JACOB ZUMA: Kritiker werfen dem Staatsoberhaupt Nepotismus und Dilettantismus vor, die Justiz ermittelt wegen Korruption.

Der toxische Führer: Südafrikas Präsident Jacob Zuma

Unter Jacob Zuma ist die Regenbogennation Südafrika zum halbdemokratischen Feudalstaat verkommen. Jahrelang konnte der verhaltensoriginelle Präsident nach Belieben fuhrwerken. Jetzt gerät er wegen seiner Eskapaden erstmals unter Druck.

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Was für eine Frohnatur! Er grimassiert, grinst, und wenn er lacht, gackert er fast: "Hehehe“, macht Jacob Zuma bei jeder Gelegenheit, sogar zwischen zwei Sätzen in Parlamentsreden. Dass die akustischen Heiterkeitsbezeugungen des südafrikanischen Präsidenten inzwischen sogar zu Rap-Songs verwurstet wurden, ist jedoch kein Zeichen von Anerkennung, sondern von tief sitzender Verärgerung.

Den südafrikanischen Bürgern ist angesichts der Eskapaden ihres Staatschefs das Lachen längst vergangen. Zuma mag sich als Sanguiniker geben - vielen gilt er aber weitaus mehr als Nepotist, Korruptionist und Dilettant, unter dem die von Nelson Mandela geschaffene Regenbogennation zu einem halbdemokratischen Feudalstaat verkommen ist.

Warum, das illustriert ein Gerichtsverfahren beim Verfassungsgericht, dem sich Zuma gerade stellen muss. Es geht um sein privates Anwesen im Zululand: eine Protzvilla, deren Errichtung derartige finanzielle Ausmaße angenommen hat, dass der Staatschef dafür tief in die Staatskasse greifen musste. 246 Millionen Rand (damals rund 25 Millionen Euro) besorgte sich Zuma auf dem kleinen Dienstweg - angeblich, um unabdingliche Sicherheitsvorkehrungen zu begleichen. Dazu zählten unter anderem ein Schwimmbad, ein Empfangsgebäude, ein Amphitheater und ein Hühnerhof. Als Oppositionsabgeordnete im Parlament lautstark forderten, Zuma müsse das Geld zurückzahlen, wurden sie von Sicherheitsbeamten aus dem Plenum entfernt. Inzwischen ist die Causa beim Verfassungsgericht anhängig.

Währungs-Debakel

Die Villen-Affäre ist nur eine von vielen, die Zuma zur Last gelegt werden. Kurz vor Weihnachten enthob er den verdienten Finanzminister Nhlanhla Nene völlig überraschend seines Postens und ersetzte ihn durch einen unbekannten ANC-Hinterbänkler - um dann verblüfft mitanzusehen, wie die Landeswährung mitsamt den Aktienwerten in den Keller sackte.

Die noch immer von Weißen dominierte Wirtschaft habe ihn "falsch verstanden“, befand Zuma verstimmt, bevor er die Personalentscheidung auf Druck seiner Partei zumindest teilweise rückgängig machen musste.

In Wahrheit hatten die Finanzmanager den Staatschef nur allzu gut verstanden. Nene sollte weg, weil er sich gegen zwei Lieblingsprojekte des Präsidenten quergelegt hatte: die wegen sündhafter Kosten umstrittene Errichtung von sieben Atomkraftwerken russischer Bauart und den Kauf von zehn Airbus-Flugzeugen. Dass die beiden Mega-Deals dem Präsidenten so am Herzen lagen, hat nach Einschätzung der Zuma-Kritiker nur einen Grund: Geschäfte dieser Art würden dem bereits mehrfach der Korruption und Veruntreuung von Steuergeldern bezichtigten Staatschef weitere Gelegenheit zum Einkassieren von Schmiergeldern bescheren.

Südafrikas Kommentatoren zufolge handelte es sich bei Nenes Absetzung jedoch nicht nur um einen schlecht getarnten Bereicherungsversuch, sondern um einen Frontalangriff auf das Finanzministerium als eine der letzten noch funktionierenden Institutionen am Kap der Guten Hoffnung. Sämtliche Parteigremien, die Spitzen der Staatsanwaltschaft, den Geheimdienst, die öffentliche Rundfunkanstalt sowie die staatlichen Konzerne des Landes hat Zuma bereits unter seine Kontrolle gebracht, beim Amt des "Public Protector“ (eine Art Ombudsmann), der Gerichtsbarkeit sowie der Presse versucht er es.

Der "toxische Führer“ Zuma sei dabei, sämtliche von Nelson Mandela in die Wege geleiteten Errungenschaften des neuen Südafrika zunichte zu machen, schimpft der Johannesburger Kolumnist Justice Malala: "In sechs Jahren hat der ANC-Chef alles zerstört, was andere Führer seiner Partei mehr als 100 Jahre lang aufgebaut haben“.

"Halbdemokratischer Hybrid-Staat“

Die Bilanz der inzwischen knapp sieben Jahre amtierenden Zuma-Regierung ist in der Tat erschütternd. Ökonomisch steht das neue Südafrika so schlecht da wie seit seiner Geburt vor 22 Jahren nicht. Nach Auffassung des Politologen Heinrich Matthee ist das Land zu einem "halbdemokratischen Hybrid-Staat“ verkommen. Das Wachstum liegt unter einem Prozent (manche Analysten sagen dem Kap sogar eine Rezession voraus), dafür schießt die Arbeitslosigkeit mit offiziell 25, inoffiziell über 40 Prozent in immer schwindelerregendere Höhen. Die öffentliche Schuldenlast ist auf über 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes geklettert. Wenn es so weitergeht, wird Südafrika bald Hilfe beim Weltwährungsfonds suchen müssen - mit allen Konsequenzen, die ein solcher Schritt für die Souveränität des Landes mit sich bringt.

Eine weitere Abwertung der Investitionsempfehlung durch die Rating-Agenturen ist so gut wie sicher. Dann haben die Anleihen des einstigen Vorzeigestaats endgültig Schrottstatus erreicht. Und ausgerechnet vor diesem Hintergrund versuchte Zuma, einen der letzten seiner auch international noch angesehenen Minister auszutauschen. Seine Entscheidungen seien "unberechenbar und verschwommen“, meint der Politologe Mzukisi Qobo: "Seine Politik ist von destruktiver Unklarheit geprägt.“

Dass es so kommen würde, hatte mancher schon zu Beginn von Zumas Amtszeit vor fast sieben Jahren befürchtet. Vorgänger Thabo Mbeki wollte seinen Vize mit allen, auch zweifelhaften Mitteln von der Nachfolge fernhalten. Doch da sich Mbeki mit seinem arroganten Führungsstil dem ANC heillos entfremdet hatte, erreichte er damit nur das Gegenteil. Zuma wurde nicht wegen seiner Fähigkeiten, sondern wegen seiner Feindschaft mit Mbeki zum Präsidenten gekürt. Der joviale Glatzkopf empfahl sich allen als guter Freund, vor allem dem von Mbeki vernachlässigten linken Flügel der Partei. Heute zählen der damalige Chef des Gewerkschaftsbundes Cosatu sowie der einstige Präsident der ANC-Jugendliga zu Zumas schärfsten Kritikern. Beide sind längst entmachtet beziehungsweise aus der Partei entfernt worden.

Zuma hat nie eine Schule besucht und erst auf der Gefängnisinsel Robben Island das Lesen und Schreiben gelernt. Wenn er eine Zahl mit mehr als sechs Stellen ablesen muss, verhaspelt er sich meist: Doch bei der Zementierung seiner Macht beweist er genialische Bauernschläue. Inzwischen wird das Land nicht mehr von den besten Experten, sondern von den gehorsamsten Schmarotzern regiert.

Sexuell hyperaktiver Polygamist

Selbst die dunkelhäutige Intelligenzija verabscheut den Präsidenten: Im Gegenzug nennt er sie abfällig die "clever blacks“. Der Karikaturist Zapiro zeichnet Zuma nur noch mit einem aus seinem mächtigen Schädel ragenden Duschkopf, weil er während eines Vergewaltigungsprozesses auf die Frage des Richters, wie er sich denn gegen den HIV-positiven Status seiner Bettgenossin geschützt habe, antwortete: "Ich habe danach geduscht.“ Ein Maler stellte den Polygamisten mit einer langen Lanze als Penis dar - eine Anspielung auf Zumas sexuelle Hyperaktivität, die ihm sechs Frauen, zahlreiche Geliebte und (mindestens) 20 Kinder bescherte.

Seine Großfamilie stellt den traditionsbewussten Zulu vor erhebliche Herausforderungen. Vor seiner Wahl zum ANC-Chef steckte er in so akuten Geldnöten, dass er die Hilfe des Geschäftsmanns Schabir Shaik in Anspruch nehmen musste - und diesem als Gegenleistung Teile eines umfangreichen Waffendeals zuschanzte. Wegen dieses "korrupten Verhältnisses“ fasste Shaik 15 Jahre Haft aus. Das Verfahren gegen Zuma hingegen wurde auf massiven Druck der Regierungspartei hin eingestellt.

Dass der 73-Jährige allen Widerständen und selbst einem angeblichen Vergiftungsanschlag seiner vierten Ehefrau zum Trotz noch immer erstaunlich guter Laune ist, hat er seiner auf das Zulu-Volk gegründeten Machtbasis zu verdanken. Die mitgliederstärkste ANC-Provinz KwaZulu-Natal wird niemals zulassen, dass ihr Pate vor dem Ende seiner Amtszeit 2019 abgelöst wird.

Einige Sorgen scheinen Zuma inzwischen aber doch zu plagen. In der Affäre um seine Villa signalisierte der Präsident erstmals Bereitschaft zum Einlenken. Er kündigte an, das aus der Staatskasse gemopste Geld zurückzahlen zu wollen. Und als Nachfolgerin versucht er, eine Vertraute in Position zu bringen: Nkosazana Dlamini-Zuma, derzeit Kommissionsvorsitzende der zahnlosen Afrikanischen Union - und eine von Zumas Ex-Frauen. Sie soll dafür sorgen, dass ihr Ex nach seiner Amtszeit nicht doch noch im Gefängnis landet. Denn dort würde wohl selbst ihm das Lachen vergehen.