Terroralarm in Australien

Geiselnahme in Sydney: Bewaffneter mit Islam-Fahne

Aktuell. Geiselnahme in Sydney: Bewaffneter mit Islam-Fahne

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In der australischen Metropole Sydney hat mindestens ein bewaffneter Geiselnehmer mehrere Menschen in seine Gewalt gebracht. Die Behörden schließen einen extremistischen Hintergrund nicht aus, da Geiseln gezwungen wurden, eine schwarze Fahne mit einem weißen arabischen Schriftzug in das Fenster des Cafes zu halten. Darauf stand "Allah ist groß". Fünf Geiseln gelang die Flucht. Der Geiselnehmer verlangte unter anderem ein Telefonat mit dem australischen Premier Abbott.

Im Zentrum der australischen Metropole wurden Hunderte Menschen rund um das Cafe evakuiert, in dem der Mann seit Stunden eine Gruppe von geschätzten 30 Geiseln festhält. Die Polizei steht mit dem Geiselnehmer in Kontakt, bisher konnten mehrere Geiseln entkommen.

Die Polizei sperrte die Umgebung ab, derzeit gibt es noch keinen direkten Kontakt mit dem Mann, der zwei seiner Geiseln dazu zwang, in ein Fenster des Cafes eine schwarze Flagge mit dem islamischen Glaubensbekenntnis in weißer arabischer Schrift zu halten.

Die wichtigsten Entwicklungen im Ticker:

08.41 Uhr - Einige Geiseln haben Polizeiangaben zufolge offenbar Forderungen des Täters in Online-Netzwerken gepostet.

08.36 Uhr - Die Polizei erklärt, sie sei in Verhandlungen mit dem Geiselnehmer.

07.12 Uhr - Zwei weitere Geiseln entkommen aus dem Cafe. Damit sind bislang offenbar insgesamt fünf Menschen geflohen.

Sydneys Zentrum im Ausnahmezustand
Die noch immer andauernde Geiselnahme hat Sydney im Herzen getroffen. Der Martin Place, an dem das Lindt-Cafe liegt, ist zwar nicht so symbolträchtig wie das Opernhaus oder die Hafenbrücke, doch es ist der Kern des zentralen Geschäftsviertels der größten australischen Stadt.

In unmittelbarer Nähe zum Restaurant liegen nicht nur Luxusgeschäfte, Einkaufsmeilen und die Büros zahlreicher Banken, sondern auch wichtige offizielle Gebäude. Der Sitz der australischen Zentralbank (RBA) befindet sich gleich angrenzend zum Lindt-Cafe.

Der Regierungssitz, das Parlamentsgebäude und der oberste Gerichtshof des Bundesstaates New South Wales sind nur ein Steinwurf entfernt. Zehntausende Menschen strömen täglich durch die nun gesperrte Bahnstation Martin Place in die Stadt.

Die Polizei ließ nach der Alarmierung um 9.45 Uhr am Morgen die Zugänge zu den Gebäuden um das Lindt-Cafe sperren. Dazu gehörten auch die Studios und der Newsroom des TV-Senders Channel Seven, der direkt gegenüber dem Cafe seine Räumlichkeiten hat.

Von diesem Sender stammten die Bilder der Geiseln, die gezwungen wurden, eine schwarze Flagge mit arabischen Schriftzeichen an den Fenstern des Lindt-Cafes hochzuhalten. Kameraleute nahmen die Bilder auf, bevor sie von bewaffneten Polizisten nach draußen begleitet wurden.

Hunderte, wenn nicht Tausende Leute in Gebäuden rund um den Martin Place mussten ihre Arbeitsplätze verlassen. Menschen standen auf der Straße und telefonierten mit Verwandten und Freunden, wie TV-Bilder zeigen.

Auch das US-Konsulat, das sich ebenfalls beim Martin Place befindet, brachte seine Angestellten in Sicherheit und reduzierte den Betrieb auf das Nötigste.

Mehrere Banken schlossen ihre Filialen in der Innenstadt, auch einzelne andere Geschäfte stellten den Betrieb ein. Die Atmosphäre glich laut Journalisten vor Ort der einer Geisterstadt - eine ungewohnte Szenerie zehn Tage vor Weihnachten, wenn normalerweise große Menschenmengen ihre Geschenkeinkäufe tätigen.

Während sich die Geiselnahme hinzog, brachte die Polizei laufend Menschen aus den gesperrten Gebäuden in Sicherheit. Teilweise holten die Sicherheitskräfte Leute über Leitern aus ihren Büros. Die Polizei sperrte die Gegend rund 200 Meter um den Tatort herum ab: Feuerwehr-, Polizei- und Ambulanzwagen säumten die Straßenzüge.

Die Nervosität in der Stadt war groß, die Polizei ging nach eigenen Angaben mehrmals Hinweisen aus der Bevölkerung nach wegen angeblich verdächtigter Gegenstände. Sämtliche Hinweise erwiesen sich aber als Fehlalarm.

Offenbar aufgrund eines solchen Hinweises wurde auch das Opernhaus am Vormittag evakuiert. Der Platz vor dem ikonischen Gebäude, der täglich ein Anziehungspunkt für Touristen ist, blieb ungewohnt leer.

Später am Nachmittag gab das Opernhaus bekannt, dass mehrere geplante Vorstellungen am Abend nicht stattfinden würden. Das Verkehrssystem solle nicht zusätzlich belastet werden, lautete die Begründung.

Auch beim Darling Harbour, einem weiteren Touristenmagnet, schlenderten nicht wie üblich Tausende Menschen, sondern nur wenige Hunderte dem Quai entlang. Der relativ weit vom Geschehen entfernte Bondi Beach wurde bei schönstem Sommerwetter jedoch gut besucht - die Stimmung war aber merklich gedämpft.

Der Verkehr wurde zeitweise stark behindert, vor allem zur Feierabendzeit. Auf der achtspurigen Hafenbrücke (Harbour Bridge), eine wichtige Verbindung in die Innenstadt, wurde der Verkehr teilweise umgeleitet. Die Behörden riefen die Bevölkerung dazu auf, sich von der Innenstadt fernzuhalten.

Der Flugverkehr funktionierte mit wenigen Verspätungen normal. Die Fluggesellschaften verzichteten aber darauf, wie üblich die Innenstadt zu überfliegen.

Weder von der Polizei noch von den Medien gab es Hinweise darauf, warum der oder die Geiselnehmer ausgerechnet das Cafe des Schweizer Schokoladenherstellers Lindt auswählte.

Ministerpräsident Tony Abbott rief die australische Bevölkerung in einer ersten Reaktion dazu auf, wie gehabt ihren täglichen Beschäftigungen nachzugehen. In großen Teilen der Innenstadt Sydney war an diesem Montag aber an Alltag kaum zu denken.

(Reuters/APA/Red.)