Ausland

Europa-Forum Wachau: Giorgia Meloni – die schrecklich gute Freundin aus Italien

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gilt als rechts, aber verlässlich. Bundeskanzler Karl Nehammer lud sie zum Europa-Forum nach Wachau ein. Mündet die Freundschaft am Ende in einen Beitritt der Fratelli d’Italia zur Europäischen Volkspartei?

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Wie gut darf man mit Giorgia Meloni befreundet sein? Italiens Ministerpräsidentin ist an diesem Wochenende ohne Zweifel der umstrittenste Gast des diesjährigen Europa-Forums Wachau. Eingeladen wurde sie höchstpersönlich von Bundeskanzler Karl Nehammer, als dieser sie im Mai in Rom traf.

Meloni politisch einzuordnen, ist keine einfache Angelegenheit. Ihre Partei, die Fratellli d’Italia, wird gern als „postfaschistisch“ bezeichnet. Gemeint ist damit, dass sie ideologisch aus dem historischen Faschismus hervorgegangen, aber eine demokratische, eben nicht mehr faschistische Partei ist.

Die Grünen Abgeordneten Michel Reimon, Helga Krismer und Monika Vana lassen in einer Aussendung ihrer Empörung freien Lauf und bezeichnen Meloni als „antidemokratisch“, „rechtsextrem“ und „antieuropäisch“. „Das Hofieren Melonis ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die für ein offenes Europa, Menschenrechte und Gleichstellung eintreten“, so die Grünen.

Ihre Kritik gilt vor allem der Migrationspolitik der italienischen Regierung, die ein einziges Ziel hat: die Verringerung der Zahl der Asylwerber. So wurde etwa zuletzt der humanitäre Aufenthaltsstatus gestrichen, der Flüchtlingen aus Kriegsgebieten bisher Schutz verschaffte, auch wenn sie keine persönliche Verfolgung glaubhaft machen konnten.

Doch Giorgia Meloni ist nicht nur in der Wachau ein gern gesehener Gast und eine gesuchte Gesprächspartnerin. Beim G7-Gipfel in Hiroshima (Japan) im vergangenen Mai wurde sie mit US-Präsident Joe Biden fotografiert, der freundschaftlich ihre Hand hielt. Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte sie in Rom und empfing sie in Berlin. Vor der Stipp-Visite in der Wachau traf Meloni Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron in Paris. Die erste weibliche Ministerpräsidentin Italiens gilt trotz ihrer weit rechts stehenden Regierungskoalition als verlässliche Partnerin. Bezeichnend ist ihr Ausspruch, wonach es zwei Bedingungen gebe, um Teil ihrer Regierung sein zu dürfen: Bekenntnisse zu „Europa und dem atlantischen Bündnis“.

Den ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj hieß sie in Rom willkommen, bezeichnete ihn als „Freund“ und versprach der Ukraine Unterstützung, „solange es nötig ist und darüber hinaus“. Damit unterscheidet sich Meloni in dieser entscheidenden Frage deutlich von anderen europäischen Rechtsparteien.

Interessanterweise steht Meloni damit den europäischen Partnern auch näher als etwa die kleinere italienische Regierungspartei „Forza Italia“ des kürzlich verstorbenen Silvio Berlusconi. Diese kritisiert Waffenlieferungen heftig, während Meloni die Strategie der westlichen Allianz stützt. Die kleine, vergleichsweise unbedeutende Forza Italia ist Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP), die Fratelli d‘Italia hingegen sind Teil der EU-Fraktion “Europäische Konservative und Reformer“.

Spätestens seit Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der EVP im EU-Parlament, nach einem Treffen mit Meloni zu Beginn des Jahres ihre Politik als „teils konstruktiv“ bezeichnete, wird über einen möglichen Beitritt der Fratelli d’Italia zur EVP spekuliert. profil berichtete.

Das würde für beide Seiten Sinn machen. Die EVP könnte die Stimmen der Fratelli d’Italia bei den EU-Parlamentswahlen im kommenden Jahr gut gebrauchen, und die Fratelli ihrerseits wären Teil der stärksten Fraktion in Europa.

Das führt zu folgenden zwei Fragen, die profil vergangene Woche schriftlich an Bundeskanzler Karl Nehammer richtete: Halten Sie es für denkbar, dass die Partei Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni der EVP beitritt? Spricht aus Ihrer Sicht etwas dagegen, oder würden Sie einen solchen Schritt begrüßen?

Nehammer ließ die Fragen vielsagend unbeantwortet.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur