Eine Frau hält ein Plakat, auf dem der russische Präsident Wladimir Putin mit einer blutigen Hand im Gesicht abgebildet ist, während Ukrainer und Unterstützer bei einer Demonstration gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine vor dem griechischen Parlament in Athen protestieren.
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Cancel Culture gegen Krieg: In your face, Putin!

Warum es notwendig ist, Russland zu boykottieren, es aber (wahrscheinlich) nichts bringt.

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Das Thema ist Cancel Culture und es herrscht Konsens: Konsum wird entrussifiziert. Das Nein zu Banken, Gas und Kunst aus Russland kommt so selbstverständlich einher wie die europäische Reaktion auf Putins Angriffskrieg: Die Weigerung, einen hart erkämpften Frieden aufzugeben, der Ekel vor Blut, das Schaudern über das Rütteln an Landesgrenzen, das Nicht-wahrhaben-Wollen von Drohungen mit Atomwaffen – unkontrolliert, bitter und bestimmt.

Wer sagt es Putin?

Niemand will Krieg. Das sagt dem russischen Präsidenten die EU samt der Schweiz, die Russland vom Bankensystem Swift ausschließen und schwere Sanktionen verhängen; das sagen Kultureinrichtungen wie der Eurovision Song Contest, an dem selbst Australien teilnehmen darf, Russland aber dieses Jahr nicht. Oder die Metropolitan Opera in New York, die die Zusammenarbeit mit Pro-Putin-Kunstschaffenden beendete. Zuletzt stellte auch das Internationale Paralympische Komitee klar: Sportler:innen aus Russland und Belarus dürfen an den heute beginnenden Winter-Paralympics in Peking nicht teilnehmen.

Streamingdienste ziehen mit. Netflix setzt einem Medienbericht zufolge alle zukünftigen Projekte und Übernahmen in Russland aus. Gar Spotify scheint sich nach den Joe Rogan-Skandalen nun um Desinformation zu scheren. Das schwedische Unternehmen entfernt Anfang dieser Woche Inhalte der staatlichen Medien “RT” und “Sputnik” in der EU und den USA und schließt russische Büros.

Die Auswirkungen des Krieges sind für Russlands Kultureinrichtungen, Börsen und Diplomat:innen spürbar. Nur Putin scheint kein Gefühl dafür zu haben. Seine Taubheit kann nur Wahn bedeuten. Denn Russland ist international immens beschädigt, sagt etwa der Schweizer Slawistik-Professor Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen. Seine Verbündeten verlassen ihn: In Frankreich lässt etwa die Rechtspopulistin Marine Le Pen ihre Wahlkampffolder wegen eines gemeinsamen Fotos mit Putin schreddern.

Wenn der Kauf von Pralinen politisch ist

Während Aldi in Deutschland (Österreich: Hofer) beispielsweise russischen Wodka aus dem Sortiment verbannt und Penny keine Süßigkeiten aus Russland mehr bestellt, erfreuen sich russische Produkte in China besonderer Beliebtheit. China weigert sich, den russischen Angriff auf die Ukraine zu verurteilen oder ihn als Invasion zu bezeichnen.

In einem von Russland betriebenen Online-Shop auf der Handelsplattform JD.com waren die meisten Artikel ausverkauft - darunter Schokolade und Weichspüler. "Ich hoffe, dass die Leute mehr russische Produkte kaufen, denn Russland zu unterstützen ist dasselbe, wie uns selbst zu unterstützen," kommentierte ein Käufer. Wenn der Kauf russischer Produkte Beistand bedeutet, ist der Verzicht darauf eine Friedenserklärung.

Boykotte sind starke Statements, aber nicht immer starke Waffen. Vergangene Debatten zeigen: Selbst Konsens kann den Angriff auf die Moral nicht verhindern. Trotz politischer, wirtschaftlicher, sozialer Einbüße: Ob Putin sich davon beeindrucken lässt, oder gar nachgibt? Chinas Unterstützung hat er (offiziell) jedenfalls – und somit Rückenwind von einer der größten Volkswirtschaften der Welt.

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Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.