beklagenswerte Tatsachen aus deren Einflussbereich aufgedeckt. Es war die Zeit von Noricum, Lucona, Waldheim, dem politischen Vorankommen diente die Gesichtswäsche im profil jedenfalls nur in Ausnahmefällen, und so schonungslos wie die Rechercheure dieser Zeitung gingen auch deren Zeichner vor. Gerade Deix hatte diesbezüglich ein sicheres Gespür. Das Grausliche, Tiefe, Versaute wurde in seinen Bildern als Normal-Alltägliches erkennbar, Deix ging nach dem Grundsatz vor, dass die Wahrheit den Menschen aquarellierbar sei.
Manfred Deix arbeitete ab 1972 für profil und war mit seinen Schulkollegen von der Wiener „Grafischen“, Gottfried Helnwein und Bernhard Paul, in den Anfängen für dieses Magazin stilprägend. Das Wirtshauskind aus Niederösterreich machte seine Sicht auf die Welt im Wiener Nachrichtenmagazin geltend. Deix wurde zum Chief Inspector der österreichischen Seele, auf deren Grund er eine Melange aus Vertrotteltheit, Naivität und Revanchismus sah – und wurde von den derart schonungslos Dargestellten auf erstaunliche Weise verehrt. Weil klar: Deixfiguren, das sind immer die anderen. „Mir haben Menschen mit zwei Kilo Zahnfleisch im Gesicht gesagt: ‚Mein Nachbar, der schaut aus wie eine Deixfigur‘“, erzählte der Künstler in einem profil-Interview zu seinem 60. Geburtstag, in dem er auch eine wichtige Klarstellung nachlieferte: „Die Sache mit den Mikrospatzen wird überschätzt. Nur ab und zu lacht irgendwo ein Vogerl aus einem Hosentürl heraus.“ Begründung: „Das Zeichnen rein politischer Inhalte würde mir die Arbeit auf Dauer verdrießen. So bereite ich mir kleine Geschenke, indem ich hin und wieder ein kleines rosa Stückchen aufblitzen lasse.“