Der Fluch Hebrons

Jüdische Religionsschüler: Der Fluch Hebrons

Nahostkonflikt. Die Entführung und der Mord an den drei jüdischen Religionsschülern

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Von Tessa Szyszkowitz

Hussam Qawasmeh wurde am 11. Juli von israelischen Grenzpolizistinnen verhaftet, als er versuchte, vom Westjordanland nach Jordanien zu flüchten. Im Verhör gestand der 40-jährige Palästinenser aus Hebron, am 12. Juni Naftali Frenkel, Gilad Shaar und Eyal Yifrach entführt zu haben. Außerdem habe er später die Leichen der drei jüdischen Religionsschüler auf seinem Grundstück in der Nähe von Hebron verscharrt. Die Ermordung der drei jungen israelischen Siedler, die beim Autostoppen am 12. Juni entführt worden waren, wurde der Auslöser für den jüngsten Gaza-Krieg.
Israel gab die die Verhaftung Qawasmehs erst vergangene Woche bekannt. Zwei der mutmaßlichen Mörder sind noch auf freiem Fuß. Hussams Cousin Marwan Qawasmeh und ein zweiter Palästinenser aus Hebron, Amer Abu Aisha, werden der Tat verdächtigt und dürften im Westjordanland untergetaucht sein. Dort können sie auf die Hilfe und Sympathie vieler zählen. Die Qawasmehs sind ein weit verzweigter und einflussreicher Clan, der seit Jahren zu den radikalsten Familien in der Gegend von Hebron zählt. Von den rund 10.000 Qawasmehs, schreibt Shlomi Eldar im Internetmedium „Al-Monitor“, sind 15 in den 14 Jahren seit dem Ausbruch der Zweiten Intifada im Kampf gegen Israel gefallen, neun davon bei Selbstmordattentaten.

Immer wenn ein Qawasmeh als Kopf der militärischen Operationen gegen Israel ermordet wird, folgt ein weiteres Familienmitglied nach. Auf Abdullah folgte Basel. Als Basel von den Israelis umgebracht worden war, kam Imad an die Reihe. Als er 2003 von Israel verhaftet und lebenslang eingesperrt worden war, stieg Marwan Qawasmeh zum Chef der militärischen Operation der Hebron-Szene auf.

Hebron ist seit rund 100 Jahren Ort der intensivsten Spannungen zwischen Mosleminnen und Jüdinnen im heiligen Land. In Hebron nämlich liegt laut religiöser Legende Urvater Abraham begraben, gemeinsam mit seiner Frau Sarah. Statt die Besinnung auf die gemeinsamen Wurzeln zu fördern, wurde das Grab des Patriarchen Zankapfel zwischen Jüdinnen und Musliminnen.
Im Zuge der jüdischen Besiedlung Palästinas Anfang des 20. Jahrhunderts stiegen die Spannungen zwischen Jüdinnen und den palästinensischen Araberinnen in Hebron. In einem Massaker 1929 wurden 67 Mitglieder der kleinen jüdischen Gemeinde massakriert. Nach der Besetzung des Westjordanlandes durch Israel begannen radikalreligiöse Siedlerinnen, die Gemeinde wieder aufzubauen. Der Hass zwischen Siedlerinnen und Stadtbevölkerung führte zu einem weiteren tragischen Höhepunkt, als der Siedler Baruch Goldstein im Februar 1994 im Grab des Patriarchen 29 betende Palästinenser von hinten erschoss.

Die Siedlerinnen wurden damals nicht aus Hebron verbannt. Die Radikalisierung beider Seiten ging ungebremst weiter. So auch unter den Qawasmehs: Der Clan wird an sich der islamistischen Hamas-Bewegung zugeordnet. Hussam Qawasmeh hat laut israelischen Angaben gestanden, von der Hamas für die Entführung der drei Religionsschüler bezahlt worden zu sein. Die Hamas-Führung selbst hatte von Anfang an allerdings gesagt, sie habe mit der Entführung der Siedlerjugendlichen nichts zu tun – sie begrüßte diese aber. Erst später wurde bekannt, dass die drei ermordet worden waren.

Vielen der jungen Qawasmehs ist die Hamas aber bereits viel zu moderat. Wann immer die Hamas-Führung einen Schritt in Richtung Israel oder der moderaten palästinensischen Fatah-Führung im Westjordanland gemacht hatte, beantworteten die Qawasmehs die konziliante Politik mit einer provokativen Operation, die alle Fortschritte sabotierte.

Im Juni hatte der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas eine nationale Einheitsregierung mit der Hamas vereinbart, um in der Folge gemeinsam mit Israel zu verhandeln. Daraufhin schlugen die Qawasmehs wieder einmal zu; die Entführung der drei jungen Siedler endete mit deren Tod.

Kurz darauf begann der jüngste Krieg zwischen der Hamas und Israel.