Der letzte Fall

Slobodan Praljak war nicht der erste Angeklagte des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien, der sich das Leben nahm. Mit Jahresende schließt das Tribunal.

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Es war ein schockierender Moment: Der kroatische Ex-General Slobodan Praljak greift vor laufenden Kameras zu einer Flasche und schluckt ihren Inhalt hinunter. Dann lässt er die Zuseher im Gerichtssaal auf Kroatisch wissen, dass er gerade Gift geschluckt hatte. Die Verhandlung wird unterbrochen, Praljak stirbt wenig später in einem Krankenhaus. Er wollte sich nicht damit abfinden, dass ihn der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) wegen Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Haft verurteilt hatte.

Der 72-Jährige ist nicht der einzige Angeklagte, der sich selbst richtete. Auch der ehemalige kroatische Serbenführer, Milan Babić, nahm sich das Leben. Er erhängte sich 2006 in seiner Zelle im UN-Gefängnis im niederländischen Scheveningen, nachdem er zu 13 Jahren Haft verurteilt worden war. Er war einer der Hauptzeugen im Prozess gegen Slobodan Milošević. Dieser befand sich bereits seit 2001 hinter Gittern in Scheveningen und musste sich für seine Verbrechen im Balkankrieg verantworten. Milošević entging dem Urteil jedoch ebenfalls. Auch er wurde tot in seiner Zelle gefunden -sechs Tage, nachdem Babić sich umgebracht hatte. Ob es ein natürlicher Tod war, ist bis heute nicht geklärt. Das Verfahren wurde eingestellt. Einen ähnlichen Fall hatte es zuvor schon 1998 gegeben: Der kroatische Serbe Slavko Dokmanović, erhängte sich damals in seiner Zelle, bevor das Gericht zu einem Urteil kam.

Die Bestätigung des Urteils gegen Slobodan Praljak war zugleich das letzte Verfahren des bereits 1993 eingerichteten Tribunals. Es war das dritte internationale Strafgericht nach den Nürnberger Prozessen (1945-1946) und dem Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten (1946-1948), das sich mit Kriegsverbrechen beschäftigte. Zusammen mit dem Tribunal für Ruanda (1994-2015) bereitete es den Weg zur Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, der seitdem als ständige Institution über Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen richtet.

161 Personen klagte das Jugoslawien-Tribunal an, 133 fanden sich – freiwillig oder unfreiwillig – vor den Richtern ein. 84 von ihnen wurden verurteilt. So unrühmlich das Ende war, so erfolgreich liest sich die Bilanz des ersten Kriegstribunals, in dem "nicht Sieger über Besiegte richteten", so der legendäre Satz bei der Gründung des ICTY.