Doch weiter GroKo?

Georg Hoffmann-Ostenhof zur Bundestagswahl: Doch weiter GroKo?

Für die Europäische Union wäre eine Fortsetzung von Rot-Schwarz jedenfalls wünschenswert.

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Die deutschen Wahlen waren dann doch aufregender als man dachte. Von politischem Erdbeben ist allerorten die Rede. In der Tat: Da ist so einiges passiert.

Das erste mal hat nun auch Deutschland (so wie die meisten anderen europäischen Länder) Rechtsradikale im Parlament. Und die AfD ist gleich drittstärkste Partei im Bundestag geworden.

Die regierenden Mitteparteien, SPD und Union, sind abgestürzt. Diese um über acht Prozent. Jene um fünf. Das ist dramatischer als es aussieht: Die Sozialdemokraten haben damit ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Ein Debakel.

Und die Liberalen der FDP, die noch vor vier Jahren aus dem Bundestag geflogen waren, erleben ihre Wiederauferstehung.

Die Deutschen haben, so paradox es klingt, für Kontinuität gestimmt.

Die deutsche Politik hat es also vergangenen Sonntag gründlich durchgeschüttelt. Dennoch haben die Deutschen, so paradox es klingt, für Kontinuität gestimmt: Angela Merkel bleibt nach bereits zwölf weitere vier Jahre Bundeskanzlerin.

Die Große Koalition – Groko genannt – scheint aber endgültig abgewählt zu sein. So sieht es auch der glücklose SPD-Chef Martin Schulz. „Wir gehen in die Opposition“ verkündete er bereits am Wahlabend, als sich das sozialdemokratische Desaster abzeichnete.

Vollends verlassen sollte man sich freilich nicht darauf, dass die Groko Vergangenheit ist. Neben ihr geht sich rein mathematisch nur Jamaika aus: Schwarz (Union), Grün, Gelb(FDP) – also eine Dreier-Koalition. Eigentlich eine Regierung aus vier Parteien – besteht doch die Union aus der mittigen CDU und der weit rechts stehenden bayrischen CSU.

Das werden extrem schwierige Koalitionsverhandlungen: Klare Proeuropäer ( Merkel und Grüne) stehen Europa-Skeptikern (CSU und FDP) gegenüber. Grüne und FDP sind sich spinnefeind. CSU und Grüne werden auch nicht leicht zu Kompromissen finden. Und schließlich haben die Deutschen, im Unterschied zu anderen europäischen Ländern mit Regierungsbündnissen zwischen zwei Parteien Erfahrungen – mit Mehrparteienkoalitionen aber nicht.

Es ist also nicht völlig auszuschließen, dass sich, im Falle eines Scheiterns der Jamaika-Regierungsverhandlungen, die Sozialdemokraten doch noch breitschlagen lassen und „aus Verantwortung für das Land“ erneut den Juniorpartner in einer Regierung Merkel machen.

Für die SPD wäre das wahrscheinlich sehr schlecht. Wie kann sie sich in einer wiederaufgelegten GroKo regenerieren? Wie kann sie so aus ihrem historischen Tief herausfinden? Und würde eine Fortsetzung des Gehabten nicht die Mitteparteien – auch die CDU – auf mittelfristig weiter dramatisch schwächen?

Mit einer mit den Sozialdemokraten regierenden Angela Merkel könnte Frankreich zu einer gemeinsamen Europa-Politik kommen.

Für Europa aber wäre eine Fortsetzung der Großen Koalition gut. Die Rechtsliberalen von der FDP sind deklarierte Feinde dessen, was Emmanuel Macron, der linksliberale Präsident Frankreichs, mit Europa vor hat. Dezidiert lehnen sie einen Euro-Finanzminister, ein Budget für die Eurozone und die weitere Entwicklung gemeinsamer Institutionen innerhalb der EU ab. Mit einer mit den Sozialdemokraten regierenden Angela Merkel könnte Frankreich zu einer gemeinsamen Europa-Politik kommen. Mit einer Regierung, in der die FDP etwa den Außenminister stellt, wohl kaum.

Für die Europäische Union aber wäre die Stärkung der legendären deutsch-französischen Achse existenziell wichtig. Nur die enge Zusammenarbeit zwischen Paris und Berlin verliehe der EU jene Handlungsfähigkeit, die sie jetzt so dringend braucht.

Aus europäischer Sicht wäre eine Fortsetzung von Schwarz-Rot in Berlin wünschenswert.

Das wird aber nicht gespielt werden. Es sei denn, die vier Jamaika-Parteien können sich trotz langer Verhandlungen – und die werden mit Sicherheit Monate dauern – partout auf kein Regierungsprogramm einigen. Die Möglichkeit besteht.

Georg Hoffmann-Ostenhof